II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 243

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19. Der Ruf des Lebens
Telephon 12.801.
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„ODSLIVER
L. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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in Berlin. Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, Londoh, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Kom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quelienangabe ohne Gewühr).
Ausschnitt aus:
—WIENER ZEITUNG
12 12.1909
vom:
Theater und Kunst.
(Deutsches Volkstheater.) Heute wurde
ein neues Schauspiel von Artur Schnitzler„Der
Ruf des Lebens“ zum ersten Male ausgeführt.
Das Stück behandelt einen peinlichen, zum Teile recht
erkünstelten Vorwurf. Feine psychologische Analysen,
anmutige, poetisch empfundene Szenen, liebenswürdige
Stimmungsstudien aus der Biedermeier=Zeit, die die
zarte Hand eines Dichters und Künstlers verraten,
münden in die krassen und rohen Unwahrscheinlichkeiten
der Kolportage= und Boulevard=Dramatik ein. Da
muß denn hinterher weidlich daran herummotiviert
werden. Über den — Vatermord der liebestollen Heldin
kam das Publikum leicht hinweg und erhob keinerlei
Einspruch, wie man vermutet haben mochte. Die
Darsteller spendeten mit Hingebung ihre beste Kunst,
ganz besonders die Damen Hannemann und
Paula Müller. Von den Herren sei Direktor
[Weisse gerühmt, der die Gestalt des Obersten
an drohender Lächerlichkeit vorbei ins Bedeutende und
Ergreifende hinüberführte. Nach allen Aktschlüssen er¬
scholl lebhafter Beifall, der den Dichter und seine
Darsteller vor die Rampe rief — nach dem letzten
Akte ällerdings am schwächsten.
— „ N. Lant. Peen. 6
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Feuilleton. 0
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„Der Ruf des Lebens.“
dieses Schal
(Schauspiel in drei Aufzügen von Artur Schnitzler. Aufgeführt
sich im Le
im Deutschen Volkstheater.)
Dichter aus
Von Ludwig Hevesi.
problem all
Wien, 11. Dezember.
dazu muß
Ein hochgespannter Abend, wie nur wenn Schnitzler
Hälfte d
in voller Kraft ist. Auch diese Spannung ist bei den
einak
Modernen etwas ganz anderes als bei den Unmodernen.
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Bei diesen war es eine äußere, ein langsames Drehen
D
an Kurbeln und Anziehen von Schrauben, ungefähr wie
9
einst bei der wohllöblichen Folter. Bei jenen ist es ein
a
inneres Verfahren, mit unsichtbaren Apparaten, die doch
2
zu einer unbegreiflichen Deutlichkeit gelangen, erst bloß sie
geahnt, dann ausgerechnet, schließlich klac, als ob man an
sie mit der Hand umtastete. Ibsen, großer Meister! is
Unerreichter Suggestionsvirkuose! Uebrigens auch Schnitzler.#
Er hat schon mehrere solche „inwendige“ Dramen, denen A
man widerstrebt, zu widerstreben glaubt, indem man sich de
ihnen doch ergibt, weil man sich ihrer schlechterdings nicht di
erwehren kann. Auch er ist ein Wundermann. Wie sie ese
heute sind; wenn sie eben sind. Sichtbares und Un¬

sichtbares sind bloß eines das Symbol des anderen. Dies #
ist wohl die richtigere Fassung des symbolistischen Prin¬
zips. Nicht bloß das Emporbeziehen der Realwelt auf
Deutsamkeiten, sondern auch das Herunterbeziehen der
Begriffe auf die Realien. Dem Dichter sind sie ja ohnehin
stoffeins, denn er steht über allen erdenklichen Aggregats¬
zuständen. Ihm ist die Welt aus einem Guß; nämlich
wenn er selbst aus einem Guß ist. Darum ist ihm auch
Mögliches und Unmögliches nicht zweierlei. Der Unter¬

schied ist nur der Standpunkt. Bei dem Möglichen blickt! a
er aus den Dingen heraus, bei dem Unmöglichen in lei
die Dinge hinein. Daher sein Allmachtsgefühl allen bür¬
gerlichen Bedenken gegenüber, zu denen auch die ästhe¬
rückzuker
tischen gehören. Er hat den Wahn, schon im voraus Remiment
alles bewiesen zu haben, durch die einfache Tatsache, daß Flucht erg
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