II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 244


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19. Der Ruf des Lebens
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er geboren ist. Und dieser Wahn ist das elementar wodurch die Schlacht verloren ging. Die junge Gene¬
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Schöpferische in ihm; er macht ihn souverän.
ration des Regiments will diese Scharte auswetzen und
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Solche Gedankengänge kommen mir angesichts der
der Fahne ihren alten Glanz wiedergeben... Und
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kühnen Realphantasie, mit der die Voraussetzung für
des Lebens.“
Marie denkt an einen dieser Helden, die sterben gehen. An
dieses Schauspiel gegeben ist. Der Arzt Schnitzler, der
den Leutnant Max, mit dem sie einst eine schwüle Nacht
von Artur Schnitzler. Aufgeführt
sich im Leben und Sterben wie nicht bald ein zweiter
n Volkstheater.)
durchgetanzt, in der sie beide den Ruf des Lebens hörten.
Dichter auskennt, hat hier einmal das tragische Haupt¬
Ohne ihm zu folgen. Versäumtes Glück. Ist es jetzt zu
dwig Hevesi.
problem alles Seins ganz hochromantisch gefaßt. Doch
spät? Man erzählt ihr, daß seine Schwadron erst morgen
Wien, 11. Dezember.
dazu muß ich den ersten Akt skizzieren, der die volle
früh folgen wird. Diese Nacht ist er noch hier:
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Ihr
bend, wie nur wenn Schnitzler
Hälfte des Stückes bildet und eigentlich an sich eine volle
Vater aber jubelt, daß diese sterben gehen, für ihn ge¬
diese Spannung ist bei den
einaktige Tragödie ist. Ein Meisterwerk, wie ich ohne¬
wissermaßen, für seine Schuld, Mitschuld ... Denn er
eres als bei den Unmodernen.
weiters sagen darf. Ein Meisterwerk vor allem jener
war damals Rittmeister bei denselben blauen Reitern, er
kußere, ein langsames Drehen
Morituri=Stimmung, wie man sie ja wohl nennen darf.
ist mitgeflohen und ist jetzt der einzige Ueberlebende. Und
von Schrauben, ungefähr wie
Man stelle sich dieses Heim eines Todkranken vor, des
nun soll er dieses Regiment noch ein zweites Mal über¬
Folter. Bei jenen ist es ein
alten Moser, der von seiner Tochter Marie gepfleat wird.
leben ... welcher Triumph für einen Todkranken!.
sichtbaren Apparaten, die doch
Tag und Nacht, denn das ist ein böser Sterbender, der
Und er versperrt die Thüre und zieht den Schlüssel ab.
eutlichkeit gelangen, erst bloß
sich das bißchen Lebensrest noch verfüßt, indem er
Wieder soll Marie bei dem Schlaflosen wachen. Aufge¬
schließlich klar, als ob man
anderen das Leben sauer macht. Neunundsiebzig Jahre
braucht wie sie schon ist, von dieser endlosen Selbstauf¬
tete. Ibsen, großer Meister!
ist er alt, will aber durchaus noch viel älter werden.
opferung aus „Kindespflicht“. Nur noch ein Schatten ihrer
Kose! Uebeigens auch Schnitzler.
Mit der unbedingten Selbstsucht eines Maniaken des
selbst. Der Arzt mahnt, droht immerzu; sie werde dem¬
e „inwendige“ Dramen, denen
Aelterwerdens klammert er sich an dieses Scheinleben in
nächst zusammenbrechen. Er hat sie selbst einst geliebt und
streben glaubt, indem man sich
der Krankenstube. Seine größte Wonne ist, zu hören,
verzichten müssen. Wie jetzt der Forstadjunkt auf sie ver¬
nsich ihrer schlechterdings nicht
daß weit Jüngere gestorben sind, sterben sollen. Eine
zichten muß, weil Max den Ruf des Lebens ausgestoßen
ein Wundermann. Wie sie
elementare Schadenfreude jubelt in ihm bei jeder solchen
hat. Max ist der Richtige, der Einzige . . . Und da hält
en sind. Sichtbares und Un¬
Nachricht. Und nun ist Krieg, ein großer, schwerer Krieg.
sie das Schlafmittel in der Hand, das der Arzt ihr an¬
as Symbol des anderen. Dies
Unten auf der Straße ziehen Truppen auf Truppen
vertraut. „Genug für tausend Nächte . . .“ Und sie schüttet
ung des symbolistischen Prin¬
vorbei. Wie viele von diesen blühenden jungen Männern
das Ganze ins Wasserglas, der alte Moser trinkt und
vorbeziehen der Realwelt auf
werden ihr Leben lassen und er, der alte Moser, in
stirbt. Marie nimmt den Schlüssel und geht zu Max.
ch das Herunterbeziehen der
seiner Krankenstube, wird sie allesamt überleben. Das
Tragödie, ergreifend, menschlich bis zur Uebermensch¬
em Dichter sind sie ja ohnehin
ist eben die Art, wie der alte Moser den Ruf des Lebens
lichkeit. Mit Meisterhand gewoben. Freilich... Die Ro¬
rallen erdenklichen Aggregats¬
spürt. Und nun ist unten das Hurrarufen des Publi¬
mantik stürmt rücksichtslos über die bürgerliche Wahr¬
elt aus einem Guß; nämlich
kums plötzlich verstummt und doch ziehen noch immer
scheinlichkeit hinweg. Die hier eine militärische ist. Ich habe
Guß ist. Darum ist ihm auch
Truppen vorbei. Kavallerie diesmal. Warum jauchzen sie
eigens einen Kriegsrat berufen, um sich über die Mög¬
s nicht zweierlei. Der Unter¬
diesen nicht zu? Bloß diesen blauen Kürassieren! Weil
lichkeit des erdichteten Falles zu äußern. Diese Offiziere
nkt. Bei dem Möglichen blickt
alle Welt weiß, daß diese Blauen einen Todesschwur ge¬
erklärten das für undenkbar. Ein Oberst, der sein Regiment
s, bei dem Unmöglichen in
leistet haben, vom Obersten bis hinab zum letzten
so zur Schlachtbank kommandiere, werde sofort als krank
in Allmachtsgefühl allen bür¬
Offiziersburschen, aus diesem Kriege nicht lebendig zu¬
abgesetzt werden. Es werde ihm auch keiner einen solchen
er, zu denen auch die ästhe¬
rückzukehren. Vor dreißig Jahren nämlich hat dieses
Schwur leisten. Und die Welt, vom obersten Kriegsherrn
den Wahn, schon im voraus Regiment in einer Schlacht, von Panik bewältigt, die
bis zum letzten Zeitungsleser hinab, werde nicht ruhig zu¬
urch die einfache Tatsache, daß! Flucht ergriffen und andere Truppenteile mitgerissen, sehen. Und viel Kluges und Militärvernünftiges sagtenste