II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 266

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19. Der Ruf des-zebens
Telephon 12.801.

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„OBSERVER“
1 österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschaltte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
uagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
12.4
vom:
MOMTAGS- Blatt Gubl. Piad.), Wien
Die Premieren vom Samstag.
(Deutsches Volkstheater.) Tatsächliche Berichtigung in be¬
treff der Wiener Aufführung des dreiaktigen Schauspiels „Der Ruf
des Lebens“ von Arthur Schnitzler. Es ist unwahr, daß ein
Kürassier=Rittmeister vor der Schlächt so feige Angstgefühle haben
kann, daß er mit seiner Schwadhon die Flucht ergreift und dadurch
eine Niederlage herbeiführt. Esist unwahr, daß selbiger Schwa¬
droneur und pensionierter, abey dennoch in Unruhestand ver¬
setzter Offizier nach dreißig Jahken ohne Notwendigkeit diese Ge¬
meinheit seiner vollreifen Tochter erzählt. Es ist unwahr, daß die
betreffende Tochter darob so empört wird, daß sie dem ebenso zu¬
widern als kranken Vater einen Gifttrank aus der Medizinflasche
braut, worauf der alte Sünder sofort des Todes sterben muß und
das Mädel in der Stimmung ist, mit ihrem Schatz, einem kaiser¬
lichen Reitersmann, die erste und letzte Liebesnacht zu begehen,
trotzdem die Vatermörderin noch eine andere warme Leiche pas¬
sieren muß, welche die frühere Liebe des Reiteroffiziers und eine
gerichtete Ehebrecherin ist Unwahr ist auch, daß ein ganzes Regi¬
ment vom Gemeinen aufwärts geschworen hat, in den Tod zu
reiten (weshalb das Stück auch „Der Ruf des Lebens“ heißt).
Wahr ist, daß Herr Arthur Schnitzler fabelhaft viel Furcht und
Schrecken verbreitet, um jeden Akt mit einer anderen Todesart ab¬
zuschließen und der Ruf des Lebens ein fortwährendes Todes¬
geschrei ist, wie in einem alten Ritterstück. Wahr ist, daß trotz¬
dem die vorgestrige Premiere unter großem Beifallslärm gespielt
wurde, weil zehn Dutzende entzückte Freunde des Dichters an ver¬
schiedenen Stellen des Hauses redliche Arbeit leisteten und die
Treue, sie ist kein leerer Wahn, und niemand kann sagen, daß
Herr Schnitzler heute und in den nächsten Tagen wieder so laut
den Ruf dieser sehr Lebendigen hören wird. Wahr ist schließlich,
daß die Damen des Deutschen Volkstheaters an jenem Abende
tapferer als die blauen Kürassiere für den Erfolg kämpften. Mit
dem Feldgeschrei: „Sterben und Sterbenlassen!“ standen die
Hannemann, Müller und Thaller im ersten Treffen.
Die Herren vom zweifärbigen Tuch und zweifärbigem Charakter
ahnten, daß sie vom Obersten Weisse auf verlorene Posten ge¬
stellt waren. Die Herren Kramer und Klitsch hatten nichts
vom Zauber der Natur. Homma durfte neidenswerterweise.“
schon im zweiten Akte das Zeitliche segnen. Die Herren des
Zivilstandes, Edthofer und Kutschera sprachen wie Bider¬
männer aus der Biedermeierzeit. Wahrlich! Der Ruf der Herrn
Arthur Schnitzler ist besser, als sein „Ruf des Lebens
Telephon 12.801.
Dee
„UDSERVER
österr. behördl. konz. Unternehmen für Zelitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
nagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, ot. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt MATERLAND, WIE.
vom 13 72 1909
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Drulsches Volkstheater. Zum erstenmale: =Der
[Ruf des Leben, Schauspiel in drei Aufzügen von
Artur Schnitzler.
Krankheit und Sterben, Mord und Selbstmord, das
sind die Leitmotive, welche durch die heutige Novität ziehen
und wenn wir die Tendenz richtig verstanden haben,
dann rät der Autor, auf jeden Fall dem Rufe des
Lebens zu folgen, selbst wenn er über Leichen führt.
Jedenfalls eine seltsame Lebensanschauung, die da von der
Bühne gepredigt wird. Hoffentlich=verwirrt sie nicht über¬
spanute Backfischköpfe und regt sie nicht zur Nachahmung
an. Es dürfte jeben auch nicht so glücken wie der Heldin
des Stückes. Marie (Fräulein Käthe Hannemann)
ist die Tochter des alten Moser (Herrn Hans
[Homma), eines bösen zänkischen Greises, der
seit Jahren krank ist und dessen Pflege sie ihre ganze
Jugend opfern muß. Ein einzigesmal durfte sie
einen Ball besuchen. Dort tanzte sie mit dem Leutnant
Max (Herrn Leopold Kramer), den sie von dieser
Stunde an liebt, doch hat sie ihn nicht wiedergesehen. Da
hörte sie, daß die blauen Kürassiere auf den Kriegsschau¬
platz abmarschieren, in den sicheren Tod, denn Offiziere
und Mannschaft haben geschworen, daß keiner lebend
wiederkehren darf, denn vor dreißig Jahren hat sich das
Regiment mit Schmach beladen und diese Scharte muß
ausgewetzt werden. Damals war es feige geflohen und
hatte dadurch den unglücklichen Ausgang der Schlacht ver¬
schuldet. Und der Hauptschuldige war der Rittmeister, der
alte Moser. Max ist blauer Kürassier und am letzten;
Abend will Marie zu ihm. Um fortzukommen, gibt sie
ihrem Vater eine übermäßige Dosis seines Schlafmittels,
die seinen Tod herbeiführt, herbeiführen muß. Im zweiten
Akt wird sie bei dem Geliebten unfreiwillige Zeugin eines
zweiten Mordes. Irene, die Frau des Obersten (Fräulein
Lili Marberg), wird dort von ihrem Gatten (Herrn
Adolf Weisse) überrascht und niedergeschossen. Max
führt Marie in seinen Armen fort, tötet sich aber selbst
vor Tagesanbruch. Dann ist noch Katharine (Fräulein
Paula Müller), die Tochter von Mosers Schwägerin
(Frau Kathi Thaller), die weiß, daß sie lungenkrank
ist und ihre Tage gezählt sind. Auch sie will vorher ihr
Leben genießen und verläßt zu diesem löblichen Zwecke
das Mutterhaus, wohin sie im letzten Akt sterbend zurück¬
kehrt. Marie hat dort inzwischen ein Heim gefunden und
trägt schwer an der Bürde ihres Verbrechens. Die Spuren
desselben hat jedoch Dr. Schindler (Herr Viktor
Kutschera), der sie im stillen liebt, sorgfältig ver¬
wischt und doziert ihr zum Schlusse in langerer
Rede, daß sie ihren Vater nur von seinen Leiden erlöst
hat, sie möge vergessen und verkündet ihr äußerst
salbungsvoll, daß auch an sie noch einmal der Ruf des
Lebens ergehen wird. Im ganzen eine unerquickliche
Handlung und kein versöhnender Schluß, denn das Ver¬
brechen bleibt ungesühnt und wird beinahe verherrlicht.
Nur die blauen Kürassiere zahlen den Tribut der Ehre,
(Herrn
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gehen zugrunde bis auf Albrecht
sie
sich jedoch nachher selbst
Wilhelm Klitsch), der
Anton Edthofer
gibt. Herr
den Tod
spielt den Forstadjunkten Eduard Rainer, der
zuerst der Bräutigam Katharinens und dann Mariens war.
Die Darstellung tat ihr möglichstes, doch schien es, als ob
den Künstlern vor ihren eigenen Rollen gegraut hätte. Sie
waren entschieden nicht mit Lust und Liebe bei der Sache.
Das Theater hat wohl schon längst aufgehört, eine Bildungs¬
stätte für die Jugend zu sein, aber im Vergleiche zu diesem
Stücke möchten wir beinahe noch französische Pikanterien für
ungefährlicher halten. Alle Eltern, die ihre Töchter vor
schlechten Einflüssen bewahren wollen, seien hiemit ernstlich
gewarnt. Der äußere Erfolg war anscheinend ein großer,
ebenso groß als unverdient. Es wurde mit einer Vehemenz
applaudiert, als ob Preise dafür ausgesetzt gewesen wären.
K. M.
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