II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 267

19. Der Ruf des Lebens
ger. Vernaphen
für
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ZEITUNGS-AUSSCHNITTE
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FRIEDRICH FERIZ & CRORG WEINBERGER
WIEN.
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„Wr. Mittags-Zeitung y
DEZ 1909
Theater und Kunst.
(Deutsches Volkstheater.) „Der Ruf
des Lebens“ von Arthur Schnitzler ist ein
intellektuelles Werk, es ist ein Stück mit Koblek Gedanken,
mit kultivierten Gefühlen, wenn es auch kein Theaterstück
ist. Es hat einen Akt von Sardouscher Bühnenkraft,
aber zwei, die nur von Schnitzlers novellistischen Qualitäten
leben. Wenn das Werk trotzdem einen rauschenden Erfolg
fänd, so ist dies nicht zuletzt der Feinhörigkeit eines
Publikums zu danken, das sonst nur dramatischen Exzessen
willig nachgibt. Daß es der psychologisch=raffinierten Diktion
Schnitzlers folgte, ist ein wesentlicher Fortschritt in seiner
Aufnahmsfähigkeit. Zumal „Der Ruf des Lebens“ im
Volkstheater mit viel Mühe, aber nur in den Frauenrollen
mit viel Erfolg gespielt wurde. Also von Fräulein Hanne¬
mann, die einen überzeugenden Ton der um ihre Lebens¬
freude betrogenen Jugend hatte, von Fräulein Müller,
die ein armes, dem Tode verfallenes Geschöpf seltsam
gespenstisch zeichnete, und vor allem von Lilli Marberg,
die den „Ruf des Lebens“ mit einer wundervoll mit¬
reißenden, betörenden, von innerer Glut gefärbten Stimme
ausstieß. Aber Herr Homma war so monoton, daß er
fast farblos schien, Herr Kramer hatte zu wenig schau¬
spielerische Kraft, in unmittelbarer Todesnähe, also unter
so und so viel Atmosphären Druck, einen Menschen zu ge¬
stalten, und Herrn Weisse mißlang die Darstellung eines
witzigen und in der Ungeheuerlichkeit seines Witzes gro߬
artigen Menschen. Er bringt immer nur die körperliche
Dimension, nie aber das geistige Maß mit.
(Theater in der Josefstadt.) „Baron
Liederlich“ von Heinrich Schrottenbach. Eine Komödie
aus nicht gar neuen Motiven, Hochgericht über die Faulen
und Liederlichen, Fortunas Füllhorn über die Braven und
Arbeitsamen. Moralprotzige Schicksalsweisheit fließt in
dicken Tropfen. Der Grazer Autor hat die Sache theatralisch
geschickt gemacht, tritt Unebenheiten und Unwahrscheinlich¬
keiten mit breitem Schritt nieder. Und vor allem sind zwei
Vombeurollen da. Für Herrn Jarno ein Bruder
Liederlich, halbungarische Ausgabe, so ein charmanter
Bramarbas, gutmütiger Lump, mit faulen Akzenten und
schleißiger Noblesse, ein Kerl, aus hundert Nuancen ge¬
gossen. Für die Niese das Mädel aus dem Volk, die
Kreuzbrave und in allen Nöten Kreuzfidele, resolut bis
zur Wurfgrobheit, dabei herzensweich bis zum inwendigen
Schluchzen; und sie rackert sich unter Lachen und Weinen
ins amerikanische Brautglück hinein. So was zieht. In
kleineren Rollen die Herren Träger, Strobl, Mayerhofer,
Köstlin, Fräulein Bock, ein herziger Backsisch, Fräulein
Schweickhart und Schleinis. Schrottenbach hat die Josef¬
städter Bühne richtig in ##e moralistische Anstalt verspandel¬
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64 —
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(Quellenangabe ohse Gewähr).
Ausschnitt aus
Neuigkeits Weltblatt, Wien
vom: 141171909

Theater, Kunst und Musik.
Wien, 13. Dezember 1909.
Deutsches Volkstheater.
„Der Ruf des Lebens“, Schauspiel in drei Aufzügen von
Artur Schnitzler. Erste Aufführung am 11. Dezember 1909.
Schnitzlers Freiaktiges Schauspiel „Der Ruf

ds Samstag unter starkem äußeren
Erfolg zum erstenntal in Wien über die Bühne ging, ist
technisch ein schlechtes Stück — ein recht schlechtes Stück.
Unwahrscheinlich gekünstelt in den Motivierungen,
willkürlich, marionettenhaft in der Szenenführung, locker
im Aufbau. Ganz ungleichmäßig in der Wahl der
Mittel: zarte, feine Piuselstriche neben dickaufgetragenen,
schreiendgrellen Farbenklexen.
Oder man gibt zu, daß hier ein neuer Inhalt die
herkömmliche Form zersprengt und die alte Dramaturgie
eben daran Schiffbruch erleidet. Und der neue Inhalt
wäre, daß der Dramatiker nicht eigentlich ein Menschen¬
schicksal zeichnet, sondern das dämonische Walten einer ##
unsichtbaren Macht aufzeigen will, die über die
Menschen kommt, der die Menschen nur Mittel sind.
Und diese urgewaltige Kraft, das ist das Leben, das
lockende, rusende Leben.
Alle haben den Ruf des Lebens einmal gehört. Der
alte Rittmeister Moser damals in der Schlacht und da
war er aus Angst vor dem Tod geflohen und hatte sein
ganzes Regiment, die blauen Kürassiere, mit fortgerissen.
Dreißig Jahre sind seither vergangen. Wieder ist Krieg
im Land und die blauen Kürassiere haben geschworen,
die Schmach von damals zu tilgen: alle wollen sie den
Heldentod suchen. So ließ das lockende Leben den alten
Moser schuldig werden am Tod so vieler, Aber es straft
ihn auch. Seine eigene Tochter Marie, welcher der alte
Mann all ihre Jugend vergällt, da er ihr das Leben
„draußen um die Eck“ nicht vergönnt, vergiftet ihn
und von seiner Leiche weg eilt sie dem Ruf des Lebens“
nach, zu ihrem Max, der Offzier bei den blauen
Kürassieren ist. Das zweite Opfer des rufenden Lebens.
Und Max? Die Frau seines Oberst liebt ihn leiden¬
schaftlich, sträflich und ruft ihn zum Leben. Was soll
ihm und ihr sein Tod mit den Kameraden draußen?
Er weist sie fort — da kliert das Fenster — der Oberst
hat sie überrascht, ein Pistolenschuß und das Weib sinkt
tot zu Boden. „Herr Leutnant, nehmen Sie den Mord
auf sich!“ Und Max erlebt in Mariens Armen eine
letzte Nacht voll Liebe und Leben und, als der Morgen
graut, da greift auch er zur Pistole,
Dann Katharina, Mariens Base, neunzehn Jahre alt.
schwindsüchtig. Sie weiß es, mit zweiundzwanzig ist sie
tol wie ihre Schwestern, drum will sie leben, leben!g
Und sie wirft sich jenem Leben in die Arme, das auch
Laster heißt. Nur einmal kehrt sie noch heim, verstört,
verwirrt, „nur auf ein Stündchen“ um zu sterben. Noch
zwei Menschen gehen durch das Stück, zwei stille
Menschen: ein Forstadjunkt, der zuerst Katharina liebte,
dann Maria und der jetzt wartet — ohne jeden Groll,
nur Verstehen und Mitleid im Herzen und, dann der
Hausarzt Mosers, der einmal Marien zugerufen, sie soll
Lala!
K