II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 269

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19. Der Ruf des Lebens
liebsten Arme zu werfen und ihres verkümmerten Biedermeierstil — mit lyrischen Ausblicken. Alles
##ock nur mit Quellenangabe gestattet.
jungen Lebens in Sünden und Wonnen froh zuwunderschön bereit, eine süße Braut und ein junges
Glück zu empfangen. Aber der Alte mag nicht sterben,
werden.
Feuilleton.
läßt sich ungebührlich Zeit und gibt lebend die Marie
Und draußen galoppieren stramm und schweigsam

nicht frei, durchaus nicht, weil er doch jemand um sich
die blauen Kürassiere in ihren ganz nahen und ganz
haben muß, der ihn pflegt und den er dafür quält.
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gewissen Tod hinein. Der Hufschlag ihrer Gäule klap¬
Theater.
Aber gäb' er sie auch hin, die Marie nähme den Grün¬
pert über das Straßenpflaster, verliert sich — Perspek¬
Deutsches Volkstheater: „Der Ruf des Lebens“,
frack doch nicht mehr, denn sie hat ihr begehrliches Herz
tive des Ohrs! — in verhallender Ferne... Trom¬
Schanspiel in drei Akten von Artur Schnitzler. Zum
an einen jungen Offizier gehängt, an einen von den
petensignale dazwischen, erst lauter, dann leiser...
ersten Male aufgeführt in Wien am 11. Dezember.
blauen Kürassieren, mit dem sie eine Nacht toll ver¬
Ein Blick in eine Altwiener Krankenstube, in eine
tanzt hat. Sie nimmt auch den braven Herrn Doktor
ist
von 1850 etwa. Der Vater, vordem Rittmeister,
Ein seltsam kurzweiliges Spiel, vom Leben und vom
nicht, den humanen Arzt mit edler Weltanschauung,
79 alt, kann nicht leben und sterben, nur noch
Tode ein vieldeutig dunkles Puppenspiel. Kommt
der von abgeklärten milden Lebenseinsichten bis zum
schimpfen und schelten. Er ist die leibhaftige Bosheit
gleich nach dem „Tapferen Cassian“ der für Mario¬
Überfließen voll ist, und nach dem sie nur das weiße
im Schlascock. Eine ihn langsam aufzehrende Krank¬
netten geschtieben ist. Die ganz großen Gebärden, da
Händchen auszustrecken hätte.
heit hat alle Tücke, alles Gift seiner niedrigen Natur
wie dort, so furchtbar steif, das Pathetische eckig und
Das zierliche Bäschen Katharina ist die Tochter der
aus ihm herauskristallisiert. Wie der alte Mann seine
zackig, stoß= und ruckweis. Es hätte auch eine rüh¬
guten alten Tante Toni, mit der befransten Um¬
Tochter, die Marie, deren Großvater er sein könnte,
rende „Muritat“= und Schrumm=Schrumm=Ballade
denn sie ist 26, quält mit Worten und Werken, das
hänge=Seidenmantille, ihre Jüngste, die ihr einzig
daraus werden können, auf dem Jahrmarkt zu sin¬
übrig verbliebene von drei „Schwestern Fröhlich“. Sie
ist ganz aus der Weis'. Sie wacht an seinem Lager
gen und zu zupfen, und einer schlägt mit dem Stöck¬
müssen alle an der Schwindsucht dahinsterben, sie wer¬
mit einem stillen, heißen Haß im Herzen, sie hat sich
lein immer auf die Bilder hin, wie sie zu den Strophen
einen eigenen liebreichen Ingrimm zurechtgelegt, sie
den nicht älter als höchstens einundzwanzig. Kathi
gehören. Es läßt sich auch so mancherlei Tiefsinn,
sieht somit nur noch drei Jahre Lebens vor sich. Die
duldet wortlos, und sie sehnt sich nach dem Leben, sie
wenn man die Zeit dazu hat, hineinlegen und heraus¬
fühlt sich welken und immer böser und giftiger wer¬
will sie denn, liebesnaschhaft wie sie ist, auf ihre leicht¬
holen. Es liegen so viel abgerissene Fäden herum, die
den, neben dem bösen, giftigen Alten. In ihr ge¬
sinnige Art ausnützen. Sie ist in einen jungen Offi¬
sich bequem zusammenknüpfen lassen. Ein Puppen¬
zier verschossen — auch einer von den blauen Küras¬
heimstes weibliches Empfinden dringt er ein mit rohen
stück ist es, das von Memmen und Helden handelt,
und häßlichen Reden, weidet sich teuflisch an ihrer
sieren. Sie „hat etwas“ mit ihm und etwas ganz
von großartigen Jünglingen, die das Dasein und
Ernsthaftes.
errötenden, verstummenden, empörten Abwehr. Und
alle Lust des Lebens gern von sich abwerfen als ein
Die blauen Kürassiere sind alle dem Tode geweiht,
Wertloses, und von einem gierigen Greise, der sich jetzt kommt die Novelle. Ein ganzer Novellenkranz
alle. Es umrauscht sie ein volksliedhafter, romantischer
angsterfüllt an ein verächtliches Leben anklammert, das wird ins Puppenspiel eingeflochten, das Feinste ins
Klang. Des Knaben Wunderhorn bläst ihnen zum
doch längst keines mehr für ihn ist, weil er vor dreißig Derbste verwoben. Die Marie war mit einem braven
Forstadjunkten, Brakenburg im grünen Jägerfrack,
letzten Ritt. Gleich nach den blauen Husaren kommen
Jahren an einer feigen Tat unselig verstorben. Ein
nahezu verlobt, der von ihrem munteren Bäschen Ka¬
sie, die auch zum Tore hinausreiten auf Nimmerwieder¬
Theaterstück von einem jungen Mädchen, das dem
tharina zu ihr abschwenkte. Nun wäre das Männlein
kehr, und denen betränte Mädchenblicke sehnsüchtig
— „Schrumm=Schrumm!“ — den
eigenen Vater
nachfolgen durch die Gelbveigeleinstöcke an den Erker¬
ewigen Schlaf in den Abendtrunk träufelt, nur um in eine Stellung gelangt, daß es ans Heiraten denken
sich für weniger Stunden Seligkeit in ihres Herzaller= könnte. Oberförsterei in steirischen Waldgründen — im fensterlein mit den Butzenscheiben. ..
Sua& Srigiee
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