II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 278

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19. Der Ruf des Lebens
Cerade aus ihm, so paradox es scheint, mag ihnen der
alles Durchschauens von Zusat
Ruf des Lebens aufs lauteste tönen. Eine geniale Frau
sein mag, dies: es könnte wol
# det, Feuilleton. ½4
schrieb in ihr Tagebuch: „Der Tod ist das einzige
Die Kausalität in diesem Dran
Schillerns, die Tatsachen irisire
Erlebnis, um dessentwillen es sich verlohnt, auf die
Deutsches Volkstheater.
Welt gekommen zu sein.“
Unwahrscheinlichkeit Voraussetz
(„Der Ruf des Lebens“, ein Schauspiel in drei
tragen den Schnörkelschmuck vie
Die Philosophie über letzte Dinge dünkt mich des
Akten von Arthur Schnitzler.)
Es mag, für den
Stückes schwächster Teil. Aber sehr fein und virtuos die
Der Begriff: Leben“ erscheint hier vielfältig
daß die Fülle und Raschheit de
eigentümliche knappe Relieftechnik, in der hier Tod
dialektisch gespalten. Der kluge Arzt und der skeptische
scheinungen und pointierten To
und Leben aneinandergesetzt sind. Und wenn auch
Offizier im Stück verstehen unter Leben schlechtweg: esse; das
geringen Aufenthalte, die Ge
nicht gerade Tiefes von den Problemen gesagt wird,
Vorhandensein allgemeinster physiologischer Voraussetzungen.
handelnden Personen bei all' de
die an des Daseins Grenzen lagern, so schwebt
Die Jugend im Stück versteht unter Leben: Erleben;
nehmen, der Komödie manche
doch über dem Drama wie dichterische Ahnung des
intensive Stunden, große Inhalte, Höchst=Spannungen
Puppenspiels verleihen. Aber di
geheimsnisvollen Spuks, der an jenen Grenzen sein
des Organismus Abenteuer und Außerordentliches,
Wiedergabe eines großen Tatsache
zynisch=schreckhaftes Wesen treibt; wie unartikulierte
Räusche und Ekstasen. Der Ruf des Lebens ist für die
Maßstab, hat auch ihren Reiz. 2
Stimmen, die vom Walten einer höheren, nicht erkenn¬
einen: ein ruhiger, über allen Dingen schwebender,
wird vermittelt. Lebenslinien sch
baren, sinnvoll=sinnlosen Welt=Ordnung reden.
ewiger Ton; für die anderen eine hinreißende,
figur zusammen. Mit einem
Von der
großartig = tückischen Mechanik,
faszinierende, auf Gipfel und in Abgründe verlockende
Ende zu umfassen. Zufall enthü
deren Geräusch wir Schicksal nennen, wird ein
Wirbelmusik (im Vorüberziehen).
und göttliche Gerechtigkeiten als
kleines, möglichst
viel Zusammenhänge demon¬
Die tiefsinnigen Verwunderungen über das
lichen, kalten, spielerischen Laune#
strierendes Modell versucht. Es ist naturgemäß, daß die
„Leben“ und den „Ruf des Lebens“ im Schnitzlerschen
Schwer, gewaltsam, ma
Sache ein wenig schematisch ausfallen mußte. Wunderliche
Schauspiel sprießen eben aus dieser Doppeldeutung des
die „der Ruf des Lebens“ aufre
Symmetrien, Parallelismen, Ebenmäßigkeiten stören. (Man
Begriffs. Aber wie man ihn immer deuten mag, nie
und federnd durch das elastisch
hat ein gleiches Gefühl etwa beim ersten Anblick von
läßt sich der Begriff „Tod“ als sein Kontrast auslegen.
hängen, das sie trägt. Die Ere
Hodler=Bildern.) Aktschluß I und Aktschluß II zum Bei¬
Auch wenn man mit den Augen des klugen Arztes
zu einander in mannigfach
spiel sind, formal, seltsam identisch. Bei beiden wird
die Welt betrachtet, erscheint der Tod nicht als
nissen, in Beziehungen, wie sie
über einen ehen gemordeten Menschen hinweg durch
Gegensatz, sondern als Teil, als Stück, als Form des
Echo, Spiel und Gegenspiel,
die Tür geflohen (dem „Ruf des Lebens“ gefolgt). Aber
Lebens. Für diesen pantheistischen Mann darf es ja,
(Beziehungen, die, ich erwähnte
vielleicht war's akzentuierte Absicht, zu zeigen, daß der
denkt er konsequent, gar keinen Tod geben. Leben heißt
esteifen Symmetrie stilisiert ersche
Weg zum Glück durchaus über Leichen geht.
ihm: empfinden. Irgend etwas. Lust oder Schmerz,
des bösen, alten Mannes, die
Der ganze zweite Akt ist so: Modell. Ein dramatischer
Resignation oder Verzweiflung, einen schönen oder hä߬
über ihrem Leben lastet,
Mikrokosmos. Ein gedrängter Kursus durch die Nachtseiten
lichen Sinneseindruck, den schlaffen oder starken Reiz
wird; da ist
Tochte
der hellen Daseinsdinge: Liebe, Ehre, Mut, Freundschaft.
eines Gedankens, einen Vorgang, eine Ruhe. In gewissem
Frau, die
an der Freiheit
Ein kurz aufflammendes Spektrum leidenschaftlichen Lebens.
Sinn ist er unsterblich. Der eigene Tod muß ihm reine
ein Mann, der einst, als Solde
„Ich habe gesehen, wie Frauen betrügen, locken, lügen,
Fiktion sein, da er sich weder denken noch empfinden
die Stimme der Pflicht nicht
ehrlich sind und sterben, habe gesehen, wie Männer
läßt. Dies hieße ja: empfinden, daß man nichts
des Lebens überschrien wurde
zittern, spielen, höhnen und töten,“ sagt Marie von dieser
empfindet.
wußt' ich mit einem Mal, daß
Viertelstunde.
Auch den andern, den nach konzentrierten Augen¬
auf den Fleck gebannt hielt hun
Mir ist das bißchen Verwischtheit an der Komödie
vorlügen ...
Ehre und Vate
blicken Begehrlichen mag der Tod nur eine finstersVariante
des Daseins, vielleicht dessen stärkste Sensation bedeuten. überaus sympathisch. Es ist ehrlich. Es bekennt, was uns sicher zu haben! ... We#
hre
mir's?
hei
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