box 24/3
19. Der Ruf des Lebens
fortgegangen und wir sind in
gegen sie allein geblieben. ∆
bald gezeigt.
Am 3. Dezember 1908
Obstruktion im Parlament des
Wahlrechtes ausgebrochen.
rotlung
=setzten nach der Verkündung des
peinlicher Gefangenschaft gehalten wird; ihm lauscht mit
wegstirbt. Dreimal hat sie bei ihren
fiebernden Wangen das lungenkranke Mädchen, dem nur noch
vernommen; das hat ihre Seele
Gul. #, Feuilleton. 7/1%
eine kurze Lebensfrist gegönnt ist; ihn hören in verzehrender
bürgerlichen Verstand groß gemach
Leidenschaft „die blauen Kürossiere“ vom todgeweihten Regiment.
hört der Mensch auf, Gesetze zu gebe
Arthur Schnitzler: Der Ruf des
Der Ruf des Lebens reißt alle Schranken nieder, er treibt jeden
bald von der Erde fort sein wird
Lebens.
hinaus aus seinem engen Bezirk. Da flieht das Mädchen aus
Einzige: Leben, Erleben. So gütig
Zur ersten Aufführung im Deutschen Volks¬
der stickigen Krankenstube, da lauft die todeskranke Schöne im
schwache Mutter. Mit ein wenig la
theater.
Ballkleid von einem Liebhaber zum nächsten, da lockt es den blauen
bewußter, aber noch immer wohl
Schon der Titel dieses Werkes nimmt gefangen. Unsere
Kurassier, sein Soldatengewand aus zuziehen und gegen den Tod in
Er befreit das Bürgermädchen aus
Dichter leben abseits vom großen Leben, was man ihnen nicht
Ehren das Leben in Lust einzutauschen. Der Ruf des Lebens
stube, er nimmt es ohne Erregung
verübeln müßte, denn im Marktlärm und Murktgestank hält's
ist das höchste Gesetz! Was bedeuten kranke Väter, was be¬
dem todessiechen Vater ein abfürze
kein Musikant, aus und alles künstlerische Schaffen braucht
deuten Sitte und Sittlichkeit, was bedeutet das bißchen Ehre,
Ihn, der ein ganzes Leben lang de
Stille, Sammlung, Lauschen ins Innere. Aber wenn sie schon
wenn das Leben selbst versäumt werden könnte? Wann schallt
und Leben mitangesehen hat, dünkt
abseits ihre einsamen Wege gehen müssen, so sollten sie
der Ruf des Lebens am lautesten? Gleich nachdem der Ruf
Tragik Nebensache: „Das Leben ist
wenigstens Sehnsucht nach der andecen Welt fühlen! Es sollte
des Todes erklungen ist! Weil das Bürgermädchen fürchtet,
blaue Kürassier ist in der Schlachtg
wenigstens von fern das Weltgebrause leise zu ihnen herüber¬
daß der Geliebte von den blauen Kürassieren heute Nacht in
Bürgermädchen glaubt, es habe nur
klingen, sie sollten nicht isoliert, sondern durch zarte Fäden mit
die tedbringende Schlacht ziehen muß, darum reißt sie sich alle
kein Tag kann mnehr für sie leuchten
Hüllen der Sitte vom Leibe und gibt sich nackt dem heißesten
der Welt verbunden sein! Darum hat schon der Titel dieses
wie verloren in der Welt, geht sie
Werkes lockende Kraft: Der Ruf des Lebens ..
Leben preis. Weil die Lungenkranke weiß, daß ihr nur eine
Nacht lang hat sie dem Leben gehö
kurze Spannzeit gegeben ist, darum vertanzt und verschwelgt
inuerlichen Ruse des Todes. Sie ich
sie ihr bißchen Sein. Der Ruf des Todes erzeugt lebendigstes
Sitzt man ein paar Minuten im Theater, so freut man
gang. Von ihren schwarzen Kleid
sich vor allem, daß ein Bühnenschriftsteller hier wieder wagt,
Leben, aber das glühendste Leben erzeugt den Tod! Dieses
blühende Feldblumen leuchtfarbig ab
dichterisch reden zu lassen. Jede Gestalt in diesem Drama spricht
Ineinanderverwebtsein der beiden großen Leitmotive, das macht
vor ihr und sie sagt ihm, wie sie si
Schnitzlers Dichtung so verführerisch.
ein knappes, gehämmertes Deutsch, dessen Kargheit voll unter¬
anderen Ufer, nach dem Schattenrei
irdischer Lyrik ist. Auf unseren Theatern wird für gewöhnlich
die leuchtenden Blüten in der
immer nur das gemeinste Wirklichkeitsdeutsch oder ein romantisches
Zu jungen Menschen dringt plötzlich der Ruf des Lebens
und sagt scheinbar bedeutungslos
Kunstdeutsch geredet. In dieser Dichtung hat Schnitzler die
und sie streifen Gesetze und Gebote ab, um nackt durch die
haben Sie gepflückt? ...“ Wie
Mitte zwihen einer balladesken Kunstsprache und einem ganz
strömende Wirklichkeit zu schwimmen. Das ist der Inhalt des
verführt, das deutet Schnitzler
leicht wienerisch angehauchten Wirklichkeitsdeutsch gefunden. Es
Theaterstückes „Der Ruf des Lebens“. Aber Schnitzler war von
dichterisch gefühlten Szene an. Es i
tut so wohl, auch im Theater einmal wieder Freude am Worte
jeher nicht nur ein Dichter, sondern ein mildherziger, erfahrener,
tag. Die Felder stehen in strahlende
haben zu dürfen! Aber bald vergißt man die Lust am Ausdruck,
sanfter Prediger. In allen seinen Werken wird ein Schicksal
Wort sprechen dürfen!) pflücken leuch
weil der seelische Eindruck, wie es sich für eine Dichtung geziemt,
nicht nur gemalt, sondern da ist immer auch ein gütiger alter
der Arzt: „Daß Sie hier über Fel
die Wortoberfläche übersehen läßt.
Herr, der mit halblauter Stimme zu jedem tragischen Leben
gehen, daß Sie Blumen in der Hand
eine edle Predigt sagt. Niemals hat dieser lust= und leiderfahrene
Fenster eine Freundin Ihnen für
Zwei Melodien durchziehen dieses Stück: der Ruf des Prediger so sanfte, so betörende Worte gefunden wie im „Ruf
hier mit mir reden unter dem leucht
Lebens und der Ruf des Todes. Den Ruf des Lebens hört das des Lebens“. Hier ist eine Mutter, der das Herz im Leibe zuckt,
ist Leben! Wer weiß, ob Ihnen nich
schöne Mädchen, das von einem bos= und krankhaften Vater in weil ihr ein Kind nach dem anderen in seiner Blüte Jugend! aus einem Tage wie der heutige der
19. Der Ruf des Lebens
fortgegangen und wir sind in
gegen sie allein geblieben. ∆
bald gezeigt.
Am 3. Dezember 1908
Obstruktion im Parlament des
Wahlrechtes ausgebrochen.
rotlung
=setzten nach der Verkündung des
peinlicher Gefangenschaft gehalten wird; ihm lauscht mit
wegstirbt. Dreimal hat sie bei ihren
fiebernden Wangen das lungenkranke Mädchen, dem nur noch
vernommen; das hat ihre Seele
Gul. #, Feuilleton. 7/1%
eine kurze Lebensfrist gegönnt ist; ihn hören in verzehrender
bürgerlichen Verstand groß gemach
Leidenschaft „die blauen Kürossiere“ vom todgeweihten Regiment.
hört der Mensch auf, Gesetze zu gebe
Arthur Schnitzler: Der Ruf des
Der Ruf des Lebens reißt alle Schranken nieder, er treibt jeden
bald von der Erde fort sein wird
Lebens.
hinaus aus seinem engen Bezirk. Da flieht das Mädchen aus
Einzige: Leben, Erleben. So gütig
Zur ersten Aufführung im Deutschen Volks¬
der stickigen Krankenstube, da lauft die todeskranke Schöne im
schwache Mutter. Mit ein wenig la
theater.
Ballkleid von einem Liebhaber zum nächsten, da lockt es den blauen
bewußter, aber noch immer wohl
Schon der Titel dieses Werkes nimmt gefangen. Unsere
Kurassier, sein Soldatengewand aus zuziehen und gegen den Tod in
Er befreit das Bürgermädchen aus
Dichter leben abseits vom großen Leben, was man ihnen nicht
Ehren das Leben in Lust einzutauschen. Der Ruf des Lebens
stube, er nimmt es ohne Erregung
verübeln müßte, denn im Marktlärm und Murktgestank hält's
ist das höchste Gesetz! Was bedeuten kranke Väter, was be¬
dem todessiechen Vater ein abfürze
kein Musikant, aus und alles künstlerische Schaffen braucht
deuten Sitte und Sittlichkeit, was bedeutet das bißchen Ehre,
Ihn, der ein ganzes Leben lang de
Stille, Sammlung, Lauschen ins Innere. Aber wenn sie schon
wenn das Leben selbst versäumt werden könnte? Wann schallt
und Leben mitangesehen hat, dünkt
abseits ihre einsamen Wege gehen müssen, so sollten sie
der Ruf des Lebens am lautesten? Gleich nachdem der Ruf
Tragik Nebensache: „Das Leben ist
wenigstens Sehnsucht nach der andecen Welt fühlen! Es sollte
des Todes erklungen ist! Weil das Bürgermädchen fürchtet,
blaue Kürassier ist in der Schlachtg
wenigstens von fern das Weltgebrause leise zu ihnen herüber¬
daß der Geliebte von den blauen Kürassieren heute Nacht in
Bürgermädchen glaubt, es habe nur
klingen, sie sollten nicht isoliert, sondern durch zarte Fäden mit
die tedbringende Schlacht ziehen muß, darum reißt sie sich alle
kein Tag kann mnehr für sie leuchten
Hüllen der Sitte vom Leibe und gibt sich nackt dem heißesten
der Welt verbunden sein! Darum hat schon der Titel dieses
wie verloren in der Welt, geht sie
Werkes lockende Kraft: Der Ruf des Lebens ..
Leben preis. Weil die Lungenkranke weiß, daß ihr nur eine
Nacht lang hat sie dem Leben gehö
kurze Spannzeit gegeben ist, darum vertanzt und verschwelgt
inuerlichen Ruse des Todes. Sie ich
sie ihr bißchen Sein. Der Ruf des Todes erzeugt lebendigstes
Sitzt man ein paar Minuten im Theater, so freut man
gang. Von ihren schwarzen Kleid
sich vor allem, daß ein Bühnenschriftsteller hier wieder wagt,
Leben, aber das glühendste Leben erzeugt den Tod! Dieses
blühende Feldblumen leuchtfarbig ab
dichterisch reden zu lassen. Jede Gestalt in diesem Drama spricht
Ineinanderverwebtsein der beiden großen Leitmotive, das macht
vor ihr und sie sagt ihm, wie sie si
Schnitzlers Dichtung so verführerisch.
ein knappes, gehämmertes Deutsch, dessen Kargheit voll unter¬
anderen Ufer, nach dem Schattenrei
irdischer Lyrik ist. Auf unseren Theatern wird für gewöhnlich
die leuchtenden Blüten in der
immer nur das gemeinste Wirklichkeitsdeutsch oder ein romantisches
Zu jungen Menschen dringt plötzlich der Ruf des Lebens
und sagt scheinbar bedeutungslos
Kunstdeutsch geredet. In dieser Dichtung hat Schnitzler die
und sie streifen Gesetze und Gebote ab, um nackt durch die
haben Sie gepflückt? ...“ Wie
Mitte zwihen einer balladesken Kunstsprache und einem ganz
strömende Wirklichkeit zu schwimmen. Das ist der Inhalt des
verführt, das deutet Schnitzler
leicht wienerisch angehauchten Wirklichkeitsdeutsch gefunden. Es
Theaterstückes „Der Ruf des Lebens“. Aber Schnitzler war von
dichterisch gefühlten Szene an. Es i
tut so wohl, auch im Theater einmal wieder Freude am Worte
jeher nicht nur ein Dichter, sondern ein mildherziger, erfahrener,
tag. Die Felder stehen in strahlende
haben zu dürfen! Aber bald vergißt man die Lust am Ausdruck,
sanfter Prediger. In allen seinen Werken wird ein Schicksal
Wort sprechen dürfen!) pflücken leuch
weil der seelische Eindruck, wie es sich für eine Dichtung geziemt,
nicht nur gemalt, sondern da ist immer auch ein gütiger alter
der Arzt: „Daß Sie hier über Fel
die Wortoberfläche übersehen läßt.
Herr, der mit halblauter Stimme zu jedem tragischen Leben
gehen, daß Sie Blumen in der Hand
eine edle Predigt sagt. Niemals hat dieser lust= und leiderfahrene
Fenster eine Freundin Ihnen für
Zwei Melodien durchziehen dieses Stück: der Ruf des Prediger so sanfte, so betörende Worte gefunden wie im „Ruf
hier mit mir reden unter dem leucht
Lebens und der Ruf des Todes. Den Ruf des Lebens hört das des Lebens“. Hier ist eine Mutter, der das Herz im Leibe zuckt,
ist Leben! Wer weiß, ob Ihnen nich
schöne Mädchen, das von einem bos= und krankhaften Vater in weil ihr ein Kind nach dem anderen in seiner Blüte Jugend! aus einem Tage wie der heutige der