II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 281

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19. Der Ruf des Lehens
fortgegangen und wir sind mit unserem Widerstand
gegen sie allein geblieben. Die Folgen haben sich
bald gezeigt.
Am 3. Dezember 1908 ist zum erstenmal die
Obstruktion im Parlament des allgemeinen und gleichen
Wahlrechtes ausgebrochen. Die Tschechischradikalen
fetzten nach der Verkündung des Standrechtes in Prag
wegstirbt. Dreimal hat sie bei ihren Kindern den Ruf des Todes
Genenigest geienen in unscht uit
fiebernden Wangen das lungenkranke Mädchen, dem nur noch
vernommen; das hat ihre Seele geweitet und ihren kleinen
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bürgerlichen Verstand groß gemacht. In der Nähe des Todes
eine kurze Lebensfrist gegönnt ist; ihn hören in verzehrender
hört der Mensch auf, Gesetze zu geben. Dem jungen Kinde, das
Leidenschaft „die blauen Kürassiere“ vom todgeweihten Regiment.
hnitzler: Der Ruf des
Der Ruf des Lebens reißt alle Schranken nieder, er treibt jeden
bald von der Erde fort sein wird, gönnt seine Mutter das
Lebens.
hinaus aus seinem engen Bezirk. Da flieht das Mädchen aus
Einzige: Leben, Erleben. So gütig predigt Schnitzler durch eine
schwache Mutter. Mit ein wenig lauterer Stimme, ein bißchen
der stickigen Krankenstube, da läuft die todeskranke Schöne im
führung im Deutschen Volks¬
theater.
Ballkleid von einem Liebhaber zum nächsten, da lockt es den blauen
bewußter, aber noch immer wohltuend still predigt der Arzt.
Er befreit das Bürgermädchen aus dem Kerker der Kranken¬
Kürassier, sein Soldatengewand auszuziehen und gegen den Tod in
dieses Werkes nimmt gefangen. Unsere
stube, er nimmt es ohne Erregung auf sich, daß die Tochter
Ehren das Leben in Lust einzutauschen. Der Ruf des Lebens
om großen Leben, wdas man ihnen nicht
ist das höchste Gesetz! Was bedeuten kranke Väter, was be¬
dem todessiechen Vater ein abkürzendes Gift eingegeben hat.
n Macktlärm und Marktgestank hält's
deuten Sitte und Sittlichkeit, was bedeutet das bißchen Ehre,
Ihn, der ein ganzes Leben lang den Zweikampf zwischen Tod
nd alles künstlerische Schaffen braucht
wenn das Leben selbst versäumt werden könnte? Wann schallt
und Leben mitangesehen hat, dünkt alle Tragik heilbar, alle
Pauschen ins Innere. Aber wenn sie schon
der Ruf des Lebens am lautesten? Gleich nachdem der Ruf
Tragik Nebensache: „Das Leben ist des Lebens Sinn.“ Der
nWege gehen müssen, so sollten sie
blaue Kürassier ist in der Schlacht gefallen und das trauernde
des Todes erklungen ist! Weil das Bürgermädchen fürchtet,
nach der anderen Welt fühlen! Es sollte
daß der Geliebte von den blauen Kürassieren heute Nacht in
Bürgermädchen glaubt, es habe nur eine Nacht gelebt und
das Weltgebrause leise zu ihnen herüber¬
die todbringende Schlacht ziehen muß, darum reißt sie sich alle
kein Tag kann mehr für sie leuchten. In schwarzen Kieidern,
tisoliert, sondern durch zarte Fäden mit
Hüllen der Sitte vom Leibe und gibt sich nackt dem heißesten
wie verloren in der Welt, geht sie durch ihren Garten. Eine
sein! Darum hat schon der Titel dieses
Leben preis. Weil die Lungenkranke weiß, daß ihr nur eine
Nacht lang hat sie dem Leben gehört, nun lauscht sie dem
: Der Ruf des Lebens
innerlichen Rufe des Todes. Sie kommt von einem Spazier¬
kurze Spannzeit gegeben ist, darum vertanzt und verschwelgt
sie ihr bißchen Sein. Der Ruf des Todes erzeugt lebendigstes
gang. Von ihren schwarzen Kleidern heben sich ein paar
paar Minuten im Theater, so freut man
blühende Feldblumen leuchtfarbig ab. Da steht nun der Arzt
kin Bühnenschriftsteller hier wieder wagt,
Zutundererwebsen der belden grehen deimste, ns wangt
vor ihr und sie sagt ihm, wie sie sich hinübersehnt nach dem
ssen. Jede Gestalt in diesem Drama spricht
anderen Ufer, nach dem Schattenreich. Der Arzt sieht nur auf
Schnitzlers Dichtung so verführerisch.
Eertes Deutsch, dessen Kargheit voll unter¬
die leuchtenden Blüten in der lässig gesunkenen Hand
uf unseren Theatern wird für gewöhnlich
und sagt scheinbar bedeutungslos: „Aber diese Blumen
Zu jungen Menschen dringt plötzlich der Ruf des Lebens
nste Wirklichkeitsdeutsch oder ein romantisches
und sie streifen Gesetze und Gebote ab, um nackt durch die
haben Sie gepflückt? ...“ Wie das Leben zum Leben
In dieser Dichtung hat Schnitzler die
strömende Wirklichkeit zu schwimmen. Das ist der Inhalt des
verführt, das deutet Schnitzler schon in dieser zarten
balladesken Kunstsprache und einem ganz
hauchten Wirklichkeitsdeutsch gefunden. Es
Theaterstückes „Der Ruf des Lebens“. Aber Schnitzler war von
dichterisch gefühlten Szene an. Es ist ein prangender Sonnen¬
Theater einmal wieder Freude am Worte
jeher nicht nur ein Dichter, sondern ein mildherziger, erfahrener,
tag. Die Felder stehen in strahlendem Gelb. Kinder (die kein
sanfter Prediger. In allen seinen Werken wird ein Schicksal
er bald vergißt man die Lust am Ausdruck,
Wort sprechen dürfen!) pflücken leuchtende Mohnblüten. Da sagt
nicht nur gemalt, sondern da ist immer auch ein gütiger alter
ruck, wie es sich für eine Dichtung geziemt,
der Arzt: „Daß Sie hier über Felder und Wiesen spazieren
Herr, der mit halblauter Stimme zu jedem tragischen Leben
ersehen läßt.
gehen, daß Sie Blumen in der Hand haben, daß hinter diesem
eine edle Predigt sagt. Niemals hat dieser lust= und leiderfahrene
Fenster eine Freundin Ihnen für ewig entschwindet, daß Sie
hier mit mir reden unter dem leuchtendon Mittagshimmel, das
Prediger so sanfte, so betörende Worte gefunden wie im „Ruf
durchziehen dieses Stück: der Ruf des
des Todes. Den Ruf des Lebens hört das des Lebens“. Hier ist eine Mutter, der das Herz im Leibe zuckt,
ist Leben! Wer weiß, ob Ihnen nicht später, viel später, einmal
von einem bos= und krankhaften Vater in weil ihr ein Kind nach dem anderen in seiner Blüte Jugend! aus einem Tage wie der heutige der Ruf des Lebens viel reiner