II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 294

Oberst geht, dafür erscheint seine bessere Hälfte (Pri. Aia
bergl. die. wie man erfährt, in unerlaubten Bezichungen
zu Leutnant Max steht. Sie will ihn zur Flucht verleiten,
aber der Leutnant ist standhaft. Da erscheint der Oberst
wieder am Fenster, aber diesmal bleibt er nicht draußen
stehen, sondern ist mit einem Satz im Zimmer und schießt
seine Frau maustot. Zweiter Mord! Marie, die sich früher
ungesehen in den Raum geschlichen und hinter dem Vor¬
hang versteckt hatte, fällt dem Leutnant in die Arme.
Liebesszene in Angesicht der Leiche. Leutnant Max und
Marie flichen, wohin weiß man nicht.
Dritter Akt. Vorgarten der Villa der Frau Richter (Frau
Thaller). Der Arzt und der Forstadjunkt plaudern ziem¬
lich nebensächliche Dinge. Frau Richter ist verzweifelt, daß
Katharine, ihre Tochter, das Haus verlassen hat und in
der Fremde umherirrt. Lebt sie noch oder hat sie, „dem
Ruf des Lebens- (!) folgend, ihrem Dasein schon ein Ende
gemacht: Die Ungewißheit tötet. Auch Marie, die Mörderin
ihres Vaters, wandelt noch unter den Lebenden. Der gut¬
mütige Arzt hat einen natürlichen Tod konstatiert und so
die brave Vatermörderin vor dem Kriminal errettet. Katharine
Verscheint, sie spricht im Wahnsinn. Sie wird mühsam in
das Haus hineingeschleppt und stirbt. Marie schreitet weiter
durchs irdische Jammertal und der gute Hausarzt meint, daß
der Ruf des Lebens einmal noch kräftiger an sie ergehen
werde. Wann und wie, dafür scheint sich Herr Schnitzler
nicht zu interessieren. Olfen gestanden: wir auch nicht.
Dies Der Ruf des Lebens-.Der Rut des Tedese möchte,
ich ihn eher nennen. Denn Schnitzler ist ein wahrer Massen¬
mörder, da die blauen Kürassiere bis auf einen tatsächlich
gefallen sind, Leutnant Max selbst in den Tod geht, der
alte Moser und die Frau Oberst gemordet werden und:
Katharine eines natürlichen Todes stirbt, obwohl wir mit
ihr das gleiche Mitleid empfunden hätten, wenn sich nur
ihr Geist in Nacht verwandelt hätte. Ich erinnerte mich an
diesem Abend an Bernard Shaw. Dramatisch wirksam, aber,
Artur Schnitzler, verzeihe mir das harte Wort: ein wenig
verrückt. Alles ist auf die Spitze getrieben, der alte Ritt¬
meister, der die Flucht ergreift und dann der Tochter seine
Schande einbekennt, der Oberst, der seine Frau erschießt
und von dem Leutnant verlangt, daß er die Schuld auf sich
nehme, der Heldentod des ganzen
Regiments, die strafbare Güte des
Hausarztes, der einen natürlichen
Tod konstatiert hat, wo ein Mord
vorliegt usw. Man ist ja an
Unwahrscheinlichkeiten und Un¬
geheuerlichkeiten auf der Bühne
schon gewöhnt, aber Schnitzler
leistet diesmal des Guten denn
doch zu viel.
Die Darsteller mochten es von
vornherein empfunden haben, daß
nur der Name Schnitzler eine
Niederlage hintanhalten konnte.
Wirklich gut war bloß Herr
Homma, der die Eigenheiten des
bärbeißigen alten Rittmeisters wun¬
dervoll zur Geltung brachte. Fräulein
Hannemann gelang die
Darstellung der Marie nur im ersten
Akt vollständig, in welchem sie!
einen ungemein warmen Ton an¬
schlug. Im dritten Akt versagte sie
ebenso wie Frl. Müller, die zuerst
allerliebst, in der Wahnsinn¬
szene aber zu wenig natürlich war.
Frl. Marberg machte aus ihrer
kleinen Rolle eine Meisterleistung.
Frau Thaller und die Herren
Weisse und Rutschera boten
ihr Bestes. Herr Edthofer gelich
uns diesmal ausnahmsweise nicht.
Alle Achtung vor Schnitzlers
dramatischem Talent, das sich
schon so oft glänzend bewährt hat.
aber ich möchte ihn vielmals und —
ganz ergebenst bitten, in Hinkunft -Den Ruf des Lebens¬
ohne das Hinzutun aller möglichen Todesarten an uns er¬
gehen zu lassen. Wir werden ihn dann viel lieber hören
und ohne Groll im Ierzen das Theater verlassen. 7—