II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 336

zu gestalten, verzichtet hätte. So überzeugt er nicht und
interelliert nur das Publikum, gibt gutwillig die Möglich¬
keit der feitlam anmutenden Schlußfolgerungen zu: taulend
junge Menichen gehen in den Tod, — allo töte ich
meinen Vater, dellen Dalein zwecklos ilt und mich quält
oder: — allo verzichte ich auf die paar Jahre Leben, die
ich mit Aufgabe aller Freuden erkaufen müßte. Dann
wird es reichlich durch die Eleganz der Handlung, durch
viele echte Schönheit im Einzelnen entschädigt. — Dem
Schaulpiel war der volle Erfolg, den es erzielte, wohl zu
wünichen, aber licher nicht vorauszulagen. Die Aufführung
im Deutichen Volkstheater war durchaus gelungen. Be¬
londet, die Damen Käthe Hannemann, Paula Müller und
Lili Marberg leilteten Vorzügliches und die Regie kam
der diskreten Kunit Schnitzlers mit Verltändnis entgegen.
Frank Wedekind trat als Galt in leinen Dramen
MMulikz und „Zenlurs auf. Auch diele neueren Werke
des Dichters haben viel von der prächtigen Schlagkraft
des Wortes, dem genialen Erfallen der Menichlichkeit,
das leine Schöpfungen Rtets auszeichnete. Doch drängt
lich dem Hörer der Eindruck auf, daß hier einer, der
Belonderes denkt und empfindet, bemüht ist, nur All¬
gemeines vorzutragen. Der Reichtum von Motiven, die
verlchwenderllche Fülle von Einzelheiten, mit denen Wede¬
kind einlt verblüffte, ilt hier einer mehr haushälterilchen
Lili Marberg
MMorale von Ludwig Thoma
Methode gewichen, die lich damit begnügt, ein einziges
Thema in der Diskullion gründlich zu beleuchten und in
der Handlung durch Tatlachen zu illultrieren. Gegen das
Auftreten des Dichters in leinen Werken ilt im allgemeinen
gewill nichts einzuwenden. Er kann der berufenlte Interpret
leiner Gedanken lein, und das Interelle des Publikums für
die Perlönlichkeit des Autors geht meilt nicht über den
Rahmen des Kunltinterelles hinaus. Nur im Falle Wedekind
ist es anders. Die heftige Gebärde leines Debüts in der
Literatur, die einllige Rücklichtsloligkeit gegen den
Gelchmack der Majorität Rteht mit dem jetzigen Entgegen¬
kommen in allzu Itarkem Gegenlatz. Der Gedanke liegt
nahe, daß er an früheres vergellen machen möchte, indem
er jetzt lich perlönlich um den Beifall bemüht. Seine
Leiltungen selblt lind von lo hohem Wert, daß er nicht erst
leine Schaulpielkunlt in die Wagichale des Erfolges zu
werfen braucht, um für lich zu entscheiden. Als nach
männigfachen Widerltänden odie Büchle der Pandoras und
PFrühlingserwachene bühnenmöglich geworden waren, als
die Kritik lie als Kunltwerke und richt mehr als Kuriolitäten
zu bewerten begann, da feierte leine Begabung verdiente
Triumphe. Nun lollte er nicht mit der Möglichkeit lpielen,
ltatt Kunitintereile wieder Kuriolitäteninterelle auf lich
zu ziehen.
Wiens große Senlation aber ilt Girardi, der jetzt all¬
abendlich in Ferdinand Stollbergs Operette „Reiche
Mädchene auftritt. Er wirkt mit dem Einfachlten, mit
dem Reinmenichlichen. Wenn die andern Banknoten des
Gefühles darbieten, Anweilungen auf Schmerz, Wehmut,
Freude, die wir länglt für vollwertig zu nehmen gewohnt
lind, bietet er wieder das reine Edelmetall der Gefühle,
den echten Belitz. Er verkörpert intenlives Menichentum.
Wenn die Wiener Direktoren der Sprache leines Künitler¬
tums gegenüber bisher taub gewelen lind, lo dürften lie
vielleicht jetzt jene eindringliche Sprache hören, welche
die Kalle des Raimundtheaters redet. Und aus dem vielum¬
jubelten Galtlpiel wird endlich das dauernde Engagement.
Otto Soyka
ARdARRRRAEARRRRRERAERRRRAEEANRARRAREAERRRARERERRERNRAARAAAARAARNAN/
Der Widerlpenitigen Zähmung
Fragment aus E. T. A. Hoffmanns Gelpräch zweier
Theaterdirektoren: „Der Graue: Es ilt von keinem jungen
Dichter die Rede, londern von einem alten, zur Ungebühr
Vergellenen. Das vortreffliche Märchen von den drei
Pomeranzen, das uns der herrliche Gozzi im Entwurf
hinterlallen hat, bin ich im Begriff in Szenen auszuletzen
für meine Bühne. — Der Graue: Wie, das Märchen von
den drei Pomeranzen, das wollen Sie auf die Bühne
bringen? — Ha, Sie treiben Scherz mit mirke Nicht anders
fühlte das Publikum, als es im Foyer des Deutichen
Theaters nach den ersten Aufzügen zur Belinnung kom.
Hinzuzufügen ist, daß der Deutiche Shakelpeare nur er¬
hobener Hände zu nahen wagt und in jedem malliv zuge¬
hauenem Wortwit pythilche Offenbarungen vermutet. Mit
verkniffener Wut letzt Grabbe das Diktum hin: „Überhaupt
ist der Deutiche viel zu gebildet und zu vernünftig, als
daß er eine kecke, starke Lultigkeit vertrüges. Hier
verlucht es einer: und man erschlägt ihn, weil der tapferlte
Regilleur den Ausbrüchen entfellelter Statilteneitelkeit
nicht gewachlen ist.