II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 365

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19. Der Ruf des Lebens

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spät ist seine Festigkeit. Der Oberst überräscht und Sternen ... hinsinken, bluten, verenden, ein¬
ihn, erschießt Irene und befiehlt ihm selbst, sich nach gegraben werden für alle Zeit — wenn dir davor
ihr zu töten. Zerbrochen fühlt er der Todesstunde nicht graut, Freund, verstehst du weder Tod noch
eisiges Wehen. Da tritt Marie zu ihm, die, vom Leben!" Phantome sind es, die das Dasein
Vorhang verborgen, mit entsetzten Augen das Schick¬
rauben: das Phantom der Sünde, das, wie der
sal gesehen hat. Bebend stürzt sie Max zu Füßen.
Adjunkt im Gespräch mit Marie zu äußern hat, jedem
Bebend hebt er sie auf, bebend trägt er sie mit sich,
wahren Worte weicht, das Phantom des Ruhmes,
um, ehe der kalte Todesmorgen für ihn naht, in
das um einer nachträglichen Legende willen die junge
seliger Hochzeit sich ihr zu vereinigen.
Mannschaft sterben läßt. Die gespenstischen Todes¬
Die blauen Kürassiere ziehen ohne ihn fort. Die
mächte sogar sind Lebensdrang. Höher als die
Schlacht wird geschlagen. Sie sterben bis auf den
Masken der Tragik ist des Lebens Unwiederbringlich¬
Leutnant Albrecht; der aber geht hin und bringt keit. Voller als irgendwo hat Schnitzler hier die
sich in einsamer Scheune um. Marie überlebt das,
Motive zusammengefaßt, die er bevorzugt: am diony¬
was ihre Seele für immer verdunkelt. Der Arzt sischen Taumel, der im „Schleier der Beatrice“
tilgt die Spuren des Giftmordes aus und hilft der lodert, an der resignierten Weisheit der „Lebendigen
Zerstörten. Im ländlichen Garten erscheint, beun¬
Stunden“ hat die menschliche und ins Symbol ent¬
ruhigt und hoffend, vor ihr der treue Mensch, den
rückte Dichtung teil.
sie in des Vaters Stube zurückgewiesen hat. Und
Auf der Bühne wirkte sie tief und wuchtig in
während sie noch aus der Qual zum Frieden be¬
den beiden ersten Akten, elegisch im letzten. Sehr
gehrt, erfüllt sich ein Leben, dessen kranke Melodie
schön war die Darstellung. Herr Onno hat als
in das ihrige hinübertönte. Katharina verscheidet.
Max eine sieghafte Kondensation des Gefühls,
Ein Ziel hat die Wanderschaft des irren, von der
Fräulein Medelskv den echtesten Volksliedton.
Todesahnung, von der Glut verlöschender Sinne
Herr Max Schütz gibt den Vater mit scharfer,
umhergetriebenen Mädchens. Erschüttert neigt Marie
zu spröder Kraft sich steigernder Charakter¬
sich über die Befreite. „Ihnen scheint die Sonne
zeichnung.
Schlicht, wahr und mütterlich
noch und mir — und denen,“ sagt der Arzt zu ihr hält Fräulein Klei
u die Frau Toni Richter.
und zeigt auf Kinder, die über die Flur laufen und
Fräulein Fels hat die Zartheit, wenn auch nicht
lachend im Wald verschwinden, „der da nicht mehr.
das Visionäre der Katharina. Herr Dr. Manning
Ich weiß nichts anderes auf Erden, das gewiß
spricht den Arzt mit sinnvoller Betonung, Herrn
wäre.“
[Rittig liegt des Adjunkten männlich ernste Natur.
Das süße Grauen, das wir vor diesem Werke
Herr Faber hat nicht den düsteren Fatalismus,
spüren, ist in den Ausbruch des Offiziers gepreßt:
ohne den der Vertreter des Obersten undenkbar ist.
„Nie mehr übers Feld sprengen in lichter Frühe,
Arthur Schnitzler wurde demonstrativ gefeiert.s
den Himmel übern Haupt, nie mehr an blühenden
P. w.
Lippen hängen, kein Laut lebendiger Stimmen mehr
für uns, kein Schimmer mehr für uns von Sonne