19. Der Ruf des Lebens
Telephon 12.501
P.
„USSLITER
L.österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Ger
4. 1909
Ausschnitt aus:
vom: Berliner Börsen Courier, Berlin
Morgenausgabe
Aus Prag schreibt uns unser Korrespondent
unterm 27. d.: Das Ensemble des „Berliner Theater“
absolviert eben hier unter Führung der Direktoren
Bernauer und Meinhard ein mehrabendliches Gast¬
spiel, das von großem künstlerischen und materiellen
Erfolge begleitet ist. Das Publikum begrüßte in
mehreren Mitgliedern des Ensembles Prager Kinder,
vornehmlich den Direktor Meinhard, der hier
seine ersten theatralischen Gehversuche machte, und
auch mehrere Künstler, die schon bei früheren Gust¬
spielen sich in die Gunst der Prager gesetzt hatten. 15
vor Allem Albert Heine, die den Erfolg der hiesigen
„Jugend“=Aufführungen trug. Die Berliner eröffnelen
ihr Gastspiel mit Hebbels „Herodes und
Mariamne“ Das Drama übte durch das fein
abgetönte Ineinanderspiel, durch die Herausarbeitung
des Ganzen, eine machtvolle Wirkung. Albert
Heine und Alma Renier erzielten mit der Dar¬
stellung die große Wirkung. Noch lebhafter war die
Wirkung der Gesangsposse „Einer von unsere Leut“
mit Direktor Meinhard in der Titelrolle, die bisher
zweimal vor einem bis an den Giebel gefüllten Haus
gegeben wurde und noch ein drittesmal wiederholt
werden muß. Einige nationale Kupletstrophen und
verschiedene treffende lokale Anspielungen, die für
Prag der Posse eingelegt wurden, boten Anlaß zu
nationalen Demonstrationen. Das Duett der Herren
Sabo und Clewing war der Clou des Abends.
Knapp vor dem Gastspiel brachte uns das heimische
Schauspiel noch eine Première, die uns lange vor¬
enthalten war: Das letzte große Schauspiel Arthur
„Der Ruf des Lebens“. Schnitzler
#######eitten Akt einer Umarbeitung unterzogen.
Es sei kurz daran erinnert, daß die Heldin des
Stückes, ein Wiener Bürgermädchen, den Ruf des
Lebens mit
unwiderstehlicher Macht ver¬
nimmt, daß sie ihrem totkranken, sie fast zu
Tode quälenden Vater den Schlaftrunk als Todes¬
trunk reicht und zu dem Geliebten stürzt, sich
mit diesem vereinigend, obzwar sie es bei ihm erleben
muß, daß eine Frau, mit der er Ehebruch beging, von
ihren Mann in Gegenwart des Geliebten erschossen
wird. Die Handlung, so wie sie bis zum zweiten
Akte gediehen ist,
läßt einen katastrophalen
Ausklang im dritten Akt gar nicht zu.
s lag
wohl auch in der Absicht des Dichters, seine
Heldin schließlich absolvieren zu lassen. Für das
Theater schien jedoch diese Absolution nicht einleuchtend
und so hat Schnitzler das Schauspiel mit der Aussicht
eine freiwillige Sühne des schuldbeladenen
auf
Mädchens abgeschlossen und dem dritten Akte noch
dadurch kräftigeres Leben gegeben, daß er eine Neben¬
figur des ersten Aktes, die Base Katharina, in
wirkungsvollen Gegensatz zu der Heldin stellt. Gewiß
hat die Anwesenheit des Dichters, der hier sehr beliebt
ist, den Erfolg erhöht; aber auch ohne das konnte
über die starke Wirkung des ersten und zweiten Aktes.
insbesondere des letzteren, der den Höhepunkt des
Stückes und auch der Regie (Dramaturg Dr. Paul
Eger) Gelegenheit zu stimmungsvollem Herausarbeiten!
gab, kein Zweifel sein.
Schnitzler begab sich von hier nach
er eine Zusammenkunft mit dem Komp
ra
[Neumann haete, dem Kapellmeisten
ichstes
r des Dichters erf
furter Oppsauses,
(Schauspter „Liebckel“ in Musiksetzt. R. M.
box 24/4
Telephon 12801.
MinMTRTRRTTRSInnen
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
60
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
□ in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
QQuelienangabe ohne Gowähr.)
4 Ausschnitt aus:
MMILWer 1
vom
rist. Wies
Prager Theaterbrief.
“ Wir haben jüngst ein feines Schauspiel kennen gelernt, das
ins Artur Schnitzler-geschenkt hat, eines jener wenigen Bühnen¬
stücke, die uns vergessen lassen, daß wir im Theater sitzen, daß
sich der oder jener unbequeme Nachbar neben uns breit gemacht
hat, daß im Zwischenakt Schinkensemmein verkauft werden, und
daß da oben auf den Brettern schließlich alles eitel Gaukelei ist.
[„Der Ruf des Lebens“ ist ein Stück Leben mitten in uns hin¬
teingestellt, rauh und zart, nichts beschönigt und nichts mit Absicht
schlecht gemacht. Menschen von unserem Fleisch und Blut, Gefühle
von unseren Gefühlen. Das eben ist die große Kunst Schnitzlers,
daß sie uns alles eng verwandt erscheinen läßt, daß sie uns Bilder
aus unserem eigenen Wandel vorführt, Geschehnisse und Tat¬
sachen, denen wir auf allen unseren Wegen begegnen. Als störend
empfand ich nur das Erscheinen Schnitzlers auf der Bühne. In
diesem Moment wurde ich aus allen meinen Illusionen gerissen¬
Denn ich zwang mich, nicht zu glauben, daß dieses Stück nur
„geschrieben“ worden sei und nun sah ich, mußte ich den Mann
sehen, der die Arbeit geleistet; da wurde es mir klar, daß das
alles nur eine „Arbeit“ gewesen war. Vorzügliches leistete diesmal
die Darstellung. Frl. Medelsky, Frl. Klein und die Herren
Schütz, Onno, Dr. Manning, Faber, Rittig und Bal¬
der suchten ihr Bestes zu geben und gaben es auch.
Auch einer anderen Novität, der Komödie „Kater Lampe“
von Emil Rosenow, war mit Recht ein starker Erfolg beschieden
gewesen. Erinnert ein imsig an Hauptmanns „Biberpelz“. Eine
köstliche Satire, ein meisterhaftes Festhalten des ländlichen Milieus.
Rosenow, der vor wenigen Jahren Verstorbene, besaß eine her¬
vorstechende Beobachtungsgabe und vor allem den treffenden Blick
für kleine, im Leben leicht übersehbare Eigentümlichkeiten, die vor
dem Rampenlicht allerdings an Prägnanz gewinnen. Von den
Darstellern, denen die dankbare Aufgabe übertragen war, Rose¬
now'sche Typen zu charakterisieren, sind primo loco Manning,
Viktora, Hofer, Rittig und die Damen Klein, Baum¬
gart und Medelsky zu nennen.
Den dritten großen Erfolg (ja, Prag übertrumpft momentan
in Erfolgen sämtliche Provinztheater) zeitigte der erste Gastspiel¬
abend des Berliner Theaters
unter der Direktion Mein¬
hard=Bernauers. Man war begierig, den lieben Meiahard,
der in unserer Stadt so viele Phasen durchgemacht, nunmehr als
Leiter einer großen berliner Bühne wiederzusehen. Und warm¬
und herzlich war der Willkomm, den man ihm und seinem erst¬
klassigen Ensemble bereitete. Kein geringeres Werk als Hebbels
„Herodes und Mariamne“ wurde zur Aufführung gebracht, dieses
schwierige Werk, das so grandiose Akzente erheischt. Da war
Albert Heine der rechte Interpret für den Herodes. Das
Ideale dieser Gestalt strich er, aber er brachte uns den Herodes
insoferne weit, weit näher, als er uns einen Menschen von
menschlich erreichbarer Größe gab. Frau Alma Renier als
Mariamne, Alwine Wiecke, Olga Engl, Direktor Meinhord
und Clewing vertraten die übrigen Rollen mit sinngemäßem?
Nachdruck.
Ein Sohn Hermann Winkelmanns, Dr. Hans Winkel¬
7
mann aus München, ließ sich als Erik im „Fliegenden Holländer“
hören und erweckte für den Wohllaut seiner Stimme und die Ent¬
wicklung seiner schauspielerischen Fähigkeiten großes Interesse. Sollte
man mit der Absicht umgehen, Herrn Winkelmann für unsere
Bühne zu verpflichten, so wäre dies eine Absicht, der man nuy
gerne und willig beistimmen kann.
Haimon.
WE
Telephon 12.501
P.
„USSLITER
L.österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Ger
4. 1909
Ausschnitt aus:
vom: Berliner Börsen Courier, Berlin
Morgenausgabe
Aus Prag schreibt uns unser Korrespondent
unterm 27. d.: Das Ensemble des „Berliner Theater“
absolviert eben hier unter Führung der Direktoren
Bernauer und Meinhard ein mehrabendliches Gast¬
spiel, das von großem künstlerischen und materiellen
Erfolge begleitet ist. Das Publikum begrüßte in
mehreren Mitgliedern des Ensembles Prager Kinder,
vornehmlich den Direktor Meinhard, der hier
seine ersten theatralischen Gehversuche machte, und
auch mehrere Künstler, die schon bei früheren Gust¬
spielen sich in die Gunst der Prager gesetzt hatten. 15
vor Allem Albert Heine, die den Erfolg der hiesigen
„Jugend“=Aufführungen trug. Die Berliner eröffnelen
ihr Gastspiel mit Hebbels „Herodes und
Mariamne“ Das Drama übte durch das fein
abgetönte Ineinanderspiel, durch die Herausarbeitung
des Ganzen, eine machtvolle Wirkung. Albert
Heine und Alma Renier erzielten mit der Dar¬
stellung die große Wirkung. Noch lebhafter war die
Wirkung der Gesangsposse „Einer von unsere Leut“
mit Direktor Meinhard in der Titelrolle, die bisher
zweimal vor einem bis an den Giebel gefüllten Haus
gegeben wurde und noch ein drittesmal wiederholt
werden muß. Einige nationale Kupletstrophen und
verschiedene treffende lokale Anspielungen, die für
Prag der Posse eingelegt wurden, boten Anlaß zu
nationalen Demonstrationen. Das Duett der Herren
Sabo und Clewing war der Clou des Abends.
Knapp vor dem Gastspiel brachte uns das heimische
Schauspiel noch eine Première, die uns lange vor¬
enthalten war: Das letzte große Schauspiel Arthur
„Der Ruf des Lebens“. Schnitzler
#######eitten Akt einer Umarbeitung unterzogen.
Es sei kurz daran erinnert, daß die Heldin des
Stückes, ein Wiener Bürgermädchen, den Ruf des
Lebens mit
unwiderstehlicher Macht ver¬
nimmt, daß sie ihrem totkranken, sie fast zu
Tode quälenden Vater den Schlaftrunk als Todes¬
trunk reicht und zu dem Geliebten stürzt, sich
mit diesem vereinigend, obzwar sie es bei ihm erleben
muß, daß eine Frau, mit der er Ehebruch beging, von
ihren Mann in Gegenwart des Geliebten erschossen
wird. Die Handlung, so wie sie bis zum zweiten
Akte gediehen ist,
läßt einen katastrophalen
Ausklang im dritten Akt gar nicht zu.
s lag
wohl auch in der Absicht des Dichters, seine
Heldin schließlich absolvieren zu lassen. Für das
Theater schien jedoch diese Absolution nicht einleuchtend
und so hat Schnitzler das Schauspiel mit der Aussicht
eine freiwillige Sühne des schuldbeladenen
auf
Mädchens abgeschlossen und dem dritten Akte noch
dadurch kräftigeres Leben gegeben, daß er eine Neben¬
figur des ersten Aktes, die Base Katharina, in
wirkungsvollen Gegensatz zu der Heldin stellt. Gewiß
hat die Anwesenheit des Dichters, der hier sehr beliebt
ist, den Erfolg erhöht; aber auch ohne das konnte
über die starke Wirkung des ersten und zweiten Aktes.
insbesondere des letzteren, der den Höhepunkt des
Stückes und auch der Regie (Dramaturg Dr. Paul
Eger) Gelegenheit zu stimmungsvollem Herausarbeiten!
gab, kein Zweifel sein.
Schnitzler begab sich von hier nach
er eine Zusammenkunft mit dem Komp
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[Neumann haete, dem Kapellmeisten
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r des Dichters erf
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(Schauspter „Liebckel“ in Musiksetzt. R. M.
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Telephon 12801.
MinMTRTRRTTRSInnen
O l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
60
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
□ in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
QQuelienangabe ohne Gowähr.)
4 Ausschnitt aus:
MMILWer 1
vom
rist. Wies
Prager Theaterbrief.
“ Wir haben jüngst ein feines Schauspiel kennen gelernt, das
ins Artur Schnitzler-geschenkt hat, eines jener wenigen Bühnen¬
stücke, die uns vergessen lassen, daß wir im Theater sitzen, daß
sich der oder jener unbequeme Nachbar neben uns breit gemacht
hat, daß im Zwischenakt Schinkensemmein verkauft werden, und
daß da oben auf den Brettern schließlich alles eitel Gaukelei ist.
[„Der Ruf des Lebens“ ist ein Stück Leben mitten in uns hin¬
teingestellt, rauh und zart, nichts beschönigt und nichts mit Absicht
schlecht gemacht. Menschen von unserem Fleisch und Blut, Gefühle
von unseren Gefühlen. Das eben ist die große Kunst Schnitzlers,
daß sie uns alles eng verwandt erscheinen läßt, daß sie uns Bilder
aus unserem eigenen Wandel vorführt, Geschehnisse und Tat¬
sachen, denen wir auf allen unseren Wegen begegnen. Als störend
empfand ich nur das Erscheinen Schnitzlers auf der Bühne. In
diesem Moment wurde ich aus allen meinen Illusionen gerissen¬
Denn ich zwang mich, nicht zu glauben, daß dieses Stück nur
„geschrieben“ worden sei und nun sah ich, mußte ich den Mann
sehen, der die Arbeit geleistet; da wurde es mir klar, daß das
alles nur eine „Arbeit“ gewesen war. Vorzügliches leistete diesmal
die Darstellung. Frl. Medelsky, Frl. Klein und die Herren
Schütz, Onno, Dr. Manning, Faber, Rittig und Bal¬
der suchten ihr Bestes zu geben und gaben es auch.
Auch einer anderen Novität, der Komödie „Kater Lampe“
von Emil Rosenow, war mit Recht ein starker Erfolg beschieden
gewesen. Erinnert ein imsig an Hauptmanns „Biberpelz“. Eine
köstliche Satire, ein meisterhaftes Festhalten des ländlichen Milieus.
Rosenow, der vor wenigen Jahren Verstorbene, besaß eine her¬
vorstechende Beobachtungsgabe und vor allem den treffenden Blick
für kleine, im Leben leicht übersehbare Eigentümlichkeiten, die vor
dem Rampenlicht allerdings an Prägnanz gewinnen. Von den
Darstellern, denen die dankbare Aufgabe übertragen war, Rose¬
now'sche Typen zu charakterisieren, sind primo loco Manning,
Viktora, Hofer, Rittig und die Damen Klein, Baum¬
gart und Medelsky zu nennen.
Den dritten großen Erfolg (ja, Prag übertrumpft momentan
in Erfolgen sämtliche Provinztheater) zeitigte der erste Gastspiel¬
abend des Berliner Theaters
unter der Direktion Mein¬
hard=Bernauers. Man war begierig, den lieben Meiahard,
der in unserer Stadt so viele Phasen durchgemacht, nunmehr als
Leiter einer großen berliner Bühne wiederzusehen. Und warm¬
und herzlich war der Willkomm, den man ihm und seinem erst¬
klassigen Ensemble bereitete. Kein geringeres Werk als Hebbels
„Herodes und Mariamne“ wurde zur Aufführung gebracht, dieses
schwierige Werk, das so grandiose Akzente erheischt. Da war
Albert Heine der rechte Interpret für den Herodes. Das
Ideale dieser Gestalt strich er, aber er brachte uns den Herodes
insoferne weit, weit näher, als er uns einen Menschen von
menschlich erreichbarer Größe gab. Frau Alma Renier als
Mariamne, Alwine Wiecke, Olga Engl, Direktor Meinhord
und Clewing vertraten die übrigen Rollen mit sinngemäßem?
Nachdruck.
Ein Sohn Hermann Winkelmanns, Dr. Hans Winkel¬
7
mann aus München, ließ sich als Erik im „Fliegenden Holländer“
hören und erweckte für den Wohllaut seiner Stimme und die Ent¬
wicklung seiner schauspielerischen Fähigkeiten großes Interesse. Sollte
man mit der Absicht umgehen, Herrn Winkelmann für unsere
Bühne zu verpflichten, so wäre dies eine Absicht, der man nuy
gerne und willig beistimmen kann.
Haimon.
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