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19. Der Ruf des Lebens
hören. Es war nicht immer die Sprache des Lebens,
der sie klang, es waren oft vom dramatischen Zweck des
Ganzen isolierte Buchgedanken, denen sie Ausdruck lieh,
aber immerhin, es war die Sprache eines Dichters und
wir hörten sie gern. Und wer dafür nicht genügend Ohr
hatte, der konnte sich an der Fülle der äußeren Begeben¬
heiten, die in den ersten beiden Akten des Stückes zusam¬
mengebrängt sind, schadlos halten. Der erste Akt, der
eigentlich ein Stück für sich allein ist, entrollt die Geschichte
einer von ihrem alten, kranken Vater, einem sterbenden.
Teufel, gepeinigten Tochter, von dem sie sich durch die Ver¬
abreichung „schlafbringender“ Tropfen befreit, um dem
„Ruf des Lebens“ wie sie ihn. versteht, Folge zu leisten.
Dem jungen Leutnant, der am andern Morgen mit seinem
— zur Tilgung einer alten Schmach — dem Tod geweihten
Regiment in den Kampf ziehen soll, gewährt sie noch eine
im zweiten Akt — wird sie in
Liebesnacht. Aber erst —
dem Versteck in seinem Zimmer noch Zeuge einer krassen
Szene, wic der Oberft des Leutnants seine treulose Frau,
die er bei dem ihren Verlockungen widerstrebenden Leut¬
nant überrascht, erschießt. Daß der Leutnant sich dann,
nach genossenem flüchtigen Liebesglück selbst erschossen hat,
hören wir in dem gedankenreichen, aber dramatisch schwäch¬
sten dritten Akt. Da kehrt auch die verschollen gewesene
Katharina, Mariens junge Verwandte, die der verführe¬
rische „Ruf des Lebens“ auf sündige Irrwege gelockt hat,
terbend heim, und der Arzt, Doktor Schindler, dem
chnitzler (man erinnert sich, daß er selbst Arzt war)
erine Gedanken über Tod und Leben in den Mund legt,
Theater und Kunst.
spricht seine milden Worte dazu, die von einer seltsamen
##)
Breslauer Sommertheater.
Freitag, den 20. August: „Der Ruf des Lebens“
Das alles ist, wie gesagt, kein dramatisches Meisterwerk.
Arthur Schnitzlers Schauspiel „Der Ruf des Lebens“
aber doch die stimmungsreiche Schöpfung eines Poeten, die
ist, wenn das Wort hier erlaubt ist, ein Outsider unter
uns vorgeführt zu haben, wir Herrn Direktor Ziegel Dank
den dramatischen Werkn des feinen und doch starken Wie¬
wissen.
ner Poeten. Rein äußerlich betrachtet, arbeitet es mit
zum Teil recht krassen und groben Effekten, wie sie sonst
Die Aufführung erfüllte nicht alle Wünsche, jedoch
nur in mehr auf Sensationswirkung berechneten Stücken
wurden die Hauptdarsteller, insbesondere Herr Nun¬
angewandt werden, formell und bühnentechnisch ist's -
berg als der bösartige alte sterbende Moser, Fr. Hor¬
wenn man von dem dramatisch straff gefaßten ersten Akt
witz als seine TochterMarie und Herr Ziegel als Oberst
absieht — kein Meisterwerk und läßt die sonst so sorgsam
den Anforderungen ihrer wirksamen Rollen völlig, und die
ausfeilende und glättende Hand des Autors vermissen, und
Herren Kober als Leutnant Max und Keßler als Forst¬
zudem ist's mit einer schweren Fracht von Gedanken — oft
adjunkt Rainer den ihrigen im wesentlichen gerecht. Die
sehr schönen, wenn auch nicht immer neuen Gedanken —
schwer zu erfassende Rolle der sterbenden „Sunderin“ Ka¬
wenn man von
von Tod und Leben belastet, die der Leser des Buches
thaxina hatte sich Frl. Rakaricz —
ihren Spracheigentumlichkeiten einmal absieht — in eine#
lieber als — im Durchschnitt — der Theaterbesucher ent¬
gegennimmt. Trotz dieser Mängel ist's und bleibt's aber
sie schließlich doch an der verzwickten Aufgabe scheiterte, so
ein Stück von wertvollem Kern, ein „nachdenkliches“
Werk, aus dem einem das eine oder andere Wort in der
war's ein Scheitern in Ehren. Die übrigen Darsteller ver¬
Seele nachklingt. Nach so manchem wertlosem Zeug, das
darben gerade nichts. Nach dem eindrucksvollen ersten Akt
in dem gleichen
mian im Verlaufe einer Sommertheatersaison zwangsweise war der Beifall lebhaft, um dann
genießen muß, ist's einem eine seelische Wohltat, wieder Grade, wie die dramatische Wirkung des Stückes — nach
M. M
lemal die Surache eines Dichters auf der Bühne zu #zulassen.
19. Der Ruf des Lebens
hören. Es war nicht immer die Sprache des Lebens,
der sie klang, es waren oft vom dramatischen Zweck des
Ganzen isolierte Buchgedanken, denen sie Ausdruck lieh,
aber immerhin, es war die Sprache eines Dichters und
wir hörten sie gern. Und wer dafür nicht genügend Ohr
hatte, der konnte sich an der Fülle der äußeren Begeben¬
heiten, die in den ersten beiden Akten des Stückes zusam¬
mengebrängt sind, schadlos halten. Der erste Akt, der
eigentlich ein Stück für sich allein ist, entrollt die Geschichte
einer von ihrem alten, kranken Vater, einem sterbenden.
Teufel, gepeinigten Tochter, von dem sie sich durch die Ver¬
abreichung „schlafbringender“ Tropfen befreit, um dem
„Ruf des Lebens“ wie sie ihn. versteht, Folge zu leisten.
Dem jungen Leutnant, der am andern Morgen mit seinem
— zur Tilgung einer alten Schmach — dem Tod geweihten
Regiment in den Kampf ziehen soll, gewährt sie noch eine
im zweiten Akt — wird sie in
Liebesnacht. Aber erst —
dem Versteck in seinem Zimmer noch Zeuge einer krassen
Szene, wic der Oberft des Leutnants seine treulose Frau,
die er bei dem ihren Verlockungen widerstrebenden Leut¬
nant überrascht, erschießt. Daß der Leutnant sich dann,
nach genossenem flüchtigen Liebesglück selbst erschossen hat,
hören wir in dem gedankenreichen, aber dramatisch schwäch¬
sten dritten Akt. Da kehrt auch die verschollen gewesene
Katharina, Mariens junge Verwandte, die der verführe¬
rische „Ruf des Lebens“ auf sündige Irrwege gelockt hat,
terbend heim, und der Arzt, Doktor Schindler, dem
chnitzler (man erinnert sich, daß er selbst Arzt war)
erine Gedanken über Tod und Leben in den Mund legt,
Theater und Kunst.
spricht seine milden Worte dazu, die von einer seltsamen
##)
Breslauer Sommertheater.
Freitag, den 20. August: „Der Ruf des Lebens“
Das alles ist, wie gesagt, kein dramatisches Meisterwerk.
Arthur Schnitzlers Schauspiel „Der Ruf des Lebens“
aber doch die stimmungsreiche Schöpfung eines Poeten, die
ist, wenn das Wort hier erlaubt ist, ein Outsider unter
uns vorgeführt zu haben, wir Herrn Direktor Ziegel Dank
den dramatischen Werkn des feinen und doch starken Wie¬
wissen.
ner Poeten. Rein äußerlich betrachtet, arbeitet es mit
zum Teil recht krassen und groben Effekten, wie sie sonst
Die Aufführung erfüllte nicht alle Wünsche, jedoch
nur in mehr auf Sensationswirkung berechneten Stücken
wurden die Hauptdarsteller, insbesondere Herr Nun¬
angewandt werden, formell und bühnentechnisch ist's -
berg als der bösartige alte sterbende Moser, Fr. Hor¬
wenn man von dem dramatisch straff gefaßten ersten Akt
witz als seine TochterMarie und Herr Ziegel als Oberst
absieht — kein Meisterwerk und läßt die sonst so sorgsam
den Anforderungen ihrer wirksamen Rollen völlig, und die
ausfeilende und glättende Hand des Autors vermissen, und
Herren Kober als Leutnant Max und Keßler als Forst¬
zudem ist's mit einer schweren Fracht von Gedanken — oft
adjunkt Rainer den ihrigen im wesentlichen gerecht. Die
sehr schönen, wenn auch nicht immer neuen Gedanken —
schwer zu erfassende Rolle der sterbenden „Sunderin“ Ka¬
wenn man von
von Tod und Leben belastet, die der Leser des Buches
thaxina hatte sich Frl. Rakaricz —
ihren Spracheigentumlichkeiten einmal absieht — in eine#
lieber als — im Durchschnitt — der Theaterbesucher ent¬
gegennimmt. Trotz dieser Mängel ist's und bleibt's aber
sie schließlich doch an der verzwickten Aufgabe scheiterte, so
ein Stück von wertvollem Kern, ein „nachdenkliches“
Werk, aus dem einem das eine oder andere Wort in der
war's ein Scheitern in Ehren. Die übrigen Darsteller ver¬
Seele nachklingt. Nach so manchem wertlosem Zeug, das
darben gerade nichts. Nach dem eindrucksvollen ersten Akt
in dem gleichen
mian im Verlaufe einer Sommertheatersaison zwangsweise war der Beifall lebhaft, um dann
genießen muß, ist's einem eine seelische Wohltat, wieder Grade, wie die dramatische Wirkung des Stückes — nach
M. M
lemal die Surache eines Dichters auf der Bühne zu #zulassen.