box 24/4
Leben
19. Der Ruf des nanuns
Bedeutsame Wandlungen scheinen sich in dem Verhalinis] haben wollen, stehen doch noch gleichsam im traditionellen 1 Sozialdemokratie folgende
von Religion und Kirche zu den politischen Gruppen] Baune der alten Hengstenbergschen Zeitung. Vor allenI sozialdemokratischen Blatt
auf evangelischem Boden vorzubereiten. Die Konservativen] Dingen leiden unter der heute üblichen kirchenpolitischen Praxis] Antwort gegeben hatte:
S
—
zum Tode reiten. Der
meten. Ich will es Euch zeigen in der unverhüllten Nackt¬
Nn
Der Ruf des Lebens.
Tochter hingebreitet, löst
heit des brutalen Lebensinstinktes; in wenig Ausschnitten
will sie, um jeden Preis.
nur, typischen Schicksalen. Im Freskostile werf' ich's Euch
Schauspiel in drei Akten von Arthur Sa
winier. 2%
ben, eh' es auf immer zu
vor die Rampe. Und sagt nur nicht: das schmeckt nach
III. Literarischer Abend des De#
Schlaftrunk, der ihn auf
Kolportage; nach Zeitungsausschnitten aus der Chronique
aus in die Nacht.
Hannover, 21. Januak.
scandaleuse; denn zugleich zeig' ich Euch, was hinter
diesem rohen Leben an Menschenschicksal lauert, was sich im
Mit beinahe einmütigem Schweigen hat ein zahlreiches
In der Kaserne de
schweren Leide gebundener Instinkte krümmt.
Auditorium am gestrigen Abend dies Schauspiel abgelehnt:
Zimmer des Leutnants 2
Um 1850 etwa. Ein dumpfer kleiner Raum in einem
in den geringen Beifall mischte sich erzürntes Zischen. Ich
tet der Mond über der un
Hause der Wiener Altstadt. Durchs niedere Fenster blicken
mag's den Leuten nicht verdenken. Zu viel des Problemati¬
und ab. Das kriegerische
hohe Häusergiebel und rauben dem sinkenden Lichte eines
schen, schön Gewollten, schwach nur Vollendeten steckt in der
ten Volkes tönt herein.
Frühlingstags den Eintritt. Im Krankenstuhle kauert die
Dichtung; zu viel des Problematischen, gut Gemeinten, übel
verbrennt der junge Krie
abgemagerte Gestalt eines den Achzig nahen Greises. Ein
Mißlungenen haftete der Aufführung an. Wer sie als ein¬
kurze Worte, durch dere
blühendes Geschöpf, verhärmt nur von Nachtwachen und
zigen Mittler des Dichters nutzte (und wenige nur mögen
weicher Unterton der n
Stubenluft, Marie, sitzt neben ihm und liest von Kriegsbe¬
gewesen sein, die das Buche) kannten) vermochte zu dieser
klingt. Der Oberst ersdh
richten aus der Zeitung vor. Hier herrscht die Tyrannei
seltsamen Komödie intimen Feinheiten nicht vorzudringen,
dem jungen Offizier, d
des welken Alters, die sich mit väterlichem Rechtsbegehren an
die sich, ein stiller, mattfarbener Kranz, um all' die — schein¬
dennoch kalt den anderen
die ihm untertane Jugend klammert. Ueberzeitig ist der
bare — Brutalität und Theatralik winden...
tät zum ersten Akt tut
Alte. Hat vom Leben nicht viel gehabt. Früh und kaum
Ein Lied vom Leben und ein Sang ans Leben. Auf
hier steht einer, der nach
wohl rühmlich verabschiedeter Militär, Schreibstubenarbeit
seine Art umklammert es ein jeder, sucht es auszukosten,
sein lang; der sein Krieg
durch dreißig Jahre durch, eine Ehe ohne Glück, voll Mi߬
Ffühlt es sich entgleiten. Ein Rätsel allen und Gegenstand
lernte und nun mit harte
trauen und dumpfer gegenseitiger Furcht. Die Frau sank
„In dritter Auflage erschienen bei S. Fischer,
ihm die Tatgelegenheit
welk ins Grab. Die Tochter blieb, in Kindesfrond unwillig
Berlin, 1910.
dem Todesritt. Die eige
sich beim Vater mühend. Und draußen lebt die Stadt. Regi¬
dumpf tastender Verwunderung. Ihm sucht man, wie dem
gen Leben opfern. Sch
menter ziehen zur bedrohten Grenze. Ihr schwerer Tritt,
Bruder Tod, wohl matte Formeln des Erfassens, — und
sein junges Weib halte
das Getrappel vieler Hunderte von Pferden schallt gedämpft
findet doch keine, die befriedigte. Nur fühlen kann man es.
dem ist kein Geständnis
herauf in das Gezänk des Alten. Der gönnt dem Mädel
In Augenblicken höchster Ueberspannung aller Kräfte kann
Augenblick leer. Marie
keinen Freier, nicht einmal das Stündchen Bewegung in
man es mit dem jauchzenden Evos=Ruf Todgeweihter wohr
verbirgt sich, durch Stir
freier Luft, das der Arzt ihr heischt. Nur eine einzige Ball¬
umfangen: — doch wenn man's deuten will, ein Quentchen
hang und wird unfreiwi
nacht im Winter ward ihr zu eigen. Da flog sie bis zum
nur über den Rausch hinaus sich zu retten, dann fließt es
der nun sein Weib bei e
Morgen im Arme eines Dragonerleutnants durch den Saal
hin in blasse Gleichnisse, die wie leere Schatten mit uns
Leutnant entdeckt und n
und vergaß in dieser Seligkeit der erstmalig erweckten Sinne
hinweg führt das Mäd
ihrer sechsundzwanzig Jahre den Forstadjunkten, dem sie
Mre a- hectetenuer-At Achutkert in
ersten und letzten Liebe
bisher gut gewesen. In Hoffnungslosigkeit war ihr auch
Dichters eigener Ohnmacht klingt das Stammeln, dessen
In einen Spilog vo
diese Nacht versunken. Heut' taucht sie auf und fordert ihre
Quintessenz nichts weiter bietet, als daß das Leben — Leben,
zeihung löst sich im Sch
Rechte. Dem Tod geweiht, zog jenes Regiment ins Feld,
und der Tod — der Tod. Dazwischen tönen schlichte Melo¬
und roh, wie das Lebe
längst vergessene Schuld verstorbener Kameraden zu fühnen.
dien in leise, entsagende Schwermut getaucht, wie Arthur
poetische Figur einer lel
Der Geliebte, nach dem ihr alle Pulse schlagen, ist unter
Schnitzler sie so gern singt. Zarte Lyrismen, in eine ab¬
Hörer die Tatsachenhäuf
ihnen. In das „Zu spät“ des resignierten Herzens tönt einer
sichtlich stilisierte, den Alltagsdialog jäh durchbrechende Prosa
mit Beteiligten und Unb
Freundin Kunde, daß jener Offizier, der mit dem Morgen
gebannt. Von Blumen spricht sie uns, von linden Frühlings¬
garten rückwärts schauen
lüften, Blütenbäumen, von sehnenden Mädchenherzen und dem
ausrückt, gleichfalls ihrer denke. Und in den Ruf, den ihr
leidenschaftslosen Lebens
das Leben sendet, kreischt des Alten Erzählung von jener
Sang des Menschenblutes, das nach der simplen Erfüllung
Ihn zwingt ja sein Be¬
schmählichen Flucht vor über dreißig Jahren, deren Ver¬
seines Seins verlangt. Nur diese eine Forderung besteht
fachen Formen zu vern
zu Recht. Und neben ihr versinken alle Götzen, die des
schulder er, der Vater, selbst gewesen. Der triumphiert. Nun
von Leidenden zu Sterl
Menschen Vorsicht zur Zähmung seiner eignen Triebe setzte:
wird er zum zweiten Male das Regiment überleben.
Formen sah er den Leb
Ehre, Leben, Seligkeit und jegliches Gesetz, ja selbst des Neben¬
Er, der Achtzigjährige, der damals floh, weil ihn das nackte
Und glaubt von sich sell
menschen Leben. Gewiß, sagt Schnitzler, dieses Leben ist
Leben lockte, der Wunsch nach Weib und Kind und Alltags¬
brutal, grell und verletzend wie der Schlachtruf der Drom= glück, er wird die strammen Burschen überdauern, die da unten Marie, da sie von ihrem
Leben
19. Der Ruf des nanuns
Bedeutsame Wandlungen scheinen sich in dem Verhalinis] haben wollen, stehen doch noch gleichsam im traditionellen 1 Sozialdemokratie folgende
von Religion und Kirche zu den politischen Gruppen] Baune der alten Hengstenbergschen Zeitung. Vor allenI sozialdemokratischen Blatt
auf evangelischem Boden vorzubereiten. Die Konservativen] Dingen leiden unter der heute üblichen kirchenpolitischen Praxis] Antwort gegeben hatte:
S
—
zum Tode reiten. Der
meten. Ich will es Euch zeigen in der unverhüllten Nackt¬
Nn
Der Ruf des Lebens.
Tochter hingebreitet, löst
heit des brutalen Lebensinstinktes; in wenig Ausschnitten
will sie, um jeden Preis.
nur, typischen Schicksalen. Im Freskostile werf' ich's Euch
Schauspiel in drei Akten von Arthur Sa
winier. 2%
ben, eh' es auf immer zu
vor die Rampe. Und sagt nur nicht: das schmeckt nach
III. Literarischer Abend des De#
Schlaftrunk, der ihn auf
Kolportage; nach Zeitungsausschnitten aus der Chronique
aus in die Nacht.
Hannover, 21. Januak.
scandaleuse; denn zugleich zeig' ich Euch, was hinter
diesem rohen Leben an Menschenschicksal lauert, was sich im
Mit beinahe einmütigem Schweigen hat ein zahlreiches
In der Kaserne de
schweren Leide gebundener Instinkte krümmt.
Auditorium am gestrigen Abend dies Schauspiel abgelehnt:
Zimmer des Leutnants 2
Um 1850 etwa. Ein dumpfer kleiner Raum in einem
in den geringen Beifall mischte sich erzürntes Zischen. Ich
tet der Mond über der un
Hause der Wiener Altstadt. Durchs niedere Fenster blicken
mag's den Leuten nicht verdenken. Zu viel des Problemati¬
und ab. Das kriegerische
hohe Häusergiebel und rauben dem sinkenden Lichte eines
schen, schön Gewollten, schwach nur Vollendeten steckt in der
ten Volkes tönt herein.
Frühlingstags den Eintritt. Im Krankenstuhle kauert die
Dichtung; zu viel des Problematischen, gut Gemeinten, übel
verbrennt der junge Krie
abgemagerte Gestalt eines den Achzig nahen Greises. Ein
Mißlungenen haftete der Aufführung an. Wer sie als ein¬
kurze Worte, durch dere
blühendes Geschöpf, verhärmt nur von Nachtwachen und
zigen Mittler des Dichters nutzte (und wenige nur mögen
weicher Unterton der n
Stubenluft, Marie, sitzt neben ihm und liest von Kriegsbe¬
gewesen sein, die das Buche) kannten) vermochte zu dieser
klingt. Der Oberst ersdh
richten aus der Zeitung vor. Hier herrscht die Tyrannei
seltsamen Komödie intimen Feinheiten nicht vorzudringen,
dem jungen Offizier, d
des welken Alters, die sich mit väterlichem Rechtsbegehren an
die sich, ein stiller, mattfarbener Kranz, um all' die — schein¬
dennoch kalt den anderen
die ihm untertane Jugend klammert. Ueberzeitig ist der
bare — Brutalität und Theatralik winden...
tät zum ersten Akt tut
Alte. Hat vom Leben nicht viel gehabt. Früh und kaum
Ein Lied vom Leben und ein Sang ans Leben. Auf
hier steht einer, der nach
wohl rühmlich verabschiedeter Militär, Schreibstubenarbeit
seine Art umklammert es ein jeder, sucht es auszukosten,
sein lang; der sein Krieg
durch dreißig Jahre durch, eine Ehe ohne Glück, voll Mi߬
Ffühlt es sich entgleiten. Ein Rätsel allen und Gegenstand
lernte und nun mit harte
trauen und dumpfer gegenseitiger Furcht. Die Frau sank
„In dritter Auflage erschienen bei S. Fischer,
ihm die Tatgelegenheit
welk ins Grab. Die Tochter blieb, in Kindesfrond unwillig
Berlin, 1910.
dem Todesritt. Die eige
sich beim Vater mühend. Und draußen lebt die Stadt. Regi¬
dumpf tastender Verwunderung. Ihm sucht man, wie dem
gen Leben opfern. Sch
menter ziehen zur bedrohten Grenze. Ihr schwerer Tritt,
Bruder Tod, wohl matte Formeln des Erfassens, — und
sein junges Weib halte
das Getrappel vieler Hunderte von Pferden schallt gedämpft
findet doch keine, die befriedigte. Nur fühlen kann man es.
dem ist kein Geständnis
herauf in das Gezänk des Alten. Der gönnt dem Mädel
In Augenblicken höchster Ueberspannung aller Kräfte kann
Augenblick leer. Marie
keinen Freier, nicht einmal das Stündchen Bewegung in
man es mit dem jauchzenden Evos=Ruf Todgeweihter wohr
verbirgt sich, durch Stir
freier Luft, das der Arzt ihr heischt. Nur eine einzige Ball¬
umfangen: — doch wenn man's deuten will, ein Quentchen
hang und wird unfreiwi
nacht im Winter ward ihr zu eigen. Da flog sie bis zum
nur über den Rausch hinaus sich zu retten, dann fließt es
der nun sein Weib bei e
Morgen im Arme eines Dragonerleutnants durch den Saal
hin in blasse Gleichnisse, die wie leere Schatten mit uns
Leutnant entdeckt und n
und vergaß in dieser Seligkeit der erstmalig erweckten Sinne
hinweg führt das Mäd
ihrer sechsundzwanzig Jahre den Forstadjunkten, dem sie
Mre a- hectetenuer-At Achutkert in
ersten und letzten Liebe
bisher gut gewesen. In Hoffnungslosigkeit war ihr auch
Dichters eigener Ohnmacht klingt das Stammeln, dessen
In einen Spilog vo
diese Nacht versunken. Heut' taucht sie auf und fordert ihre
Quintessenz nichts weiter bietet, als daß das Leben — Leben,
zeihung löst sich im Sch
Rechte. Dem Tod geweiht, zog jenes Regiment ins Feld,
und der Tod — der Tod. Dazwischen tönen schlichte Melo¬
und roh, wie das Lebe
längst vergessene Schuld verstorbener Kameraden zu fühnen.
dien in leise, entsagende Schwermut getaucht, wie Arthur
poetische Figur einer lel
Der Geliebte, nach dem ihr alle Pulse schlagen, ist unter
Schnitzler sie so gern singt. Zarte Lyrismen, in eine ab¬
Hörer die Tatsachenhäuf
ihnen. In das „Zu spät“ des resignierten Herzens tönt einer
sichtlich stilisierte, den Alltagsdialog jäh durchbrechende Prosa
mit Beteiligten und Unb
Freundin Kunde, daß jener Offizier, der mit dem Morgen
gebannt. Von Blumen spricht sie uns, von linden Frühlings¬
garten rückwärts schauen
lüften, Blütenbäumen, von sehnenden Mädchenherzen und dem
ausrückt, gleichfalls ihrer denke. Und in den Ruf, den ihr
leidenschaftslosen Lebens
das Leben sendet, kreischt des Alten Erzählung von jener
Sang des Menschenblutes, das nach der simplen Erfüllung
Ihn zwingt ja sein Be¬
schmählichen Flucht vor über dreißig Jahren, deren Ver¬
seines Seins verlangt. Nur diese eine Forderung besteht
fachen Formen zu vern
zu Recht. Und neben ihr versinken alle Götzen, die des
schulder er, der Vater, selbst gewesen. Der triumphiert. Nun
von Leidenden zu Sterl
Menschen Vorsicht zur Zähmung seiner eignen Triebe setzte:
wird er zum zweiten Male das Regiment überleben.
Formen sah er den Leb
Ehre, Leben, Seligkeit und jegliches Gesetz, ja selbst des Neben¬
Er, der Achtzigjährige, der damals floh, weil ihn das nackte
Und glaubt von sich sell
menschen Leben. Gewiß, sagt Schnitzler, dieses Leben ist
Leben lockte, der Wunsch nach Weib und Kind und Alltags¬
brutal, grell und verletzend wie der Schlachtruf der Drom= glück, er wird die strammen Burschen überdauern, die da unten Marie, da sie von ihrem