II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 410

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19. Der Ruf des Lebens
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Plungen scheinen sich in dem Bethalinis] haben wollen, stehen doch noch gleichsam im traditionellen] Sozialdemokratie folgende schriftliche, von dem Bochumer
sozialdemokratischen Blatt kurz nach der Wahl veröffentlichte
Kirche zu den politischen Gruppen] Banne der alten Hengstenbergschen Zeitung. Vor allen
oden vorzubereiten. Die Konservativen] Dingen leiden unter der heute üblichen kirchenpolitischen Praxis]Antwort gegeben hatte:
zum Tode reiten. Der schmähliche Triumph, schamlos der
meten. Ich will es Euch zeigen in der unverhüllten Nackt¬
Tochter hingebreitet, löst auch die letzten Bande. Befreiung
Wen.
Pluf des Lebens.“
heit des brutalen Lebensinstinktes; in wenig Ausschnitten
will sie, um jeden Preis. Dem Liebsten in den Arm zu trei¬
nur, typischen Schicksalen. Im Freskostile werf' ich's Euch
Prei Akten von Artbur Schnitler.
ben, eh' es auf immer zu spät ist, reicht sie dem Alten einen
vor die Rampe. Und sagt nur nicht: das schmeckt nach
Schlaftrunk, der ihn auf ewig schlafen macht. Und stürzt hin¬
end des De#
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Kolportage; nach Zeitungsausschnitten aus der Chronique
aus in die Nacht..
scandaleuse; denn zugleich zeig' ich Euch, was hinter
Hannover, 21. Janugk““
In der Kaserne der Dragoner spielt der zweite Akt.
diesem rohen Leben an Menschenschicksal lauert, was sich im
mütigem Schweigen hat ein zahlreiches
Zimmer des Leutnants Max. Zu ebener Erde. Draußen leuch¬
schweren Leide gebundener Instinkie krümmt.
igen Abend dies Schauspiel abgelehnt;
Um 1850 etwa. Ein dumpfer kleiner Raum in einem
tet der Monp über der umfriedenden Mauer. Wachen gehen auf
Ffall mischte sich erzürntes Zischen. Ich
und ab. Das kriegerische Leben eines zum Aufbruch gerüste¬
Hause der Wiener Altstadt. Durchs niedere Fenster blicken
cht verdenken. Zu viel des Problemati¬
ten Volkes tönt herein. Die letzten Briefe und Liebeszeichen
hohe Häusergiebel und rauben dem sinkenden Lichte eines
. schwach nur ollendeten steckt in der
verbrennt der junge Krieger. Tauscht mit einem Unteroffizier
Frühlingstags den Eintritt. Im Krankenstuhle kauert die
Problematischen, gut Gemeinten, übel
kurze Worte, durch deren dienstliche Knappheit ein seltsam
abgemagerte Gestalt eines den Achzig nahen Greises. Ein
der Aufführung an. Wer sie als ein¬
weicher Unterton der menschlichen Verbrüderung bindurch¬
blühendes Geschöpf, verhärmt nur von Nachtwachen und
ichters nutzte (und wenige nur mögen
klingt. Der Oberst erscheint am Fenster; spricht Worte zu
Stubenluft, Marie, sitzt neben ihm und liest von Kriegsbe¬
annten) vermochte zu dieser
Buch¬
dem jungen Offizier, die väterlich gemeint erscheinen und
richten aus der Zeitung vor. Hier herrscht die Tyrannei
Eintimen geinheiten nicht vorzudringen,
dennoch kalt den anderen belauern. Eine bewußte Paralleli¬
des welken Alters, die sich mit väterlichem Rechtsbegehren an
attfarbener Kranz, um all' die — schein¬
tät zum ersten Akt tut sich dem Aufmerksamen kund. Auch
die ihm untertane Ingend klammert. Ueberzeitig ist der
und Theatralik winden.
hier steht einer, der nach des Lebens Ruf sich sehnte ein Da¬
Alte. Hat vom Leben nicht viel gehabt. Früh und kaum
Peben und ein Sang ans Leben. Auf
sein lang; der sein Kriegerhandwerk in schalem Frieden hassen
wohl rühmlich verabschiedeter Militär, Schreibstubenarbeit
Ert es ein jeder, sucht es auszukosten,
lernte und nun mit harter Hand sich und den Hunderten unter
durch dreißig Jahre durch, eine Ehe ohne Glück, voll Mi߬
en. Ein Rätsel allen und Gegenstand
ihm die Tatgelegenheit schuf. Von ihm stammt die Parole zu
trauen und dumpfer gegenseitiger Furcht. Die Frau sank
Auflage erschienen bei S. Fischer,
dem Todesrikt. Die eigene Lebensmüdigkeit läßt ihn die jun¬
welk ins Grab. Die Tochter blieb, in Kindesfrond unlvillig
gen Leben opfern. Schwerer Verdacht drückt ihm die Brust,
sich beim Vater mühend. Und draußen lebt die Stadt. Regi¬
wunderung. Ihm sucht man, wie dem
sein junges Weib halte es mit dem schmucken Leutnant. Doch
menter ziehen zur bedrohten Grenze. Ihr schwerer Tritt,
matte Formeln des Erfassens, — und
dem ist kein Geständnis abzutrotzen. Die Szene bleibt einen
das Getrappel vieler Hunderte von Pferden schallt gedämpft
befriedigte. Nur fühlen kann man es.
Augenblick leer. Marie, den Leutnant zu suchen, tritt ein,
herauf in das Gezänk des Alten. Der gönnt dem Mädel
hster Ueberspannung aller Kräfte kann
verbirgt sich, durch Stimmen erschreckt, hinter einem Vor¬
keinen Freier, nicht einmal das Stündchen Bewegung in
Ruchzenden Evos=Ruf Todgeweihter wohr
hang und wird unfreiwillige Zeugin von des Obersten Rache,
freier Luft, das der Arzt ihr heischt. Nur eine einzige Ball¬
wenn man's deuten will, ein Quentchen
der nun sein Weib bei einer letzten Zusammenkunft mit dem
nacht im Winter ward ihr zu eigen. Da flog sie bis zum
h hinaus sich zu retten, dann fließt es
Leuinant entdeckt und niederknallt. Ueber diese zweite Leiche
Morgen im Arme eines Dragonerleutnants durch den Saal
isse, die wie leere Schatten mit uns
hinweg führt das Mädchen und den Mann der Weg zur
und vergaß in dieser Seligkeit der erstmalig erweckten Sinne
es. Allzu=Vieles, wird in dem Stück von
ersten und letzten Liebesnacht.
ihrer sechsundzwanzig Jahre den Forstadjunkten, dem sie
Verhandelt. Wie das Geständnis von des
bisher gut gewesen. In Hoffnungslosigkeit war ihr auch
In einen Epilog voll Milde, Verstehen, Sühne und Ver¬
nmacht klingt das Stammeln, dessen
diese Nacht versunken. Heut' taucht sie auf und fordert ihre
Feiter bietet, als daß das Leben — Leben,
zeihung löst sich im Schlußakt die gedrängte Aktion. Rauh
Rechte. Dem Tod geweiht, zog jenes Regiment ins Feld,
Tod. Dazwischen tönen schlichte Melo¬
und roh, wie das Leben selbst, kaum gemildert durch die
längst vergessene Schuld verstorbener Kameraden zu sühnen.
gende Schwernut getaucht, wie Arthur
poetische Figur einer lebsüchtigen Lungenkranken, sprang der
Der Geliebte, nach dem ihr alle Pulse schlagen, ist unter
nsingt. Zarte Lyrismen, in eine ab¬
Hörer die Tatsachenhäufung an. Nun kann er stiller atmen
ihnen. In das „Zu spät“ des resignierten Herzens tönt einer
n Alltagsdialog jäh durchbrechende Prosa
mit Beteiligten und Unbeteiligten in einem grünen Frühlings
Freundin Kunde, daß jener Offizier, der mit dem Morgen
en spricht sie uns, von linden Frühlings¬
garten rückwärts schauen. Hier hat der Arzt, als Symbol de¬
ausrückt, gleichfalls ihrer denke. Und in den Ruf, den ihr
n, von sehnenden Mädchenherzen und dem
leidenschaftslosen Lebensbetrachters und Verstehers, das Wort
das Leben sendet, kreischt des Alten Erzählung von jener
blutes, das nach der simplen Erfüllung
Ihn zwingt ja sein Beruf, den Ruf des Lebens in mannig
schmählichen Flucht vor über dreißig Jahren, deren Ver¬
gt. Nur diese eine Forderung besteht
fachen Formen zu vernehmen. Von Irrenden zu Leidenden
schulder er, der Vater, selbst gewesen. Der triumphiert. Nun
Den ihr versinken alle Götzen, die des
von Leidenden zu Sterbenden führt ihn sein Weg. In alle
wird er zum zweiten Male das Regiment überleben.
Fur Zähmung seiner eignen Triebe setzte:
Formen sah er den Lebensdrang der Alten wie der Junger
Er, der Achtzigjährige, der damals floh, weil ihn das nackte
it und jegliches Gesetz, ja selbst des Neben¬
Und glaubt von sich selber, er sei nie jung gewesen.
Leben lockte, der Wunsch nach Weib und Kind und Alltags¬
Gewiß, sagt Schnitzler, dieses Leben ist.
Verletzend wie der Schlachtruf der Drom= glück, er wird die strammen Burschen überdauern, die da unten Marie, da sie von ihrem Rausch erwachte, vor der Selbstanklag