II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 417

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19. Der Ruf des Lebens
läßt das Stück die Vorzüge sonstiger Schntlerscher dramatischer
Arbeiten durchweg vermissen: Knappheit und Geist, Meisterschaft
in der Behandlung des Dialogs und Witz. Den letzteren schloß
hier freilich der Stoff aus. Es kam dem Dichter offenbar darauf
an, die Macht darzustellen, die so ziemlich alle Menschen, selbst die
Kranken und Aermsten, sich an das Leben klammern läßt. Das
ist gemiß an sich ein geeigneter Vorwurf, nur mutet der von
Schy#hler zur Illustrierung des Problems genommene Stoff doch
reck konstruiert an. Ein Regimen der blauen Kürassiere hat im Krieg
ver 30 Jahren Veranlassung zu einer Niederlage dadurch gegeben,
aß es zuerst aus einer Stellung wich, die es hätte halten mussen.
In einem neuen Krieg hat nun das Regiment, um die Schmach
wieder gut zu machen, auf Betreiben des Obersten gebeten, an den
gefährlichsten Posten gestellt zu werden, wo es bis auf den letzten
Mann vernichtet werden müsse. Mit der letzten Eskadron ziehen
auch die jungen Offiziere Max und ülbrecht in den angeblich
sicheren Tod. Vorher bekommt aber der erstere von ihnen noch
Besuch in der Kaserne. Zuerst will sich ihm Marie, die Tochter
jenes alten, nun 79jährigen Rittmeisters Moser, an den Hals
werfen, durch dessen Schuld damals die Schlacht verloren worden
ist, und dann kommt noch die Frau des Obersten, um ihn zu be¬
Bitte Rückseite beachten!
stimmen, das Leben nicht fortzuwerfen, sondern mit ihr weiterzu¬
führen. Der Oberst, von dem man erzählt, daß er um das Ver¬
Telephon 12.801.
hältnis wußte und nur deshalb jenen Schwur seiner Offiziere
provoziert habe, überrascht die beiden und knallt die
Gattin kurzerhand nieder. Auch Marie hat einen Mord an
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ihrem Vater auf dem Gewissen, einem unleidlichen Kranken¬
dessen sie sich durch Einflößung eines Trankes entledigt,
„OSSENTER
man kann nicht anders sagen — ihrer Brunst
um
zu folgen. Sie, wie auch ihre Freundin Katharina, die Tochter
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für
von Mosers Schwägerin, leiden offenbar an Nymphomanie, und sie
Zeitungsausschnitte
verstehen „den Ruf des Lebens“ leviglich dahin, sich „auszuleben“,
Wien, I, Konkordiaplatz 4.
d. h. einem Manne nachzulaufen. Katharina ist mit einem Forst¬
adjunkten so gut wie verlobt gewesen, der sich aber von ihr ab¬
Vertretungen
wandte, als er Marie kennen lernte. Anscheinend infolgedessen ist!
in Berlin, Basel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christiania,
sis auch geistig anormal geworden. Von einem Schlachtfeld kommt
Genf, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minncapolis,
ändlich die Kunde, daß die blauen Kürassiere wirklich niedergemacht
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Peters¬
sworden sind mit alleiniger Ausnahme — man weiß nicht, wie es
burg, Toronto.
kam — des Offiziers Max. Indes hat sich dieser nachträglich er¬
(Quellenangabe olme Gewähr).
schossen. Ueber den Grund der Tat nachzudenken, bleibt jedem Zuschauer!
owuik
selbst überlassen, vermutlich geschah es deshalb, weil das Stück ein
Ausschnitt aug(ginische Vorkszeitung
Ende haben mußte. Wie gesagt, bleibt der Dialog weit zurück hinter
dem, wus man von Schnitzler erwarten durfte. Abgesehen von einigen
vom:“ Mal. 1911
dunkten Phrasen, wie z. B.: „Nur wer die Zusammenhänge be¬
greift, lebt ewig,“ reden die Personen oft ein ganz bedenkliches
Papierdeutsch; besonders zeichnen sich darin die beiden Mädchen
Theater und Konzerte.
aus. Der erste Akt, der fünf Viertelstunden dauert, hat manche
* Kölner Schauspielhaus. Ob es nötig war, das Schnitz¬
Längen, für die Charakterisierung des alten Moser als tyrannischer
Lersch-Schauspiel Der Ruf des Lebens sechs Jahre Nach
Egoist bedürfte es nicht seiner endlosen Reden, der dritte ist ein¬
Pseinem Entstehen als Novität auf unsere Bühne zu bringen, die
fach langweilig. Die von Dr. Simchowitz inszenierte Aufführung
doch damit eine frühere Unterlassungssunde dokumentiert hätte?
war recht gut. Um den todesbangen alten Moser machte sich
Ein Teil des Publikums gab jedenfalls am Schluß durch kräftiges
Zischen eine verneinende Amtwort auf die Frage. In der Tat 1 Herr Turrian verdient; er stattete ihn mit einem so gehäuften
Maß von Unausstehlic
ihm endlich den Mund
Martyrium bei ihm
liegen läßt, um dem 9
Schönfeld abfinden, die
wenn die Figur auch
konnte. Bei ihren Versi
nis fast alles verloren
mit Erfolg ein; ihr 2
schlimmster Theatereff
Scholtz glücklich ab.
Geschehnisse zusamme
recht natürlich. Dem
hörige Dosis Schwei
durfte, wenn er ni
Obersten gab Hr.
seiner Frau war Fl
Albrecht hatten in de
gefunden. Im dritt
Torfe spielt, entschä
maßen eine hübsche
das Zuspätkommen
den ersten Akt hine
helligten. Ob diese
handelte, wirklich zu
wurf mangelnder Ri