II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 452

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19. Der Ruf des Le—ns

Bayerische Staatszeitung
Ausschnitt aus
9 197. München
vom:


Hauptrolle besonders nach der mimischen Seite mit bedeuten¬
Der Ruf des Lebens
der Ueberzeugungskraft durch. Sie hätte jedoch im ersten Akt
das Schnippisch=Kalte, Heftige und Widerwillige ihres Spieles
Schauspiel von Arthur Schnißler.
durch Abgespanntheit und Resignation ersetzen können, um
Erstaufführung in den Kammerspielen am 6. September.
sympathischer zu werden. Damit sei aber nicht verkannt, daß
Arthur Schnitzler hat schon gern vom Rufe des Todes
ihre Auffassung psychologisch berechtigt ist. Die Künstlerin
erzählt, z. B. in den „Dammerseelen“. Von jener unklar ver¬
schien stimmlich leicht indisponiert, da ihr Forte im ersten
nommenen, jedoch sicheren Stimme, die aus dem dunkeln Hause
Akt unangenehm heiser klang. Philipp Manning gab den
der Moiren ins helle Dasein hereintönt. Wenn nun im vor¬
alten Moser zu warm, zu menschlich ansprechend, zu gefuhlvoll,
liegenden Drama der Ruf des Lebens und mit ihm der Ruf
besonders in der leidenschaftlichen Erzählung seiner Flucht vor
nach lockendem, bejahendem Leben zur Idee geworden ist, so
dem Feind. Er hätte tückischer, kälter und widerlicher sein
bleibt uns der erstgenannte darum nicht unhörbar, im Gegen¬
dürfen. Auch hätte man ihn um eine Schattierung rüstiger,
teil, das Klopfen der unabwendbaren knöchernen Hand an die
weniger röchelnd, vertragen. Ernst Stahl=Nachbaur
Türe des Sonnenreichs klingt stärker als das Pulsen des Leben
zeichnete sich in seiner Rolle als Forstadjunkt durch vorzügliches
verlangenden Blutes. — Im Vordergrund der Handlung steht
Sprechen aus. Im Spiel war er etwas steif. Paul Marx erin¬
ein junges Mädchen, das sich seines Vaters durch Gift ent¬
nerte als Arzt durch sein abgeklärtes und mildes Wesen an
ledigt, weil es in leidenschaftlicher Stunde den „Ruf des Le¬
einen Philosophen oder Theologen, was aber mit dem Wesen
der Liebe, unwiderstehlich stark zu hören bekam.
beus“
seiner Rolle gut im Einklang stand. Auch seine nasale Sprech¬
Sie ist in unbändiger Liebesglut für einen jungen Offizier ent¬
weise störte mit ihrer körperlosen, durchgeistigten Färbung
brannt und hat durch diesen plötzlich und elementar ausbrechen¬
nicht. Max Oswald und Franz Wahl trafen die schwie¬
den Sinnestrieb nicht nur ihr eigenes ruhiges Zukunftsglück
rige Harmonie zwischen militärischer Knappheit und Bühnen¬
zerstört, sondern auch über andere Personen des Dramas Ver¬
kunst in ihren Rollen als Leutnants glücklich. Erich Ziegel
unabhängig von den persönlichen Schick¬
derben gebrütht.
legte als Oberst mehr Gewicht auf vorzügliche Persönlichkeits¬
salen dieses Mädchens ist der Hauptinhalt des Stückes der, daß
darstellung. Für einen Offizier sprach er etwas zu singend und
und wie sie den „Ruf des Lebens“ verstehen und deuten lernt,
zu wenig nivelliert. Jenny Spielmann vermittelte als
daß sie in einer kurzen Frist von Stunden „erfährt, was andere
Katharina eine Erscheinung von ungemeinem Liebreiz und war)
Frauen nicht in tausend Tagen und Nächten“.
in ihrem rührenden Spiel vollendet. Emilie Unda bewährtef
Jene düstre Färbung, die ihre Schatten zuweilen auf
sich in ihrer kurzen Rolle der leidenschaftlichen jungen Obersts
Schnitzlers Lebensanschauung wirft, hat das vorliegende Werk
=Greven
gattin temperamentvoll und gut. Auguste P
ganz durchdrungen und lodert als unheimliche Folie in Form
berg hätte als Tante aus der Grünau den norddeutschen Au
der Erzählung vom blauen Kürassiekregiment hervor. Das
klang in der Sprache vermeiden dürfen. — Die beiden ersten
Stück ist sowohl Charakterdrama als auch in Uebereinstim¬
Akte wurden mit spontanem starkem Beifall, der dritte kühler
mung mit seinem Titel eine Schicksalstragödie. Und über
aufgenommen, jedech wurde der Dichter wiederholt gerufes.
beides hinaus ein didaktisches Drama, grüblerisch und konse¬
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quent, feinsinnig — einer der „echtesten Schnitzler“, aber nicht
sehr bühnenwirksam.
Erich Ziegel führte die Regie. Es wäre vielleicht
vorteilhaft für die Bühnenwirkung gewesen, die Dialoge aufs
notwendigste zusammenzustreichen. Denn im Theater, wo man
mehr erleben als hören will, gehen ihre Feinheiten großenteils
verloren und der Zuschauer wird ungeduldig. Das Getriebe
auf der Straße, Pferdegetrappel, Kommandorufe, Signale und
Trommelwirbel hätten als tonale Folie stärker herangezogen
werden können. Auch der Gegensatz in den Kundgebungen
der Menge beim Ausmarsch der verschiedenen Truppen kam
nur wenig merkbar zur Geltung. Wir glauben, man dürfe
in der an sich gewiß vornehmen Zurückdämmung der Aeußer¬
lichkeiten nicht zu weit gehen. Mirjam Horwitz führte die