II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 491

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19. Der Rufdesdens
aus:
Wan !
-DE2.1914.
BOFIEMIA, PFOA

Nachdruck verboten.
einen strafenden Tod vielleicht verdient haben; war her jedoch genießt er noch Fräulein Marie Moser.
Ckreutem
er es doch gewesen, der in seinen Jugendingen aus In diesem von Schnitzler selbst in seinem besten
Liebe zum Leben ein Regiment in seine Flucht Einakter „Zum großen Wurst!“ köstlich persiflierten
Allerlei Operetten.
mitgerissen hatte, als Greis noch seine Tochter in Blitzstiel schritt die Handlung durch die beiden
Wiener Theaterbrief.
unbarmherziger Lebensgier keinen Augenblick von ersten Akte, der dritte, der alle nicht in diesen zwei
sich lassen wollte: zum Leben, das sich in Dramen Akten umgekommenen Personen vereinigt, ist retar¬
Ich meine damit nicht etwa „Gold gab ich für
so gern — Auswahl des Tauglichsten — in Offi=dierend, epischer Leichenzug. Wenn auch er Nachhall
“ oder die neue Eyslersche Operette „Frühling
zieren verkörpert. Sinniger Weise gehört der blaue und Spitalserinnerung eines Arztes scheint, muß
Rhein“, durch die Treumann das Wiener
hertheater bevölkert, die durch ihr wirbelndes Kürassier, dem Marie Moser entgegenschmachteter eben darum der Abwechslung halber auf einen
demselben Regiment an, das ihr Vater seinerzeit explosiven Todesfall verzichten. Während nämlich,
o, die Marionettenhaftigkeit ihrer Kunstfigu¬
in den Ruf der Feigheit gebracht hatte. Krieg wie bereits mitgeteilt, der erste Akt eine Vergiftung,
sich den leichtbeschwingteren Regionen nähern.
der zweite einen Revolverschuß und Eifersuchtsmord
#eispielsweise erweist sich bricht aus, und der Oberst der blauen Kürassiere
hurS
bringt, dürfen wir im dritten der Agonie einer letal
inem „Rrüfdes Lebens“ als Meister der will diese „Schmach“ durch den Heldentod seiner
endenden Tuberkulose beiwohnen. Gerade das ist
nischen Operette. Mögen andere Autoren nun, Soldaten sühnen. (Vielleicht aber auch seines Le¬
der „Fehler“ des Stückes. Bei Sudermann hätte
er Krieg auch das Geld der Bürger antastet, bens Unzufriedenheiten, die Untreue seiner Frau
der erste Akt den sanften Tod der Schwindsucht, der
Verlobungen ihrer Schlußakte zu ermäßigten in Blut ersticken.) Eine Nacht noch dürfen die blauen
zweite ansteigend die Vergiftung, und der dritte als
den Qualitäten ihrer Geduldspiele entsprechend Kürassiere in der Stadt weilen, Marie Moser will
bgesetzten Preisen stattfinden lassen, sein Werk, also noch schnell für ihren Teil die Blutschuldeihres ebensoviele Höhepunkte mehrere Revolverschüsse ge¬
bracht. Schnitzler beraubt sich durch seinen technischen
nachdenklicher Schauerschwank wahrt in schwerer Vaters abreaaieren und in die Arme eines der
todgeweihten Offiziere eilen, jedoch der greise Moser Schnitzer der krassen Wirkungen, und was er als
noch einigermaßen des Dekorum eines gern
Ersatz gibt — Marie „fühnt“ ihre Schuld, indem
die alte Garde stirbt nicht und wir übergeben
nliterarische Verwahrlosung verhallenden Ge¬
sie vermutlich wieder Pflegerin wird — kann der
uns — versperrt die Tür zum Leben, Marie ver¬
stheaters. Man bereitete dem „Ruf des Le¬
starken Nervenspannung des Zuhörers nicht genug¬
giftet ihn, um diese eine Nacht!
“im „Deutschen Volkstheater“ eine wahre Mu¬
tun. Es gibt eben keine Zwischendinge. Entweder
Aber jede Schuld rächt sich auf der dramatischen
ufführung, trotzdem man dies Drama ursprüng¬
verteilt man an die Personen seiner Stücke meta¬
Erde. Als Marie Moser in das Zimmer des von
wohl nur einigen zeitgemäßen Säbelklirrens
physische Bonbons („Der einsame Weg“) oder man
sihr geliebten Leutnants tritt, hört sie Stimmen,
Revolvergeknalis wegen aus der Versenkung
läßt — schlechter — geistlose Uniformen aus dem
rgeholt haben dürfte. Der erste Akt brachte, muß sich hinter einem Vorhang verbergen, und be¬
Toden und gegeneinander schießen („Der junge Me¬
vom effeminierten Zeitalter, von der Aera lauscht ein Gespräch, das ihr blauer Kürassier mit
Suffragetten nicht anders zu erwarten war, seiner Geliebten, der Gattin des Obersten führt. oardus"). Aber man soll nicht zwischen dem drama¬
Im Interesse einer theatralischen Wirkung erscheinttischen „Tschinderada“ genießerische Weisheit des
eministische Umstülpung eines alten Problems
er befrei der Held die Jungfrau vom drachen= sogar dieser und knallt sein ehebrecherisches Weib Brahmanen verzapfen. Denn Weisheit wirkt letzten
sie behütenden Vater, im Schnitzlerstück ver= nieder. (Bei Sudermann würde er außerdem den Endes nur dann ethisch, erlösend, wenn sie nicht
die aber schon sehr aktive Jungfrau den Ruf „Ha!“ ausstoßen, aber Schnitzler ist feiner.) genießerisch, bauchbejahend, sondern ungetrübt
asketisch, von guten buddhistischen Eltern ist.
kr-Drachen und eilt zu dessen sich keineswegs Der schuldbewußte Leutnant bedauert, daß er das
Da ist zufällig, mit minderen Streitkräften,
hendem Helden. (Vergiftungen sind sehr gute Schicksal der Oberstensgattin nicht teilen darf, wird
lüsse!] Im Speziallfall mochte der alte Moser vom Regimentschef zum Selbstmord verurteilt, vor¬ Hermann Bahr — Tatsache oder Mimicry — vor¬