IIS
box 24/5
19. Der Rif (1
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Aussohnitgerag: Neueste Nachrichten, Eger
-2 3. 1915
vom:
Städtische Schaubühne.
„Der Ruf des Lebens“, Schauspiel in 3 Akten
er—Ein gewaltiges, tief erschüttern¬
von Arthur
des Stück! Doppettergreifend, da es doch wie aus unsrer
Zeit geschrieben erscheint — sein düsterer Hintergrund
heißt: Krieg! Meisterhaft hat der Dramatiker Schnitzler
Stimmungen auf die Bühne gebracht, wie sie jetzt im
Innern eines jeden herrschen, oder mindestens dann und
wann zum Durchbruche kommen. Der Ruf des Lebens
erklingt in uns allen — einmal im Leben sicher, und
mannigfaltig, wie das Leben selbst, ist auch sein Ruf:
einen ruft es zu diesen, den anderen zu jenem. Ihm zu
folgen ist Schicksal. Auch „Die schwarzen Husaren“ folgen
dem Rufe des Lebens; durch die Schuld ihres Regi¬
mentes ward im letzten Kriege eine Schlacht verloren,
das soll jetzt gesühnt werden. Offiziere und Mann¬
schaft haben es sich untereinander geschworen, daß aus
diesem Kriege keiner von ihnen lebend zurückkehren solle.
Ein frevelhaftes Wegwerfen des hohen Göttergeschenkes,
Leben genannt, wird dies manchen scheinen — doch auch
das ist der Ruf des Lebens, allerdings eines höheren
Lebens, das mehr ist als das Stückchen irdischen Wan¬
delns. Der Ruf des Lebens erklang auch in der Armen
die jahrelang an einen kranken, sie tyrannisierenden
Vater gefesselt war, der Ruf lockt sie zur goldenen Frei¬
heit, zu den Wonnen der Liebe. Sie gibt dem Vater
einen Schlaftrunk, daß er niemehr erwacht und ent¬
flieht — zu dem geliebten Manne. Der aber zieht mit
den schwarzen Husaren in den sicheren Tod; gebrochen
lebt das Mädchen weiter, eng vereint mit der Natur,
ihrer letzten und besten Freundiu. Noch eine ganze Reihe
von Menschen führt uns der Dichter vor Augen, wie
jedem der Ruf des Lebens erklang und wohin er sie
führte. Und alle diese dramatischen Skizzen sind durch
den äußeren Zusammenhang zum Ganzen des Schau¬
spiels verwoben. Meisterhaftes und Gewaltiges hat
Schnitzler damit geschaffen. Große Schwierigkeiten stellt
die Aufführung, doch unsere Bühne ward ihrer in an¬
erkennenswerter Weise Herr, von der ganzen In¬
szenierung angefangen, bis hinab zum einzelnen Dar¬
steller. So konnten wir Prachtleistungen unserer
Bühnenkräfte bewundern: der erschütternd natürliche
als Moser des Herrn Juhn vor allen, dann die
vom Schicksal gebeugte, stumm entsagende Mario des
Frl. Fredda Börken — oder die Katharina des Frl.
Horwitz; im letzten Akte als Wahnsinnige, war diese von
einer erschreckenden Natürlichkeit, ein heimliches Grauen
empfand man vor unserer sonst so lieblichen Naiven!
Eine neue Probe ihrer Kunst! Gut waren auch Frau
Effner in der kurzen, leidenschaftlichen Rolle der Oberstin,
wie Herr Direktor als Oberst, ebenso der leidenschaftslose
unglückliche Forstadjunkt Rainer (Herr Renee). Herr
Karl Wald, der die Spielleitung mit kundiger Hand
führte, gab auch den Husarenoffizier in flottem und
sicheren Auftreten. Der Abend war sicher einer der
besten und gelungensten der heurigen Spielzeit und wir
können bei einer Wiederholung den Besuch nicht warm
genug empfehlen.
W. St.
box 24/5
19. Der Rif (1
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Aussohnitgerag: Neueste Nachrichten, Eger
-2 3. 1915
vom:
Städtische Schaubühne.
„Der Ruf des Lebens“, Schauspiel in 3 Akten
er—Ein gewaltiges, tief erschüttern¬
von Arthur
des Stück! Doppettergreifend, da es doch wie aus unsrer
Zeit geschrieben erscheint — sein düsterer Hintergrund
heißt: Krieg! Meisterhaft hat der Dramatiker Schnitzler
Stimmungen auf die Bühne gebracht, wie sie jetzt im
Innern eines jeden herrschen, oder mindestens dann und
wann zum Durchbruche kommen. Der Ruf des Lebens
erklingt in uns allen — einmal im Leben sicher, und
mannigfaltig, wie das Leben selbst, ist auch sein Ruf:
einen ruft es zu diesen, den anderen zu jenem. Ihm zu
folgen ist Schicksal. Auch „Die schwarzen Husaren“ folgen
dem Rufe des Lebens; durch die Schuld ihres Regi¬
mentes ward im letzten Kriege eine Schlacht verloren,
das soll jetzt gesühnt werden. Offiziere und Mann¬
schaft haben es sich untereinander geschworen, daß aus
diesem Kriege keiner von ihnen lebend zurückkehren solle.
Ein frevelhaftes Wegwerfen des hohen Göttergeschenkes,
Leben genannt, wird dies manchen scheinen — doch auch
das ist der Ruf des Lebens, allerdings eines höheren
Lebens, das mehr ist als das Stückchen irdischen Wan¬
delns. Der Ruf des Lebens erklang auch in der Armen
die jahrelang an einen kranken, sie tyrannisierenden
Vater gefesselt war, der Ruf lockt sie zur goldenen Frei¬
heit, zu den Wonnen der Liebe. Sie gibt dem Vater
einen Schlaftrunk, daß er niemehr erwacht und ent¬
flieht — zu dem geliebten Manne. Der aber zieht mit
den schwarzen Husaren in den sicheren Tod; gebrochen
lebt das Mädchen weiter, eng vereint mit der Natur,
ihrer letzten und besten Freundiu. Noch eine ganze Reihe
von Menschen führt uns der Dichter vor Augen, wie
jedem der Ruf des Lebens erklang und wohin er sie
führte. Und alle diese dramatischen Skizzen sind durch
den äußeren Zusammenhang zum Ganzen des Schau¬
spiels verwoben. Meisterhaftes und Gewaltiges hat
Schnitzler damit geschaffen. Große Schwierigkeiten stellt
die Aufführung, doch unsere Bühne ward ihrer in an¬
erkennenswerter Weise Herr, von der ganzen In¬
szenierung angefangen, bis hinab zum einzelnen Dar¬
steller. So konnten wir Prachtleistungen unserer
Bühnenkräfte bewundern: der erschütternd natürliche
als Moser des Herrn Juhn vor allen, dann die
vom Schicksal gebeugte, stumm entsagende Mario des
Frl. Fredda Börken — oder die Katharina des Frl.
Horwitz; im letzten Akte als Wahnsinnige, war diese von
einer erschreckenden Natürlichkeit, ein heimliches Grauen
empfand man vor unserer sonst so lieblichen Naiven!
Eine neue Probe ihrer Kunst! Gut waren auch Frau
Effner in der kurzen, leidenschaftlichen Rolle der Oberstin,
wie Herr Direktor als Oberst, ebenso der leidenschaftslose
unglückliche Forstadjunkt Rainer (Herr Renee). Herr
Karl Wald, der die Spielleitung mit kundiger Hand
führte, gab auch den Husarenoffizier in flottem und
sicheren Auftreten. Der Abend war sicher einer der
besten und gelungensten der heurigen Spielzeit und wir
können bei einer Wiederholung den Besuch nicht warm
genug empfehlen.
W. St.