19. Der Ruf des Lebens
27.SEPTLRSLNL318
Neue Zflricher Teihhus
Bekner Stadttheater. i. wl. Mit Goethes „Eg¬
ment“ nahm die neue Spielzeit ihren Anfang.
„Die Aufführung erfolgte zugunsten der National¬
spende und bedeutete als Ganzes gewertet einen
verheißungsvollen Beginn der gkünstlerischen
Tätigkeit unserer Schauspielkräfte,
Für die
sorgfältige und geschmackvolle Regie zeichnete Di¬
brachte das Theater Schnitzlers Drama „Der
Ruf des Lebens“, das nicht frei ist von
äußerlichen Bühneneffekten, wie sie sonst Schnitz¬
lers Sache nicht sind. Daneben fehlt es an psycho¬
logisch hervorragenden Beobachtungen keineswegs
und Gestalten wie der Arzt und Katharina sind
glänzende Vertreter Schnitzlerscher Art. Aber
gerade in der Hauptträgerin des Werkes, in Marie,
scheinen uns die seelischen Wandlungen, die der
Ruf des Lebens in ihr bewirken, keineswegs deut¬
lich genug motiviert. Das Stück hinterließ trotz
allen innern Mängeln dank einer vorzüglichen“
Wiedergabe einen großen Eindruck.
box 24/5
Knn
He Berner Stadttheater
Montag abend: Der Ruf des Lebens
von Arthur Schnitzler
di. Es tut einem weh, wenn man im dritten
Akt dieses Stückes an die beiden ersten denkt.
Denn der Dichter Schnitzler erhebt erst hier
seine Stimme, vorher hörte man hochstens einen
routinierten Bühnenschriftsteller und dachte sich
dabei der war allzuoft im Kino! Die einzigen
wirklich dichterisch gesehenen Gestalten sind der
Arzt und die in ihrer Sünden und in ihrer
Schönheit Maienblüte sterbende Katharina. Aber
auch ihre von echt Schnitzlerscher Wehmut über¬
hauchte Todesszene kann den Verfasser von der
Schuld der ersten Akte nicht freisprechen. Es ist
schier unglaublich, daß diesem in zarte Herbst¬
farben getauchten Schluß zwei Akte vorausgehen,
in denen die grobschlächtigsten Effekte schonungs¬
los aufeinander gehäuft werden, nicht einmal ge¬
mildert durch Geist oder Eigenart des Dialoges.“
Nein, dieses Stück ist kein echter Schnitzler und
man tut dem Dichter den besten Gefallen, wenn
man's ruhig zwischen den Seiten des Buches
schlummern läßt.
Die schauspielerisch dankbarste Figur ist die
Katharina. Franziska Gaab, eine echte Phan¬
tasie=Begabung, machte daraus ein zartes We¬
sen von jener schmerzlichen Holdheit, die an
Ophelia denken ließ. Die Künstlerin ist der dich¬
terischen Vision Schnitzlers sicher sehr nahe ge¬
kommen. Der Eindruck, daß es ein glücklicher
Griff war, der sie für unsere Bühne fand, hat
27.SEPTLRSLNL318
Neue Zflricher Teihhus
Bekner Stadttheater. i. wl. Mit Goethes „Eg¬
ment“ nahm die neue Spielzeit ihren Anfang.
„Die Aufführung erfolgte zugunsten der National¬
spende und bedeutete als Ganzes gewertet einen
verheißungsvollen Beginn der gkünstlerischen
Tätigkeit unserer Schauspielkräfte,
Für die
sorgfältige und geschmackvolle Regie zeichnete Di¬
brachte das Theater Schnitzlers Drama „Der
Ruf des Lebens“, das nicht frei ist von
äußerlichen Bühneneffekten, wie sie sonst Schnitz¬
lers Sache nicht sind. Daneben fehlt es an psycho¬
logisch hervorragenden Beobachtungen keineswegs
und Gestalten wie der Arzt und Katharina sind
glänzende Vertreter Schnitzlerscher Art. Aber
gerade in der Hauptträgerin des Werkes, in Marie,
scheinen uns die seelischen Wandlungen, die der
Ruf des Lebens in ihr bewirken, keineswegs deut¬
lich genug motiviert. Das Stück hinterließ trotz
allen innern Mängeln dank einer vorzüglichen“
Wiedergabe einen großen Eindruck.
box 24/5
Knn
He Berner Stadttheater
Montag abend: Der Ruf des Lebens
von Arthur Schnitzler
di. Es tut einem weh, wenn man im dritten
Akt dieses Stückes an die beiden ersten denkt.
Denn der Dichter Schnitzler erhebt erst hier
seine Stimme, vorher hörte man hochstens einen
routinierten Bühnenschriftsteller und dachte sich
dabei der war allzuoft im Kino! Die einzigen
wirklich dichterisch gesehenen Gestalten sind der
Arzt und die in ihrer Sünden und in ihrer
Schönheit Maienblüte sterbende Katharina. Aber
auch ihre von echt Schnitzlerscher Wehmut über¬
hauchte Todesszene kann den Verfasser von der
Schuld der ersten Akte nicht freisprechen. Es ist
schier unglaublich, daß diesem in zarte Herbst¬
farben getauchten Schluß zwei Akte vorausgehen,
in denen die grobschlächtigsten Effekte schonungs¬
los aufeinander gehäuft werden, nicht einmal ge¬
mildert durch Geist oder Eigenart des Dialoges.“
Nein, dieses Stück ist kein echter Schnitzler und
man tut dem Dichter den besten Gefallen, wenn
man's ruhig zwischen den Seiten des Buches
schlummern läßt.
Die schauspielerisch dankbarste Figur ist die
Katharina. Franziska Gaab, eine echte Phan¬
tasie=Begabung, machte daraus ein zartes We¬
sen von jener schmerzlichen Holdheit, die an
Ophelia denken ließ. Die Künstlerin ist der dich¬
terischen Vision Schnitzlers sicher sehr nahe ge¬
kommen. Der Eindruck, daß es ein glücklicher
Griff war, der sie für unsere Bühne fand, hat