II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 504

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19. Der Ruf des Lebens
nacht brachee die lange Dreue ins Wanten) bother die Küsine
des Fräuleins geliebt hat und diese jetzt einen Freund des Leut¬
nants liebt, daß auch dieser —
als Regimentskamerad
— tot¬
geweiht ist und die Kusine ebenfalls, weil tuberkulös — darf
man das nicht eine literarlsche Konstruktion nennen? Oder ist
es gar Kino? Und dann ist da noch ein älterer Arzt Schnitz¬
lerscher Prägung, der das Fräulein heimlich liebt und zugleich
der Freund des Bräutigams und späteren Ex=Bräutigams ist —
auch er kommt vom Schreibtisch, ebenso die Nachricht, daß das
Regiment der Todgrweihten sich wirklich opfert und nur einer
entrinnt, der sich dann freiwillig totschießt: es ist der Liebhaber
der tuberkulösen Kusine, die selbstverständlich auch stirbt. Und
nach so viel Literatur traut denn auch kein Mensch dem poctisch
gerafften Schluß, der den Ex=Bräutigam traurig abgehen läßt
(es wird ihm hoffentlich noch gut gehen, obgleich er Sätze sagt
wie „Menschen, die man einmal verloren hat, mit oder ohne
Schuld, kehren doch nur als Gespenster wieder, wenn auch ihre“
Wangen vom Leben glühen“) und den Arzt und das Fräulein
(„ich habe den Mut nicht gefunden, hinabzutauchen, wo die
ewige Stille ist“) auf neue Wege der Arbeit und des Opfers
sendet. Kein Einwand: dies sei ein gistiger Extrakt aus einem !
Theaterabend von zweielnhalb Stunden; es sind die zur Ver¬
handlung stehenden Tatsachen, die Schnitzler mühevoll ersand
mühevoll verband und — dafür ist er Schnitzler — mühelos mit *)
seinen und tiefen Worten garnierte. Es ist noch zu sagen, daß
Herr Neppach die schönen Dekorationen vergeblich gemalt und [)
das Personal unter Herrn Hellmers Führung sich vergeblich 9
geplagt hat. Es plagten sich u. a. Herr Henning (der den alten
Vater eindrucksvoll böse krächzte und nach dem 1. Aufzug heim¬ a
gehen durfte), Fr. Wissermann das liebe Mädel, gut in:5
der Verhaltenheit, aber die Bereitschaft auf den „Ruf in das er¬
sehnte herrliche Leben“ glaubte man ihr nicht), Herr F.
Schröder (ein efsektvoller Oberst mit sicherem Wort), Herr;
Kauer (der Arzt; verständig und klug, doch kein Ciseleur von
Schnitzlerschen Weisheiten), Frl. Staub (die als todgeweihte!
aber hitzigglühende Kusine zu viel Theater machte)
Herr
Umminger (der den Leutnant respektabel, doch nicht über¬
raschend spielte) Herr Eggers=Dechen (zu farblos in der
Rolle des Bräutigams) und die Damen Sieger (Marke liebe
Tante) und Sagan (Frau Oberst: heißes Blut und Haß).
Im ganzen: eine Aufführung mittleren Grades Das „Neue
Theater“ verdient Anerkennung, wenn es nach ernsteren Stücken
greist. Nur muß es dann auch die Künstler dafür haben. Und
die werden im Kriege rar sein.