II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 505

19. Der Ruf des Lebens
Sene Freie Preise, Wie¬
Theater= und Kunstnacheichten.
[Deutsches Volkstheater.] Schnitzlers „Der
„Ruf des Lebens“ ist heute nach längerer Pause, neu in Szene
gesetzt, wieder ausgenommen worden, jenes packende Schauspiel,
in dem tiefe dichterische Dinge neben dramatisch aufwärts streben¬
den Szenen und dicht neben Theatergrellheiten stehen. In diesem
Schicksal des jungen Mädchens, das den Vater tötet, um dem Ruf
des Lebens zu folgen, und in der Tragödie des todgeweihten Regi¬
ments und seiner Führer klingen alle Motive der Schnitzlerschen
Dichtung heftig zusammen: rascher Haß und rasche Liebe, jauch¬
zende Lebensbejahung und dazwischen der Todesreigen. Das
eigentlich Reizvolle ist aber boch das Oesterreichische darin; dieses
müßte man hier überall fühlen und es fehlt leider dieser sauberen,
korrekten und fleißigen, aber poesielosen Aufführung beinahe
ganz. Herr Goetz als der alte Moser ist von dieser osterreichischen
Schattierung entfernt, aber seine Figur ist mit allen Alters¬
nücken und stücken ungemein echt gesehen und ungemein echt
in jedem geringsten Charakterzug geformt. Fräulein Deuera
(Marie) gibt ihrer Gestalt die Herbheit einer Bauernmadonna;


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ihr fehlt das Impulsive, jenes nicht zu dämmende Blut, das sie
zur Tat und in die Arme des Geliebten treibt. Frau Erika
Wagner hat ihre gewohnt edeln Gesten, Herr Danegger
ist durch Schlichtheit sympathisch, Fräulein Rosenquist ge¬
legentlich leicht manieriert, Herr Weiner=Kahle von wirk¬
samer Kälte, Herr Onno von nicht minder wirksamem Feuer,
und alle bringen doch die Wirkung der Schnitzlerschen Welt nicht
hervor.)
juustieftes Wiener Extrablatt.
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Deutsches Volkstheater. Neu einstüdiert und
neu in Szeue gesetzt fänd gestern Altur Schnivlers
Schauspiel „Der Ru###des Lebens“ neuen
Beifall. Das Stück in auf scharfsnnig erklügelten
Bora Setzungen ungemein geistreich aufgebau, doch
erhebt sich das Gerüge dieser Szenen auf z
schwankem Grunde. Das leidige Thema ist uns seit¬
her unendlich fern abgerückt. Die Parhetik eines un¬
abläisig sich selbt beriegelnden milttärischen Helden¬
tums, eines Opfermutes ohne ersichtlichen Sinn.
Zweck und Verstand fröstrik uns heute nur an.
Das sind Ehrbegriffe
aus

weithisori¬
schen Rumpelkammer, Hildal os mit Raupenheimen.
Roenmontag fällt auf Aichermittwoch. Die Tar¬
stellung verhalf dem theatralich effektreichen seir
bühnengerechten Drama wenigstes zu kurtem Schein¬
leben, machte Unglaubwürdiges aunäbeind möglich,
ungefäht begretklich. Derr Götz stellte aes torkranker!
uralier Frigling, der schamlos biübende Jugend
über eben will ein schauspielerisches Meisterstück hin.
Das Bissige einer niedrigen Ich=Natur, die boshalte
Lust am Quälen kam prachtvoll heraus. Die
Damen Deuera, Rosenquist Thaller
und gan besonders Frau Erika Wa
r
bosen ihr Bestes. Feinstes. Ihnen reih en sich würdig
die Herren Teudler, Werner=Kahle,
Onno, Ehmann und Rehberger an. Herr
Danegger war heizich und einsach, men chlich.
alt=österreichisch. Man ließ ihn die jetzt nur icrmerzu
herumintrigieren und böewichtern — es steckt aber
aus eins sehr liebenswürdige Liebhaber=Nalur in
ihm. Dr. Bernbard Reichs Regie war-zeitecht und
#ttivoll biedermeierlich, als ob er sich vorher in Abalbert
Stifter eigens tief eingeleien hätte.
box 24/5
. APflt 1919
De M N1
Theater und Kunst.
## Deutsches Volkstheater. Neueinstudierung
von Schnitzlers „Der Rufdes Lebens“,
Spielleitung Dr. Bernhard Reich. — Zu Be¬
ginn des Krieges haben wir dieses Stück zum
letzten Male gesehen, jetzt, nachdem alles zu
Ende ist, zeigt man es uns wieder. Seltsam,
wie stark wir seine Kühnheiten, seine Auf¬
lehnungen gegen die Heldenlehre, in der wir
erzogen wurden, erst jetzt am stärksten emp¬
finden, da sie doch Gemeinplätze unseres Den¬
kens und Empfindens geworden sind. Das
Werk ist eines der tiefsten und edelsten des
Dichters, aber es hat auf der Bühne nie recht
Glück gehabt. Einem prachtvollen ersten Akt
folgt die Skizze eines Dramas und dann ein
kyrisch=philosophisches Nachspiel. Der letzte Akt
ist nichts als die Betrachtung eines Auftauchens
aus einem wilden Erlebnis. Ein feierliches
Begräbnis des Dramas mit hohem geistigen
Prunk. Das Werk, in dem jeder Akt ein
anderes Tempo, ja, einen anderen Stil haben
muß, ist schwer zu spielen und bedarf über¬
legener Sicherheit der Spielleitung. Die be¬
herrschende Reife fehlte diesmal und eine Fehl¬
besetzung verstärkte immer die andere. Die Rolle
des alten Moser — die bei der Berliner Erst¬

aufführung Marr spielte — war der Güte und
Weichheit des Herrn Goetz anvertraut, während
sie Herrn Forest oder Herrn Werner=Kahle
gehört, der sich ebenso redlich mit dem Obersten
abquälte (in Berlin Bassermann), der Herrn
Homma verlangt hätte; die Irene spielte Frau
Wagner; hier wäre Frau Carlsen besser am
Platze gewesen. Der Max war an Herrn
Onno statt an Edthofer gekommen. Fräulein
Denera verraunzte die Marie (in Berlin
Frau Triesch) rettungslos, da hätte man sich
eher noch für Fräulein Woiwode entscheiden
sollen, während die Katharina, mit der Fräulein
Rosenquist nichts anzufangen wußte, nach
Fräulein Keller schrie. Auch Herr Tänbler!
fühlte sich als Arzt (in Berlin Reicher) nicht
wohl. Gut war Herr Rehbergir als
Albrecht, sehr anständig Herr Danegger
in der undankbaren Rolle des Försters, die in
Berlin Rittner wider Willen spielen mußte.
Die beiden ersten Akte fanden st den Bejfall¬
der dritte, schwächste und dichterisch werkbollste,
fiel wie immer auch diesmal-ab.