19. Der Ruf des Lebens
EBAPR 1979
Rontogs-Biel (ubl. Hiath nien
20 7
Theäter und Kunst.
(Deutsches Volkstheater.) Schnitzlers „Der Ruf der
Lebens“ neuinszeniert Ueber das Stua selbst muß heute nicht
mehr gesprochen werden: Eros=Thanatos, gerade an diesem
Dichter wie Karyatiden als Pfeiler vor sein dramatisches Ge¬
bäude gestellt, find hier wieder mit allen feelenkundlichen Fein¬
heiten als Geschwister beleuchtet. Interessant war diesmal bloß
die neue Besetzung und die —tieß leider manchen Wunsch un¬
erfüllt. Frl. Denexa in der Rolle, die einst die Wagner gespielt,
ist — man verzeihe die Derbheit: eine „fade Raunzen“, wo blieb
der innere Zwang zu ihrem Tun, das Erdgeist=triebhafte? Herr
Götz gab das Klischee des feigen Egoisten, aber nicht mehr, die
anderen waren — Erika Wagner und Danegger ausgenommen
— kaum mehr als guten Willens. Dr. Bernhard Reich aber —
was nächstens noch zu begründen sein wird ist als Regisseur
kein Gewinn für diese Bühne.
28 4OD 107
Woner Mörtage Jontmat, Wien
Theater, Kunst und Literatur.
(Deutsches Volksthester.) Schni#leRuf des Le¬
bens“ ist durch das lange Ablagern nicht transitiver geworden.
Die Handlung steckt in den Tiesen der zügellosen Leidenschaf¬
tei, welche angeblich den Ruf des Lebens bedeuten sollen, im
Grunde aber doch nur menschliche Verwirrungen sind und nicht
als These gelten können. Dazu arbeitet das Stück mit allzu
grellen Wirkungen, die man seither an Schnitzler nicht mehr
gewöhnt ist, man hat das Gefühl, als ob es gar kein Schnitzler!
wäre und freut sich, daß der Dichter inzwischen mäßiger ge¬
worden ... Die Aufführung wird den Vorzügen des Stückes
nur teilweise gerecht. Frl. Denera, in der zweifellos uner¬
füllte Hoffnungen schlummern, hat zu wenig Weichheit für den
leidenschaftlichen Genußcharakter der Marie, die sympathische
junge Tame muß viel Schule abstreifen, um sicherer zu wer¬
den. Herr Onno ist als lebenskurzer Stürmer ganz in
seinem Element. Da, wo er nicht zu tragen braucht, ist er
immer gut. Fr. Wagner gab die Oberstin warm und lei¬
denschaftlich edel, Herr Werner Kahle den Obersten gar
zu „hundeschnäuzig“ kält. Die Herren Götz, Täubler und
Dannegger, die Damen Thaller und Rosenquist
waren ganz am Platz. Das Publikum jubelte, wie es immer
jubelt, wenn es nicht skandaliert ...
box 24/5
Hemeide Eitung
28 APAID 14919
Wien.
0
„Der Ruf des Lebens“ von
Schnitler
Im Deutschen Volkstheater neuinszeniert¬
Schnitzpers „Ruf des Lebens“
schauspiellrischneu hergerichtet (Regie D Reich).
D#e Aufführlng seinerzeit hatte auch land¬
schaftliche und Dialektreize, die am Samstag
nur geistige Stimmung. Was wahrscheinlich
von des Schauspielern herkommt, die bei
Pernast spirituelleres Theater gewohnt, als"
infder früheren Generation üblich. Herr
GGö8 leiht den tyrannischen durch Kriegs¬
erinherungen gewürzten Lamentationen des
alten Vater=Majors seine nie versagende
Menschenstimme und Fräulein Deneras
für Ottegebe Hilfsdienst stets parates Mädchen¬
tum eignet sich auch für Schnitzlersche Ver¬
liebtheiten. Fräulein Rosenquist gibt
den Sterbephantasien der Schwindsüchtigen
zärtlich=rührende Moderfarbe und Fräulein
Wagner spielt die Frau des Obersten mit
einer Tamen=Leibenschaftlichkeit, die Feuer,
aber geringe Flamme lat. In der Figur ist
auch etwas wie: kühl bis ans Decoleré. Herrn
Werner Kahles seriöst, keinen Spaß ver¬
stehende Männlichkeit bot für die unmomentische.
vom Glanz der Oberstuniform verdüsterte
Lebensau fassung die geeignete Unter=Null¬
Temperatur. Herr Onno ist der in den
sicheren Tod galoppierende Verführer=Offizier.
Ohne die übliche Don Juan=Gloriole aus
Seidenpapier weiß er den Glauben um sich
zu breiten, daß er trotz vielen Herzen die ihm
zu Füßen solch eines Heldenspasses fähig ist.
Sind doch seine Theatermenschen dem Toy
immer einen Zoll näher als irdischen, Unzer¬
ee
haltungen.—
1378
Aittagspost Wien
Deutsches Volkstheater.
„Der Ruf des Lebens.“ Drei Akte von
Artur Schnitzler. Neuinszeniert von Dr. Bernharb
Reich. — Ich weiß, ich weiß, es stimmt so manches nicht
in diesem schwächeren der Schnitzlerischen Werke. Es
werden Erwartungen erregt, die nicht erfüllt werden, es
treten Ereignisse ein, die wir nicht erwartet haben. Die
Kansalität des Geschehens ist durchlöchert, wir hören
eine Ballade von Tod und Leben, wir sehen einen Mücken¬
tanz ums tödliche Licht, aber da ist ein erster Akt, den
man nicht vergißt, da sind im zweiten Akt ein paar
Szenen, die am tiefsten rühren, da sind im dritten Akt
ein paar Worte aus einem schmerzlichen Begreisen, alles
Meni#liche gütig emporgeholt — der Abend ist nicht
ver trotz aller Mängel des Werkes. Die Männer
des Stückes allen voran Herr Götz, als der Sterbende
mit dem Lebenshunger und dem krassen Egoismus des
Kranken, entwickelten eine Fülle von Charakteristik.
Herr Onno menschlicher als jemals und deshalb ergrei¬
fender als sonst, trefflich die Herren Rehberger, Werner¬
Kahle und Täubler, etwas schwächer die Frauen, am
besten Frau Erika Wagner. Es fehlte nicht an Beifall.
Wienerisch wirkte dieses Stück nicht, konnte auch nicht so
wirken, das macht schon vor allem die sublimierte.—
Schnitzlerische Sprache unmöglich, die auf Stilwirkun¬
gen ausgehend, die Geschehnisse mit Bewußtsein in eine
höhere Tonlage transponiert. Damit hatte „sich auch,
F. D.
der Regisseur abzufinden.
EBAPR 1979
Rontogs-Biel (ubl. Hiath nien
20 7
Theäter und Kunst.
(Deutsches Volkstheater.) Schnitzlers „Der Ruf der
Lebens“ neuinszeniert Ueber das Stua selbst muß heute nicht
mehr gesprochen werden: Eros=Thanatos, gerade an diesem
Dichter wie Karyatiden als Pfeiler vor sein dramatisches Ge¬
bäude gestellt, find hier wieder mit allen feelenkundlichen Fein¬
heiten als Geschwister beleuchtet. Interessant war diesmal bloß
die neue Besetzung und die —tieß leider manchen Wunsch un¬
erfüllt. Frl. Denexa in der Rolle, die einst die Wagner gespielt,
ist — man verzeihe die Derbheit: eine „fade Raunzen“, wo blieb
der innere Zwang zu ihrem Tun, das Erdgeist=triebhafte? Herr
Götz gab das Klischee des feigen Egoisten, aber nicht mehr, die
anderen waren — Erika Wagner und Danegger ausgenommen
— kaum mehr als guten Willens. Dr. Bernhard Reich aber —
was nächstens noch zu begründen sein wird ist als Regisseur
kein Gewinn für diese Bühne.
28 4OD 107
Woner Mörtage Jontmat, Wien
Theater, Kunst und Literatur.
(Deutsches Volksthester.) Schni#leRuf des Le¬
bens“ ist durch das lange Ablagern nicht transitiver geworden.
Die Handlung steckt in den Tiesen der zügellosen Leidenschaf¬
tei, welche angeblich den Ruf des Lebens bedeuten sollen, im
Grunde aber doch nur menschliche Verwirrungen sind und nicht
als These gelten können. Dazu arbeitet das Stück mit allzu
grellen Wirkungen, die man seither an Schnitzler nicht mehr
gewöhnt ist, man hat das Gefühl, als ob es gar kein Schnitzler!
wäre und freut sich, daß der Dichter inzwischen mäßiger ge¬
worden ... Die Aufführung wird den Vorzügen des Stückes
nur teilweise gerecht. Frl. Denera, in der zweifellos uner¬
füllte Hoffnungen schlummern, hat zu wenig Weichheit für den
leidenschaftlichen Genußcharakter der Marie, die sympathische
junge Tame muß viel Schule abstreifen, um sicherer zu wer¬
den. Herr Onno ist als lebenskurzer Stürmer ganz in
seinem Element. Da, wo er nicht zu tragen braucht, ist er
immer gut. Fr. Wagner gab die Oberstin warm und lei¬
denschaftlich edel, Herr Werner Kahle den Obersten gar
zu „hundeschnäuzig“ kält. Die Herren Götz, Täubler und
Dannegger, die Damen Thaller und Rosenquist
waren ganz am Platz. Das Publikum jubelte, wie es immer
jubelt, wenn es nicht skandaliert ...
box 24/5
Hemeide Eitung
28 APAID 14919
Wien.
0
„Der Ruf des Lebens“ von
Schnitler
Im Deutschen Volkstheater neuinszeniert¬
Schnitzpers „Ruf des Lebens“
schauspiellrischneu hergerichtet (Regie D Reich).
D#e Aufführlng seinerzeit hatte auch land¬
schaftliche und Dialektreize, die am Samstag
nur geistige Stimmung. Was wahrscheinlich
von des Schauspielern herkommt, die bei
Pernast spirituelleres Theater gewohnt, als"
infder früheren Generation üblich. Herr
GGö8 leiht den tyrannischen durch Kriegs¬
erinherungen gewürzten Lamentationen des
alten Vater=Majors seine nie versagende
Menschenstimme und Fräulein Deneras
für Ottegebe Hilfsdienst stets parates Mädchen¬
tum eignet sich auch für Schnitzlersche Ver¬
liebtheiten. Fräulein Rosenquist gibt
den Sterbephantasien der Schwindsüchtigen
zärtlich=rührende Moderfarbe und Fräulein
Wagner spielt die Frau des Obersten mit
einer Tamen=Leibenschaftlichkeit, die Feuer,
aber geringe Flamme lat. In der Figur ist
auch etwas wie: kühl bis ans Decoleré. Herrn
Werner Kahles seriöst, keinen Spaß ver¬
stehende Männlichkeit bot für die unmomentische.
vom Glanz der Oberstuniform verdüsterte
Lebensau fassung die geeignete Unter=Null¬
Temperatur. Herr Onno ist der in den
sicheren Tod galoppierende Verführer=Offizier.
Ohne die übliche Don Juan=Gloriole aus
Seidenpapier weiß er den Glauben um sich
zu breiten, daß er trotz vielen Herzen die ihm
zu Füßen solch eines Heldenspasses fähig ist.
Sind doch seine Theatermenschen dem Toy
immer einen Zoll näher als irdischen, Unzer¬
ee
haltungen.—
1378
Aittagspost Wien
Deutsches Volkstheater.
„Der Ruf des Lebens.“ Drei Akte von
Artur Schnitzler. Neuinszeniert von Dr. Bernharb
Reich. — Ich weiß, ich weiß, es stimmt so manches nicht
in diesem schwächeren der Schnitzlerischen Werke. Es
werden Erwartungen erregt, die nicht erfüllt werden, es
treten Ereignisse ein, die wir nicht erwartet haben. Die
Kansalität des Geschehens ist durchlöchert, wir hören
eine Ballade von Tod und Leben, wir sehen einen Mücken¬
tanz ums tödliche Licht, aber da ist ein erster Akt, den
man nicht vergißt, da sind im zweiten Akt ein paar
Szenen, die am tiefsten rühren, da sind im dritten Akt
ein paar Worte aus einem schmerzlichen Begreisen, alles
Meni#liche gütig emporgeholt — der Abend ist nicht
ver trotz aller Mängel des Werkes. Die Männer
des Stückes allen voran Herr Götz, als der Sterbende
mit dem Lebenshunger und dem krassen Egoismus des
Kranken, entwickelten eine Fülle von Charakteristik.
Herr Onno menschlicher als jemals und deshalb ergrei¬
fender als sonst, trefflich die Herren Rehberger, Werner¬
Kahle und Täubler, etwas schwächer die Frauen, am
besten Frau Erika Wagner. Es fehlte nicht an Beifall.
Wienerisch wirkte dieses Stück nicht, konnte auch nicht so
wirken, das macht schon vor allem die sublimierte.—
Schnitzlerische Sprache unmöglich, die auf Stilwirkun¬
gen ausgehend, die Geschehnisse mit Bewußtsein in eine
höhere Tonlage transponiert. Damit hatte „sich auch,
F. D.
der Regisseur abzufinden.