II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 509

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19. Der Ru#des Lebens
Warm Aulage-Zestung
W

Die Herren Werner=Kahle, Rehberger und Eh¬
mann lieferten mit den einfachsten Mirkeln und
in anspruchslosester, dafür aber=umso wirk¬
Theatern
samerer Form scharf umrissene, lebenswahre
Gestalten. Die anderen kläsierten dort, wo sie
Innigkeit oder Ergriffesheit, und brüllten oder
der biedershll
freischten, wo sie Erregung und Leidenschaft
ausbrücken sollten. Den verraterischen, tückischen
Seit der Revolütion, die wenignens formell
Rauhbein Moser dem vortrefflichen Goetz auf¬
gewisse jener entwürdigenden Schranken beseitigte,
zuzwingen, war, gelinde gesagt, Unvernunft.
vie sie während des früheren Reg mes leider
äußere oder innere
Welche Eigenschaft —
uuch für die Kunst und deren Jünger maßgebend
sollte Goetz für diese Partie mitbringen? Mit
zewesen, ist Schnitzler in die Mode gekommen.
der Art Fräulein Deneras kann man sich beim
Besouders das Deutsche Volkstheater nimmt sich
besten Willen nicht befreunden. Ihre Mimik ist
i Gegensatz zum Burgtheater, das jetzt beinahe
überaus eindrucksvoll und echt, aber das langt
ausschließlich in Extremen arbeitet. Schnitz ers
günstigsten Falles für den Film. Als Sprecherin
#ifrig an. Nach dem „Pro#essor Bernharti“, der
enttauscht sie immer mehr, und auch ihre Auf¬
ein Sensationserfolg war, ertönt abermais der
fassung steht in sonderbarem Widerspruche zu
„Stuf des Lebens“, fieilich mit um so weniger
Geist und Bildung der Rolle. Fräulein Rosen¬
Anwartschaft, vom breiten Publitum gehört zu
quist und Frau Thaller fanden stellenweise die
werden, ais dieses Drama nicht von der Zenfur
richtige Distanz, Frau Wagner schrie eine
verboten war, somit einer primitiven Voraus¬
Episode in Grund und Boden, starb aber mit
ietzung revolutionäter und frisch-republitanischer
Geschick und Anstand. Herr Onno paßte für den
Theuterekfordernisse nicht entspricht.
jungen Reiteroffizier so wie Herr Goetz für den
„Schnitzler hat das dreiattige Schauspiel im
alten. Die Herren Danegger und Teubler über¬
1905 veröffentlicht und es Hermann Bahr
schäumten von Edelmut, Entsagung und Ver¬
#aewidmet, der damals noch Hermann Bahr war;
ständnis. Es war jedoch kein Sekt, sondern nur
die Uraufführung fand im Jahre 1906 im
Soda mit Zitrone oder Himbeer. Die Regie
Berliner Lessing=Theater statt. In Wien sah man
führte Dr. Bernhard Reich arm. Das Pferde¬
das Stück zum erstenmal im Deuischen Volls¬
getrappel beim Vorbeimarsch der blauen Küras¬
heater, und zwar in einer Be etzung, die erinnert
siere z. B. erinnerte bald an das Geräusch beim
#man sich ihrer in unseren Tagen, nur Wehmut
„Anmäuerl“=Spiel unserer Straßenjugend, bald
uslöst, da sie ziemlich brutal leort, welche
an eine Demonstration von Backfischen oder
Künstter Wien seither anscheinend unwiderbring¬
Ehrenjungfrauen mit hochbestöckelten Schuhen.
lich verloren hat.
Das Publikum zollte dem illustren Dichter
„Der Ruf des Lebens“ der die Probleme
respektvoll-kühlen Beifall. Schnitzler unterwarf
des Sich=Auslebens, des Lebens überhaupt und
sich dem Klatsch= und Johlterror einiger tyran¬
der fortzeugend Böses gebälenden bösen Tat
nischer Stehparterreler nicht; er blieb unsichtbat
ziemlich weitschweifig, mit peinlich deutlicher
Nun werden die Erbosten gewiß einen Steh¬
Effekthascherei, ermüdender philosophisch=theoreni¬
parterrergt einnichten und das nächstemal Buda¬
scher Dia ogführung und in oft unbegreiflich
„pester-Klnstmethoden anwenden.
schwulstiger Sprache entrollt, fällt in jene Perrode¬
Dr. Alexander Salkinde“
des poctischen Schaffens Schnitzlers, da der Dichter

sein ureigenes Gebiet verlassen hatte und ins
mustisch= verschwommene Revier der „Neuen“
pieschen ging. Glücklicherweise hat der Jagd¬
ausflug nicht lange gedeuert, und Schnitzler fand
bald wieder heim ..
Die neue Besetzung des Dramas hat die
frühere, und namentlich jene bei der Premiere
in Berlin, doppelt schmerzlich vermissen lassen.
Es war geradezu unerquicklich, zumal nur eine
in der Tat hervorragende Darstellung diesem
Stück zu Publikumswirkung zu verhelfen ver¬
möchte. Um mit der Anerkennung zu beginnen: