d
D
19. Der RiL
29 4phll 1319
Konktat- Weiniat. Vin
Theater, Kunst und Musik.
Deutsches Volksthegter. Schnitzlers Schauspiel „Ver¬
Ruf des Lebens“ zählt irezneden besten Arbeiten
des Dichters. Eine schöne Idee wird hier unter einem
Berg von Schauerlichkeiten erdrückt. Im ersten Alt ver¬
giftet die Tochter den Vater, im zweiten erschießt ein
Oberst seine Frau und läßt ein ganzes Regiment in den
Tod reiten, um seine Ehre an dem Lentnant, der ihm die
Hörner aufgesetzt hat, zu rächen und im dritzen hat sich
der Leutuant und ein Kamerab erschossen und eite Tochter.
die sich prostituiert hat, um das Leben zu „genießen“,
kehrt krank heim, um zu sterben. Von elf handelnden
Personen sind, wenn der Vorhang zum letztenmal fällt,
vier tot. Das muß selbst dem anspruchsvollsten Gale#s
besucher genügen. Wenn man diese blutrünstigen drei Akte
an sich vorüberziehen läßt, ist es, als ob man in einem
alten Krakauer Kalender blättern und die Illustrationen
zu einer rührsamen Geschichte betrachten würde, zumal auch
ein „Forstadjunkt“ vorkommt, der dort nie fehlt. Das
Beste an dem Stück ist der erste Akt, in dem etwas vor¬
gehl, was dem Zuhörer ans Herz greift; aber von da an
geht's unrettbar abwärts und die wenigen schönen Momente,
die auftauchen, rücken den Theaterkitsch des Uebrigen nur
noch in grelleres Licht. Die Darstellung tat alles, um die
Schwächen des Stückes zu übertünchen. Speziell Herr
Goetz syielte im ersten Akt den alten Rittmeister, der
totkrank am Leben hängt und seine Umgebung quält, gro߬
artig. Im zweiten Alt bildeten Herr Onno und Frau
Erika v. Wagner ein leidenschafterfülltes Duett und
neben den Genannten bemühten sich die Damen Deuera,
Rosenquist und Thaller und die Herren Dan¬
egger, Teubler, Werner=Kahle und Reh¬
berger mit dem Einsatz ihrer genzen künstlerischen Kraft
um die andern Rollen.
treu-
box 24/5
Der Neun Tag Wien.
Deutsches Volkstheater.
„Der Ruf des Lebens“, ein Schau¬
spiel von Artur Schnitzlerist. in dem Jahr¬
zehnt, seit man es zum erstenmal gesehen,
poetisch recht sehr abgemagert. Unter der schlaff
gewordenen dichterischen Polsterung zeichnet sich
das theatralische Skelett mit erschreckender
Schärse ab. Der Aufwand an Tod und Mord
hat was Nestroyisch Splendides. Schwindsucht,
Ehre, Melancholie, Liebe, Gift und Revolver,
Zapsenstreich und Blüten im Haar: en wird
üppig gewirtschaftet in diesem bürgerlichen
Trauerspiel. Larmoyanies versteckt sich hinter
Brutalitäten, Theatereffekt hinter, Wortge¬
zärtel, das heutigen Ohren so dünn und schnörke¬
lig klingt, als käm' es aus einer alten Spieldose.
Und was ist das Produkt solcher Paarung von
Kraft und Milde? Stimmung! Traurige, schöne,
genußreich=wehmütige Stimmung. Bei Schnitz¬
ler duften die Friedhöfe, und der Ruf des
Lebens hat Viola=Timöre. — Jetzt spielt Herr
Orno den Lentnant Max. Es ist nicht gerade
seine Rolle, aber er füllt mit der schönen In¬
brunst seines Tons und Wesens die knappe
Bühnenviertelstunde dieses vom Tod glacierten
Liebhabers. Fr. Wagner ist die meteorgleich
erscheinende sündige Obristin. Sie flammt und
verlöscht vortrefflich. Frl. Rosenquist spielt
das lebenshungrig-phtysische Mädchen, die Motte,
die gebannt ums Dunkel schwirrt. Ihre
huschende, lautlose Fröhlichkeit hat was Rühren¬
des. Frl. Denera ist für die leidenschaftliche
Helhin des Stückes, für das bittersüße Mädel,
doch um einiges zu streng und herb. Eine her¬
vorragende Leistung der „alte böse Mann“ des
Herrn Götz. Man mochte in manchem Augen¬
blick an Oskar Sauer denken. Herr Werner¬
Kahle mim. den unheimlichen Obristen. Ein¬
fachheit ist schon recht, aber so trocken-spröd
lassen sich derlei tragische Sachen doch kaum er¬
ledigen. Dieser Oberst knallt seine Frau so à
propos nieder, mit einem solchen Phlegma —
ich glaube, beim Scheibenschießen könnte er nicht
anders sein. Grad, daß er nicht nachher jodelt.
a. P.
D
19. Der RiL
29 4phll 1319
Konktat- Weiniat. Vin
Theater, Kunst und Musik.
Deutsches Volksthegter. Schnitzlers Schauspiel „Ver¬
Ruf des Lebens“ zählt irezneden besten Arbeiten
des Dichters. Eine schöne Idee wird hier unter einem
Berg von Schauerlichkeiten erdrückt. Im ersten Alt ver¬
giftet die Tochter den Vater, im zweiten erschießt ein
Oberst seine Frau und läßt ein ganzes Regiment in den
Tod reiten, um seine Ehre an dem Lentnant, der ihm die
Hörner aufgesetzt hat, zu rächen und im dritzen hat sich
der Leutuant und ein Kamerab erschossen und eite Tochter.
die sich prostituiert hat, um das Leben zu „genießen“,
kehrt krank heim, um zu sterben. Von elf handelnden
Personen sind, wenn der Vorhang zum letztenmal fällt,
vier tot. Das muß selbst dem anspruchsvollsten Gale#s
besucher genügen. Wenn man diese blutrünstigen drei Akte
an sich vorüberziehen läßt, ist es, als ob man in einem
alten Krakauer Kalender blättern und die Illustrationen
zu einer rührsamen Geschichte betrachten würde, zumal auch
ein „Forstadjunkt“ vorkommt, der dort nie fehlt. Das
Beste an dem Stück ist der erste Akt, in dem etwas vor¬
gehl, was dem Zuhörer ans Herz greift; aber von da an
geht's unrettbar abwärts und die wenigen schönen Momente,
die auftauchen, rücken den Theaterkitsch des Uebrigen nur
noch in grelleres Licht. Die Darstellung tat alles, um die
Schwächen des Stückes zu übertünchen. Speziell Herr
Goetz syielte im ersten Akt den alten Rittmeister, der
totkrank am Leben hängt und seine Umgebung quält, gro߬
artig. Im zweiten Alt bildeten Herr Onno und Frau
Erika v. Wagner ein leidenschafterfülltes Duett und
neben den Genannten bemühten sich die Damen Deuera,
Rosenquist und Thaller und die Herren Dan¬
egger, Teubler, Werner=Kahle und Reh¬
berger mit dem Einsatz ihrer genzen künstlerischen Kraft
um die andern Rollen.
treu-
box 24/5
Der Neun Tag Wien.
Deutsches Volkstheater.
„Der Ruf des Lebens“, ein Schau¬
spiel von Artur Schnitzlerist. in dem Jahr¬
zehnt, seit man es zum erstenmal gesehen,
poetisch recht sehr abgemagert. Unter der schlaff
gewordenen dichterischen Polsterung zeichnet sich
das theatralische Skelett mit erschreckender
Schärse ab. Der Aufwand an Tod und Mord
hat was Nestroyisch Splendides. Schwindsucht,
Ehre, Melancholie, Liebe, Gift und Revolver,
Zapsenstreich und Blüten im Haar: en wird
üppig gewirtschaftet in diesem bürgerlichen
Trauerspiel. Larmoyanies versteckt sich hinter
Brutalitäten, Theatereffekt hinter, Wortge¬
zärtel, das heutigen Ohren so dünn und schnörke¬
lig klingt, als käm' es aus einer alten Spieldose.
Und was ist das Produkt solcher Paarung von
Kraft und Milde? Stimmung! Traurige, schöne,
genußreich=wehmütige Stimmung. Bei Schnitz¬
ler duften die Friedhöfe, und der Ruf des
Lebens hat Viola=Timöre. — Jetzt spielt Herr
Orno den Lentnant Max. Es ist nicht gerade
seine Rolle, aber er füllt mit der schönen In¬
brunst seines Tons und Wesens die knappe
Bühnenviertelstunde dieses vom Tod glacierten
Liebhabers. Fr. Wagner ist die meteorgleich
erscheinende sündige Obristin. Sie flammt und
verlöscht vortrefflich. Frl. Rosenquist spielt
das lebenshungrig-phtysische Mädchen, die Motte,
die gebannt ums Dunkel schwirrt. Ihre
huschende, lautlose Fröhlichkeit hat was Rühren¬
des. Frl. Denera ist für die leidenschaftliche
Helhin des Stückes, für das bittersüße Mädel,
doch um einiges zu streng und herb. Eine her¬
vorragende Leistung der „alte böse Mann“ des
Herrn Götz. Man mochte in manchem Augen¬
blick an Oskar Sauer denken. Herr Werner¬
Kahle mim. den unheimlichen Obristen. Ein¬
fachheit ist schon recht, aber so trocken-spröd
lassen sich derlei tragische Sachen doch kaum er¬
ledigen. Dieser Oberst knallt seine Frau so à
propos nieder, mit einem solchen Phlegma —
ich glaube, beim Scheibenschießen könnte er nicht
anders sein. Grad, daß er nicht nachher jodelt.
a. P.