d
19. Der Ruf Lebens
Swienel Mntag, Wien
Deutsches Volkstheater. „Der Ruf des Lebens“
ist eine der schwächsten Arbeiten Schnitzlens. Die roman¬
haften Motive des Stückes und seine ganze Stellung zu Leben
und Sterben gehen über Geschmack und Horizont des Bour¬
geois nicht hinaus; gänzlich aus dessen Perspektiben auf
Krieg und Soldatentod ist es ersonnen, wenn da ein Regiment
ins Feld geht, dessen Offiziere eine Schuld aus einem längst
verjährten Feldzug mit ihrer aller Untergang zu sühnen be¬
schlossen. Und rechte Kost für den Bourgeois die daraus zu
folgernde dringliche Liebesgeschichte mit zwei dringlichen Mord¬
taten. Schnitzler Shatte schon viele bessere Einfälle, wanche¬
minder papierene Figuren als in diesem Stück; freilich nirgands
auch ein weiterer Weltgefühl als das des kalbadernden Naison¬
neurs, der nur die ärztliche Gewißheit hat: „daß wir leben“.
Se
Kein Grund, an dem Stück irgend festzuhalten. Weder
für die Zuschauer noch ####r die Schauspieler: denn die
Rollen versprechn viel und halten nichts. Gute Kräfte waren
im, Volkstheater eingesetzt: Götz gibt den todkranken Alten,
der nicht sterben kann, Onno hat prächtige Haltung als
junger Leutnant, Erika Wagner kommt, lodernd, klang¬
voll, für einen kurzen Auftritt auf die Bühne. Fräusein
Denera und Fräulein Rosenquist als die zwei lebens¬
durstigen Mädchen, verfügen beide nur über begrenzte Mittel.
Was Fräulein Denera an dramatischer und wohllautender
Kraft mangelt, befähigt sie wieder, Sanftes, still nach innen
Leuchtendes zu geben; sie darf nicht dahin gestellt werden,
wo die Leidenschaft über sie zusammenschlagen soll. Fräulein
Rosenquist ist Leider nicht ohne Ziererei. Der so vortreffliche
Werner=Kahle gab den Oberst az aus Pappendeckel,
wie er in der Rolle steht. Sehr romisch wirkte es, daß
er mit unbedecktem Haupte salutierte. Sollen wir's glauben?
Jetzt haben wir so einen schönen, großen Weltkrieg gehabt
und so ein Regisseur hat ihn nicht benützt, für seiz Metier
An. M.
ein bisserl militärische Dinge zuzuleinen.
Hanpristische Blätter, Wien
I V. 1919
„Der RufdesLebens“ ist eines
der schwächeren Stücke Artur Schnitzlers.
Das Problem ist wohl mächtig genug: Das Recht
des jungen Lebens gegenüber dem welkenden,
das nur autoritär wirkt und doch die Jugend
niederdrücken kann.
Aber die Ausführung ist schwächlicht
und nicht überzeugend.
Die Inszenierung und Darstellung img
Deutschen Volkstheater verdienen
alles Lob.
box 24/5
Der Humorist, Wien
9
(Deutsches Volkstheater.) In diesem Theater, wo
AArturt Schnitzler immer eine akustische Tribüne fand, von der
er zu seinten Wiessern sprechen konnte, wurde „Der Ruf des
Lebens“ neu einstudiert und von Dr. Bernhard Reich neu
inszeniert, herausgebracht. Das Stück, das nur mit milden
Tönen an den Begriff der soloatischen Tugend, des Opferns „für
Kaiser und Vaterland“ zu rühren wagt, erscheint uns heute
weit zurückliegend an der Strecke, die wir seit dem 12. No¬
vember zurückgelegt haben! Würde Schnitzler heute dieses
Problem behandeln, er fände wohl kräftigere Worte. Nichts¬
destoweniger übt das Schauspiel auch heute noch mit seinen
von der späteren Schreibart des Dichters so abweichenden rea¬
listischen Vorgängen, seine volle Wirkung auf die Zuhörer; zumal
wenn eine wohl vorbereitete Aufführung, wie es die am 26. v. M.
war, lebende und verstandene Menschen schafft. Vor allem
die drei so verschiedenen Frauengestalten: Marie Frl. Denera,
in ihrer Herbheit und ihrem anklagenden Weh, Katharina—
Frl. Rosenquist, von ergreifender Haltung im jähen Abbruch
ihrer Lebenslust, Irene, die Oberstensgattin Frl. Wagner,
mit all den Verführungskünsten einer gefährlichen Frau. —
Herr Götz, der den alten bösartigen Moser geradezu un¬
übertrefflich darstellte, Onno als junger Leutnant, Herr Reh¬
berger als sein Kamerad, nicht minder aber Herr Teubler,
dessen pastoses Organ der Nolle des väterlichen ärztlichen
Freundes besonders zustatten kam, sie alle halfen das Stück
tragen. Auch Frau Thaller, die Herren Danegger und Ehmann
vervollständigten zum Besten das Bild. Völlig unmäglich war
nur Herr Werner=Kahle, der den altösterreichischen Oberst in
knarrendem Preußisch mimte und auch, sonst nicht ahnte, was
der Dichter mit dieser Figur wollte.
Dr. B. S.
Wien, I., Soneoruipra
Die Bombe, Wien
1. 1919—
Im Deutschen Volkstheater „Der Ruf
des Lebens“ von Artur Schnitzlef.
Ein wertvolles Werk, welches trotz der Be¬
deutung seines Themas (Recht der Jugend) im
Publikum keine nachhaltige Wirkung erzielt.
Manche Kraßheiten der Handlung tragen
daran die Schuld, überdies sind einige Figuren
nicht genügend herausgearbeitet.
Die Därsteller blieben dem Dichter nichts
schuldig
19. Der Ruf Lebens
Swienel Mntag, Wien
Deutsches Volkstheater. „Der Ruf des Lebens“
ist eine der schwächsten Arbeiten Schnitzlens. Die roman¬
haften Motive des Stückes und seine ganze Stellung zu Leben
und Sterben gehen über Geschmack und Horizont des Bour¬
geois nicht hinaus; gänzlich aus dessen Perspektiben auf
Krieg und Soldatentod ist es ersonnen, wenn da ein Regiment
ins Feld geht, dessen Offiziere eine Schuld aus einem längst
verjährten Feldzug mit ihrer aller Untergang zu sühnen be¬
schlossen. Und rechte Kost für den Bourgeois die daraus zu
folgernde dringliche Liebesgeschichte mit zwei dringlichen Mord¬
taten. Schnitzler Shatte schon viele bessere Einfälle, wanche¬
minder papierene Figuren als in diesem Stück; freilich nirgands
auch ein weiterer Weltgefühl als das des kalbadernden Naison¬
neurs, der nur die ärztliche Gewißheit hat: „daß wir leben“.
Se
Kein Grund, an dem Stück irgend festzuhalten. Weder
für die Zuschauer noch ####r die Schauspieler: denn die
Rollen versprechn viel und halten nichts. Gute Kräfte waren
im, Volkstheater eingesetzt: Götz gibt den todkranken Alten,
der nicht sterben kann, Onno hat prächtige Haltung als
junger Leutnant, Erika Wagner kommt, lodernd, klang¬
voll, für einen kurzen Auftritt auf die Bühne. Fräusein
Denera und Fräulein Rosenquist als die zwei lebens¬
durstigen Mädchen, verfügen beide nur über begrenzte Mittel.
Was Fräulein Denera an dramatischer und wohllautender
Kraft mangelt, befähigt sie wieder, Sanftes, still nach innen
Leuchtendes zu geben; sie darf nicht dahin gestellt werden,
wo die Leidenschaft über sie zusammenschlagen soll. Fräulein
Rosenquist ist Leider nicht ohne Ziererei. Der so vortreffliche
Werner=Kahle gab den Oberst az aus Pappendeckel,
wie er in der Rolle steht. Sehr romisch wirkte es, daß
er mit unbedecktem Haupte salutierte. Sollen wir's glauben?
Jetzt haben wir so einen schönen, großen Weltkrieg gehabt
und so ein Regisseur hat ihn nicht benützt, für seiz Metier
An. M.
ein bisserl militärische Dinge zuzuleinen.
Hanpristische Blätter, Wien
I V. 1919
„Der RufdesLebens“ ist eines
der schwächeren Stücke Artur Schnitzlers.
Das Problem ist wohl mächtig genug: Das Recht
des jungen Lebens gegenüber dem welkenden,
das nur autoritär wirkt und doch die Jugend
niederdrücken kann.
Aber die Ausführung ist schwächlicht
und nicht überzeugend.
Die Inszenierung und Darstellung img
Deutschen Volkstheater verdienen
alles Lob.
box 24/5
Der Humorist, Wien
9
(Deutsches Volkstheater.) In diesem Theater, wo
AArturt Schnitzler immer eine akustische Tribüne fand, von der
er zu seinten Wiessern sprechen konnte, wurde „Der Ruf des
Lebens“ neu einstudiert und von Dr. Bernhard Reich neu
inszeniert, herausgebracht. Das Stück, das nur mit milden
Tönen an den Begriff der soloatischen Tugend, des Opferns „für
Kaiser und Vaterland“ zu rühren wagt, erscheint uns heute
weit zurückliegend an der Strecke, die wir seit dem 12. No¬
vember zurückgelegt haben! Würde Schnitzler heute dieses
Problem behandeln, er fände wohl kräftigere Worte. Nichts¬
destoweniger übt das Schauspiel auch heute noch mit seinen
von der späteren Schreibart des Dichters so abweichenden rea¬
listischen Vorgängen, seine volle Wirkung auf die Zuhörer; zumal
wenn eine wohl vorbereitete Aufführung, wie es die am 26. v. M.
war, lebende und verstandene Menschen schafft. Vor allem
die drei so verschiedenen Frauengestalten: Marie Frl. Denera,
in ihrer Herbheit und ihrem anklagenden Weh, Katharina—
Frl. Rosenquist, von ergreifender Haltung im jähen Abbruch
ihrer Lebenslust, Irene, die Oberstensgattin Frl. Wagner,
mit all den Verführungskünsten einer gefährlichen Frau. —
Herr Götz, der den alten bösartigen Moser geradezu un¬
übertrefflich darstellte, Onno als junger Leutnant, Herr Reh¬
berger als sein Kamerad, nicht minder aber Herr Teubler,
dessen pastoses Organ der Nolle des väterlichen ärztlichen
Freundes besonders zustatten kam, sie alle halfen das Stück
tragen. Auch Frau Thaller, die Herren Danegger und Ehmann
vervollständigten zum Besten das Bild. Völlig unmäglich war
nur Herr Werner=Kahle, der den altösterreichischen Oberst in
knarrendem Preußisch mimte und auch, sonst nicht ahnte, was
der Dichter mit dieser Figur wollte.
Dr. B. S.
Wien, I., Soneoruipra
Die Bombe, Wien
1. 1919—
Im Deutschen Volkstheater „Der Ruf
des Lebens“ von Artur Schnitzlef.
Ein wertvolles Werk, welches trotz der Be¬
deutung seines Themas (Recht der Jugend) im
Publikum keine nachhaltige Wirkung erzielt.
Manche Kraßheiten der Handlung tragen
daran die Schuld, überdies sind einige Figuren
nicht genügend herausgearbeitet.
Die Därsteller blieben dem Dichter nichts
schuldig