II, Theaterstücke 19, Der Ruf des Lebens. Schauspiel in drei Akten (Vatermörderin), Seite 515

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19. Der Ruf.
REICHSPOST, WIEN
Deutsches Volkstheater. Neu einstudiert und in
Szene gesetzt ist nun wieder hier der Versuch unternommen
worden, Schnitzlers Schauspiel „Der Ruf des Le¬
bens“ wirkriche Levenskraft zu geben, ein Beginnen, daß
trotz der Um- und Neubesetzungen vergeblich war. Den
alten Moser gab diesmal Herr Götz, prachtvoll in seinem
verbissenen Egoismus, in der boshaften Art seines
Quälens. Die Marie spielte Frl. Denera mehr als ge¬
duldige Büßerin als ein sich nach Freiheit sehnendes
Menschenkind, während Thea Rosenquist über die
hohle Salondramatik ihrer lle nicht hinwegkommen
konnte. Schauspielerisch einwundfrei gab Herr Onno den
Leutnant Max, ihm ebenbürtig zur Seite stand Frau Erika
Wagner als Irene. Der Oberst des Herrn Werner¬
Kahle hatte gute Haltung, während uns der Forstadjunkt
des Herrn Danegger ein wenig zu viel auf Gefühls¬
momente gestellt schien. Das Scheinleben dieses Rufes an
das Leben fand übrigens nach dem letztenFetlen des Vor¬
hanges sein Ende.

h.
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('eg.
Der Salon, Wien
Deutsches-Volkstheater. —
—Der Ruf des Lebens“, ein Schau¬
—spiel von Artur Schnitzler. Es ist nicht neu,
trägt sogar eine abgetragene Marke an sich, ist
auch in den nahezu zehn Jahren, da es neu
war, auch nicht besser und auch nicht schlechter
geworden. Seine Mängel sind dieselben ge¬
blieben nur vielleicht ein Teil des Publikums
ist anspruchsvoller, kritischer geworden. Der
Mord am totkranken Vater ist nicht entschuld¬
barer geworden als damals nud die Verbre¬
cherin, die herzlose Tochter auch nicht besser.“
Auch ebenso unaufgeklärt bleibt jetzt noch
das totkranke Mädchen aus gutem Hause, das
ihrer geängstigten Mutter davon geht und nie¬
mand weiß wohin, nur als er ans Sterben
aeht, sich ihrer Mutter besinnt und an einem
sonnenhellen Tag zu ihr zurückkehrt. Auch da
wird noch nicht gefragt, wo sie geweilt, sie
jubelt nur das Sonnenlicht an, geht vom
Garten ins Haus und stirbt. Noch ein drittes
Sterben ist uns vorbehalten, ein Oberst eines
totgeweihten Regiments, das ins Feld zieht, be¬
lauscht am Feuster das Liebesgespräch zwischen
seiner Frau und einem jungen Leutnant, den
er noch kurz zuvor seiner militärischen Ver¬
pflichtung entbinden wollte, sein junges Leben
zu schonen und nicht dem tragischen Schick¬
sal, dem das Regiment verfallen, nicht auch zum
Opfer fallen zu sollen. Ein Schuß, ein Schrei
und die Frau Oberst liegt tot in den Armen des
Lentnant. Der Oberst hat seine Ehre gerächt.
Alle Motive dieser Schnitzler'schen Dich¬
tung gehen darauf hinaus, daß die Lebens¬
bejahung in welcher Form immer, niemals
frei von einem düsteren Hintergrund ist und
Oder Ruf des Lebens durch nebelhafte Schatten
auf Friedhöfe blicken muß. Die Darstellung
dieser eigentümlichen Charaktere war im
ganzen gut, wenn auch vielleicht vor zehn
Jahren besser. Fräulein Denera war für die
leidenschaftliche Heldin des Stückes die an
der Seite eines totgeweihten, starrsinnigen
Vaters ein wahres Märtyrium durchlebt, um
endlich zur Mörderin an ihm zu werden, zu
wenig imponierend dafür, zu strenge, zu herb,
sie ließ kalt. Ausgezeichnet Herr Götz als
böser, kranker Vater. Den unheimlichen Ober¬
sten gab Herr Werner=Kahle, aus dem
sich nicht viel machen ließ. Frau Erika Wag¬
ner erschien in kurzer Szene, wie ein schönes,
aufflammendes Licht um jedoch schnell wieder
zu verlöschen. Fräulein Rosenquist spielte
das lebenshunarige totkranke Madchen in kant
loser Fröhlichkeit. Nun noch die Herren Dan¬
egger und Onno. Ersterer brachte den
jungen Forstadjunkten, der sich in seiner Liebe
zu Maria (Denera) so bitter enttäuscht sieht,
menschlich wahr heraus, während Herr Onno
als Lentnant Mar, durch Ton und Wesen dieser
nur kurzen Rolle erhöhtes Interesse-verlieh.
Der alté Wiener.