box 24/5
des
L.
19. Der Ruf „ Lebens
GE
CZ
esberger Allgemeine Zeilant
Königsberg i.Pr.
AEMA
7100
vor dreißig Jahren durch übereilte Flucht vor dem Feinde auf sich lud.seiner Kurzal
(Historischer Hintergrumd der in B#en und Umgebung spielenden Vorgänge trotz der zusan
Neues Schauspielhaus.
ist offenbar der österreichisch=preußische Krieg 1866.) Die Schuld an dieser doch ein Schni#
Schnihlex=Feier: „Der Ruf des Oebeno“.
Da wen
Flucht aber trägt jener vergiftete Greis, der damals als Rittmeister mit
Dem Ruf des Lebens, der während dieses Monats eine Reihe jüngerer
den bauen Kürassieren im Felde stand und als erster sein Pferd wendete. leitet, größtente
Abend gleichwe
Dramatiker in unser Neues Schauspielhaus zitiert — z. T. sogar in eigener
Und schließlich findet auch die arme Schwindsuchtsleiche (Nr. 3) ihren wohl¬
Person — darf auch der 60jährige Schnitzler folgen. Er scheint heute so
begründeten Platz in diesem vielfach verschlungenen Reigen der Morituri braucht man #
jung wie ehedem —, vielleicht darum, weil er nie so recht jung gewesen ist.
und Moribundi, diesem lyrisch=dramatischen Totentanz: als verlassene Brautjerwähnen, wer
„sihzt“. Also
Sein Schaffen hat keine auswärtsstrebende Entwicklungslinie, keine Sturm¬
eines Forstadjunkten, der von ihr zu der Vatermörderin herüberwechselte,
wie angegossen
die ihr Herz wiederum dem Leutnant Max schenkte; und als Geliebte eines
und Drangperiode. Die Schleier müder Melancholic und stiller Resignation
Militärmilieu.
breiten sich über fast alle seine Werke, deren Entstehungsdaten man beliebig
anderen jungen Offiziers, der Maxens bester Freund ist und sich später nach
nant, Peppl
vertauschen könnte, ohne das Gesamtbild wesentlich zu ändern. Sie dämpfen
der großen Sühneschlacht als einziger Ueberlebender des todgeweihten Re¬
gleich ganze
auch die grelle, mitunter allzu grelle Theatralik des etwa anderthalb De¬
giments (seinerseits) freiwillig entleibt.
Lob. Gildme
Welche Verwickelungen! wird man nach dieser groben Inhaltsskizze
zennien alten Schauspiels, das Direktor Rosenheim dem jubilierenden Dich¬
Ton zynischer
ters in einer außerordentlich sein abgetönten, stilgerechten Wiedergabe auf
sagen. Welches Theater! Welche Häufung errechneter Zufälle! Drei
menschen Lust
den Geburistagstisch gelegt hat. (Künstler kann man ja am besten nur mit
Leichen auf, zwei hinter der Szene, und dieser ganze komplizierte Apparat
ahnen, mit der
sich überkreuzender Zusammenhänge — ist das noch der weiche, feinnervige,
ihren eigenen Gaben beschenken.)
schicksalgewollt
Ob dem Geburtstagskind und seinen Gratulanten mit der Ausgrabung
versonnene Schnitzler, der sich so etwas ausdenken konnte? Aber man
Marie, seine
just dieses Werke ein besonderer Gefallen geschieht, bleibt allerdings minde¬
müßte ihn nicht kennen, den österreichischen Spintisierer und Seelenkünder,
die vollkommen
den „Jausen=Hebbel“ wie ihn einmal Alfred Kerr treffend genannt hat,
sten zweiselhaft. In dem Ruhmeskranz eigener Schöpfung, den das Neue
den Ausbruch
wenn man nicht mit Grund annehmen sollie, daß sich hinter dieser Theaterei
Schauspielhaus dem Gefeierten um die ergrauten Schläfen flicht — „Reigen“,
in holden Oph
echtes dichterisches Erleben, hinter der Hans=Müller=Maske — eben Arthur
„Anatol“, „Ruf des Lebens“ — ist doch wohl das vom leichtsinnigen Melan¬
Ruth Baldo
choliker handelnde Dialogvierktee das unverwelklichste Blatt. „Der Ruf
Schnitzler verbirgt. Ein tieferer Blick in das Schauspiel lehrt denn auch,
Adjunkt, Fra¬
des Lebens“ könnte stellenweise von Hans Müller sein. In jedem der
daß dem Dichter die äußeren Vorgänge nur Vorwand sind, um nach alter
hauptsächlich o
Weise über sie und ihre Ursachen zu philosophieren, mit Worten, Begriffen,
drei Akte gibt's eine Leiche, im letzten sogar eine recht schöne, theatermäßig
fführungskraft
Gefühlen zu songlieren, als Arzt, Psychologe, Militärkenner, Poet, die
hergerichtete. Die erste ist ein bozhafter Greis, den seine eigene Tochter
als Tante, äu
Prooleme Dasein und Sterben, Glück und Liebe, Standes= und Herzens¬
vergiftet, weil sie sich von dem ohnehin dem Tode Verfallenen, dessen Pflege
Daguerrotypie
ehre, Zufall und Schicksal, kleine und große Welt zu wälzen, kurz, hinter
ihr obliegt, nicht länger vom Leben absperren lassen will, vom Leben, das
von ihrem „kra
den Sinn dieses irrsinnigen Lebens zu kommen. Wie immer bei Schnitzler
sie mit tausend Stimmen lockt. Die zweite Leiche ist eine Oberstenfrau,
Sauer schlie
wird dabei viel Kluges, Feines und Tiefes gesagt. Und die heimliche
die von ihrem Mann aus Eisersucht erschossen wird. Die dritte ein junges
zur Belebung
Gedankenlyrik der zum Teil recht langgesponnenen Dialoge, die melancholische
Mädchen, dem unglückliche Liebe und unheilbare Krankheit ein frühes Grab
Geste, mit der Schnitzler sein geistiges Seciermesser handhabt, mildert er¬
bereiten.
heblich die Brutalität der krassen Tatsächlichkeit. Aber ein greifbares
Die drei Paralleltragödien sind durch eine Kette seltsamer Zufälle
Ergebnis wird durch all das Grübeln und Disputieren nicht
miteinander verbunden. Was die Vatermörderin hauptsächlich zu ihrer
— Worte, Worte, Worte! Die blutdürstige Ketten¬
gezeitigt
Tat trieb, ist die Liebe zu einem jungen Offizier, zu dem sie nach ihrer
tragödie schließt mit einem Fragezeichen und die einzige
Selbstbefreiung eitt. Dieser Leutnant Max wiederum veranlaßte, als Neben¬
Erkenntnis, die wir daraus gewinnen, ist die alte Erfahrung: daß das
buhler, den Racheakt des Obersten. Er muß nun die Pistole gegen sich
Leben manchmal Theater, aber das Theater selten Leben ist. In manchem
solbst richten und damit dem Heldentode vorgreifen, der ihn in Kürze auf
Betracht ist dies Schauspiel ein ochter Schnitzler; aber mit seinem allzu
dem Schlachtfelde ebenso sicher erreicht hätte, wie alle seine Kameraden.
unvermittelten Wechsel von Licht Schatten, seinem ziellosen Hin= und Her¬
Die blauen Kürassiere, denen er angehört, sind nämlich mit Mann und
pendeln zwischen nackter Theatralik und verhüllender Reflexion, seiner schwer= ?
Maus dem Untergang geweiht. Keiner darf lebend zurückkehren. Ihr
Blut, so will's der Oberst, soll die Schande abwaschen, die das Regiment punktverschiebenden Unausgeglichenheit der handlungbewegenden Kräfte,
des
L.
19. Der Ruf „ Lebens
GE
CZ
esberger Allgemeine Zeilant
Königsberg i.Pr.
AEMA
7100
vor dreißig Jahren durch übereilte Flucht vor dem Feinde auf sich lud.seiner Kurzal
(Historischer Hintergrumd der in B#en und Umgebung spielenden Vorgänge trotz der zusan
Neues Schauspielhaus.
ist offenbar der österreichisch=preußische Krieg 1866.) Die Schuld an dieser doch ein Schni#
Schnihlex=Feier: „Der Ruf des Oebeno“.
Da wen
Flucht aber trägt jener vergiftete Greis, der damals als Rittmeister mit
Dem Ruf des Lebens, der während dieses Monats eine Reihe jüngerer
den bauen Kürassieren im Felde stand und als erster sein Pferd wendete. leitet, größtente
Abend gleichwe
Dramatiker in unser Neues Schauspielhaus zitiert — z. T. sogar in eigener
Und schließlich findet auch die arme Schwindsuchtsleiche (Nr. 3) ihren wohl¬
Person — darf auch der 60jährige Schnitzler folgen. Er scheint heute so
begründeten Platz in diesem vielfach verschlungenen Reigen der Morituri braucht man #
jung wie ehedem —, vielleicht darum, weil er nie so recht jung gewesen ist.
und Moribundi, diesem lyrisch=dramatischen Totentanz: als verlassene Brautjerwähnen, wer
„sihzt“. Also
Sein Schaffen hat keine auswärtsstrebende Entwicklungslinie, keine Sturm¬
eines Forstadjunkten, der von ihr zu der Vatermörderin herüberwechselte,
wie angegossen
die ihr Herz wiederum dem Leutnant Max schenkte; und als Geliebte eines
und Drangperiode. Die Schleier müder Melancholic und stiller Resignation
Militärmilieu.
breiten sich über fast alle seine Werke, deren Entstehungsdaten man beliebig
anderen jungen Offiziers, der Maxens bester Freund ist und sich später nach
nant, Peppl
vertauschen könnte, ohne das Gesamtbild wesentlich zu ändern. Sie dämpfen
der großen Sühneschlacht als einziger Ueberlebender des todgeweihten Re¬
gleich ganze
auch die grelle, mitunter allzu grelle Theatralik des etwa anderthalb De¬
giments (seinerseits) freiwillig entleibt.
Lob. Gildme
Welche Verwickelungen! wird man nach dieser groben Inhaltsskizze
zennien alten Schauspiels, das Direktor Rosenheim dem jubilierenden Dich¬
Ton zynischer
ters in einer außerordentlich sein abgetönten, stilgerechten Wiedergabe auf
sagen. Welches Theater! Welche Häufung errechneter Zufälle! Drei
menschen Lust
den Geburistagstisch gelegt hat. (Künstler kann man ja am besten nur mit
Leichen auf, zwei hinter der Szene, und dieser ganze komplizierte Apparat
ahnen, mit der
sich überkreuzender Zusammenhänge — ist das noch der weiche, feinnervige,
ihren eigenen Gaben beschenken.)
schicksalgewollt
Ob dem Geburtstagskind und seinen Gratulanten mit der Ausgrabung
versonnene Schnitzler, der sich so etwas ausdenken konnte? Aber man
Marie, seine
just dieses Werke ein besonderer Gefallen geschieht, bleibt allerdings minde¬
müßte ihn nicht kennen, den österreichischen Spintisierer und Seelenkünder,
die vollkommen
den „Jausen=Hebbel“ wie ihn einmal Alfred Kerr treffend genannt hat,
sten zweiselhaft. In dem Ruhmeskranz eigener Schöpfung, den das Neue
den Ausbruch
wenn man nicht mit Grund annehmen sollie, daß sich hinter dieser Theaterei
Schauspielhaus dem Gefeierten um die ergrauten Schläfen flicht — „Reigen“,
in holden Oph
echtes dichterisches Erleben, hinter der Hans=Müller=Maske — eben Arthur
„Anatol“, „Ruf des Lebens“ — ist doch wohl das vom leichtsinnigen Melan¬
Ruth Baldo
choliker handelnde Dialogvierktee das unverwelklichste Blatt. „Der Ruf
Schnitzler verbirgt. Ein tieferer Blick in das Schauspiel lehrt denn auch,
Adjunkt, Fra¬
des Lebens“ könnte stellenweise von Hans Müller sein. In jedem der
daß dem Dichter die äußeren Vorgänge nur Vorwand sind, um nach alter
hauptsächlich o
Weise über sie und ihre Ursachen zu philosophieren, mit Worten, Begriffen,
drei Akte gibt's eine Leiche, im letzten sogar eine recht schöne, theatermäßig
fführungskraft
Gefühlen zu songlieren, als Arzt, Psychologe, Militärkenner, Poet, die
hergerichtete. Die erste ist ein bozhafter Greis, den seine eigene Tochter
als Tante, äu
Prooleme Dasein und Sterben, Glück und Liebe, Standes= und Herzens¬
vergiftet, weil sie sich von dem ohnehin dem Tode Verfallenen, dessen Pflege
Daguerrotypie
ehre, Zufall und Schicksal, kleine und große Welt zu wälzen, kurz, hinter
ihr obliegt, nicht länger vom Leben absperren lassen will, vom Leben, das
von ihrem „kra
den Sinn dieses irrsinnigen Lebens zu kommen. Wie immer bei Schnitzler
sie mit tausend Stimmen lockt. Die zweite Leiche ist eine Oberstenfrau,
Sauer schlie
wird dabei viel Kluges, Feines und Tiefes gesagt. Und die heimliche
die von ihrem Mann aus Eisersucht erschossen wird. Die dritte ein junges
zur Belebung
Gedankenlyrik der zum Teil recht langgesponnenen Dialoge, die melancholische
Mädchen, dem unglückliche Liebe und unheilbare Krankheit ein frühes Grab
Geste, mit der Schnitzler sein geistiges Seciermesser handhabt, mildert er¬
bereiten.
heblich die Brutalität der krassen Tatsächlichkeit. Aber ein greifbares
Die drei Paralleltragödien sind durch eine Kette seltsamer Zufälle
Ergebnis wird durch all das Grübeln und Disputieren nicht
miteinander verbunden. Was die Vatermörderin hauptsächlich zu ihrer
— Worte, Worte, Worte! Die blutdürstige Ketten¬
gezeitigt
Tat trieb, ist die Liebe zu einem jungen Offizier, zu dem sie nach ihrer
tragödie schließt mit einem Fragezeichen und die einzige
Selbstbefreiung eitt. Dieser Leutnant Max wiederum veranlaßte, als Neben¬
Erkenntnis, die wir daraus gewinnen, ist die alte Erfahrung: daß das
buhler, den Racheakt des Obersten. Er muß nun die Pistole gegen sich
Leben manchmal Theater, aber das Theater selten Leben ist. In manchem
solbst richten und damit dem Heldentode vorgreifen, der ihn in Kürze auf
Betracht ist dies Schauspiel ein ochter Schnitzler; aber mit seinem allzu
dem Schlachtfelde ebenso sicher erreicht hätte, wie alle seine Kameraden.
unvermittelten Wechsel von Licht Schatten, seinem ziellosen Hin= und Her¬
Die blauen Kürassiere, denen er angehört, sind nämlich mit Mann und
pendeln zwischen nackter Theatralik und verhüllender Reflexion, seiner schwer= ?
Maus dem Untergang geweiht. Keiner darf lebend zurückkehren. Ihr
Blut, so will's der Oberst, soll die Schande abwaschen, die das Regiment punktverschiebenden Unausgeglichenheit der handlungbewegenden Kräfte,