Geite 13.
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ein Einakter mit demselben Stoffe berechtigtes großes Glück
gemacht hätte. Dann wäre der lästige vierte Aufzug beiden Parteien
Feuilleton.
erspart geblieben und der gar nicht lustige dritte auf wenige Szenen
zusammengeschrumpft. Doch man wollte den Abend füllen. Und das
W.
Berliner Theaterbrief.
kann man nicht, wenn Einem jede Kenntnis von der Perspektive des
Theaters fehlt. Das kann man nicht mit einer Handvoll Ueberbrettl¬
„Waterkant“, Schauspiel in drei Aufzügen von Richard Skowronnek.
(Berliner Theater.) — „Der einsame Weg“. Schauspiel in fünf Aufzügen
Liedern und einer graziösen Kaffeefidelität. Dazu gehören gewisse
von Artur Schnitzler. (Deutsches Theater.) — „Stella und Ankonia“
Talente, die unbekümmerte Sorglosigkeit nicht ersetzt.
Schauspiel in vier Aufzügen von Otto Julius Bierbaum. (Berliner Theater.)
Johann Christian, Direktor einer wandernden Theatertruppe,
„Schwester Beatrix“. Legende in drei Bildern von Maurice Macter¬
ist von seinem Weibe Stella schmählich betrogen worden. Mit dem
linck. — „Der Schlachtenlenker“. Komödie in einem Aufzug von Bernard
Shaw. (Beide im Neuen Theater.)
häßlichsten Kerl der Gesellschaft, dem Suffleut dazu, hat sie ihn
verlassen. Wir erfahren nicht recht, weshalb, denn weder der Charakter
Den süßen Lockungen der Bühne widersteht niemals mehr, wer
der Stella, noch die Wesensart Johann Christians, noch gar die
ihnen einmal erlegen ist. Sein künstlerischer Instinkt mag es dem
des Souffleurs werden uns bekanntgegeben. (Wobei ich bemerke, daß
Dichter noch so eindringlich sagen, daß der Stoff, den er even unter
mich just der Souffleur am meisten interessiert! Es muß etwas an
die Feder nehmen will, epische Behandlung verlangt, daß ein prächtiger
diesem Scheusal gewesen sein, das Stella für ihn entzündete. Leider
Roman aus ihm aufsprießen würde — der betreffende Dichter wird,
vermeidet es Bierbaum ängstlich, die interessanten Menschen und die
sofern er sich mit Frau Thalia schon bekannt gemacht hat, den schönen
interessanten Szenen seines Schauspieles auf die Bühne zu bringen.)
Stoff dramatisch verschandeln. Es tut einem herzlich leid um so
Johann Christian jammert der Davongelaufenen in sehr beweglichen,
manche starke Begabung, die sich in der Bühnenarbeit aufreibt. Ja,
sehr lebendigen Worten nach. Als er dann vor Gräfin Antonie
wenn alle unsere Dramatiker Männer wie Herr Richard Skowronnek
treten und ihr ein Verlobungs=Carmen deklamieren muß, da kommt
wären, die unbekümmert aufs Ziel losgehen und dem schaulüsternen
die brütende, monologisierende Leidenschaft zu theatralischem Ausdruck.
Publikum Schaustücke, weiter nichts, liefern! Ihnen gelingen leicht
Geblendet von Antoniens Schönheit, überwältigt von der wehevollen
große Würfe. Da ist Skowronneks „Waterkant“ ##e Dichtung, die
Erinnerung an die geliebte Ungetreue, wirft er sich auf das adelige
sich übrigens unschwer ins Wienerische übersetzen läßt, ind dann auch
Fräulein und will es erdrosseln. Es liegt allerlei gespreizte Unnatur,
an der Donau Triumphe feiern wird. Der erste Akt zielt an Bord
allerlei psyochologische Unwahrheit in diesen Szenen, doch auch
der „Iltis“; Matrosen exerzieren, Bootsmaate fluchen, es heult die
so viel dichterische Schönheit, daß man dem Spiel aufmerksam folgt.
Sirene — welch eine erfrischende Abwechslung, das Serorama nach
Noch aufmerksamer macht der zweite Akt. Johann Christian soll
all den Landrattenstücken der letzten Zeit: Und dann will eine
wegen seines Verbrechens unterm Fenster der jungen Gräfin aus¬
Mutter ihren letzten Sohn nicht aufs tückische Meer hinauslassen und
gepeitscht werden. Sie läßt sich die Vorbereitungen zur Peitschung
kämpft verzweifelt um ihn, bis der Trieb im Blute, die Leidenschaft
genau beschreiben. Schon wird dem Delinquenten das Kleid ab¬
für den Ozean doch über die Mutterliebe siegen. Es ist wunderschön,
gestreift, schon schnallen sie ihn auf die Bank — da gellt Antonien;
alles so einfach und ergreifend. Ach, daß es so viele Grübler unter
„Halt!“ da verliert sie die Lust am Sadismus (weshalb soll ich
den Poeten gibt, welche ihr Werk mit Gedankenfracht belasten, sich
das liebe Modewort nicht auch gebrauchen?) und wir sich am
und den Leuten im Parkett zur Pein!
Anblick des Verbrechers ergötzen. Ihr gräflicher Bräutigam ist so
Arthur Schnitzlers „Einsamer Weg“ ist ein dialogisierter,
langweilig; die Eltern, der Hausarzt, die ganze Welt um sie herum
versonnener Roman, der sich der dramatischen Technik gerade so weit
sind über die Maßen beschränkt, und ihr, der geistreichen Herrlichen,
angepaßt hat, um unklar und uneinheitlich zu werden. Sie haben den
gelüstetes danach, auch einmal mit einem anderen Geiste zu reden. Johann
Gang der Handlung bereits mitgeteilt und so darf ich mich kurz
Christian wird am Bette der Schönen von ihr in Sitte und Anstand
fassen. Das ist mir in diesem Falle lie Schnitzler erzählt uns das
unterrichtet. Sie bändigt den Wilden mit solchem Erfolge, daß er
Schicksal mehrerer Menschen, ohne die Begebenheiten mehr als ober¬
ihr Kammerdiener wird; Kammerdiener mit ungemein weitgehenden
flächlich zu verknüpfen. Zwischen dem schmählichen Scheitern des
Vollmachten. Danach kommt der schon erwähnte dritte Akt. Ich will
selbstsüchtigen Genies, das zusehen muß, wie sein eigen Fleisch und
mich nicht doppelt über ihn ärgern und erwähne nur, daß Stella
Blut sich angewidert von dem egoistischen Erzeuger abwendet, und
zurückkehrt und ihren anscheinend doch rettungslos in Antonie ver¬
der melancholischen Liebschaft eines Herzkranken — welche sichtbaren
narrten Theaterdirektor und Kaffeelakai ohneweiteres nur durch ein
Zusammenhänge sind da? Das Theater aber heischt sichtbare Zu¬
paar sehr mäßige Liedlein wieder erobert. Im Schlußaufzug (end¬
sammenhänge. Leider, ja leider — indes, man muß sich seinem Gebote
giltige Fassung) begegnet die junge Gräfin noch einmal auf ihrer
fügen. Ich bin überzeugt, im Roman hätte Schnitzler die Feder
Hochzeitsreise dem Paar. Mit kalter Verachtung wendet sie sich von
rastlos hin und her gehen lassen, alle seine Menschen in ein goldenes
dem halb betrunkenen, arg verwilderten Johann Christian, der sich
Netz eingesponnen. Während er jedoch das Drama schrieb, stand der
darauf in seiner Verzweiflung umbringt. Ganz anders klingt es in
Regisseur mit der Elle neben ihm: Nicht zu breit, mein lieber Poet; nicht zu
der ersten Fassung. Hier glüht Antonie noch für ihren Kammer¬
lang — wir kommen sonst nimmer aus! Das Ergebnis war eine
diener a. D. und die eifersüchtige Stella bohrt ihr den Dolch ins
schwankende unbefriedigende Exposition, ein Aufeinandrücken der
Herz, worauf der Liebling beider Selbstmord vollzieht.
Geschehnisse und Personen, eine Häufung der Motive, dadurch bedingt
Keine Kritik des Schauspiels kann so grausam sein wie die,
eine Zersplitterung des Interesses, die schließlich zur Verhöhnung der
welche Bierbaum selbst geschrieben hat, indem er zwei Fassungen des
tragischen Szene führte. Der Reichtum des Schnitzlerschen Geistes
Schlußaktes veröffentlichte, einen ursprünglichen und einen Notaus¬
funkelte vergebens, umsonst waren die feinen Dichterworte, die
gang. Ohne daß er auch nur eine Szene, ja, auch nur ein Wort in
geschliffene Köstlichkeit des Dialoges. Alles versank vor der er¬
den ersten drei Aufzugen zu ändern für nötig gehalten hätte, änderte
schreckenden Unzulänglichkeit der Technik und der Müdigkeit des
er grundlegend den letzten Aufzug. Gesinnungen, Reden, Handlungen
dramatischen Pulsschlages. Wie unbeholfen dies Nebeneinander von
seiner Hauptpersonen — sie sind urplötzlich ins Gegenteil verkehrt
Ereignissen, die doch aus einander hätten entstehen, hintereinander
worden. „Mit Ekel“ wendet sich in Ausgabe II Antonie von ihrem
auf die Bühne treten sollen! Endlose Gespräche, die man im Buche
Christiau, während sie in Ausgabe I nach ihm schmachtet und dafür
mit innigem Vergnügen verfolgt, die den Hörer aber nervös machen,
von der eifersüchtigen Stella erdolcht wird. Welch eine Technik!
müssen Ersatz bieten dafür, daß entscheidend wichtige Auftritte ganz
Welch eine kindlich naive Anschauung! Alles ist totes Fratzengaukel¬
ausbleiben und nur flüchtig angedeutet werden. Widerwillig nur
spiel, kunstloses Getändel mit Holzpuppen. Der Autor freilich
berichte ich über die mißglückte Arbeit. Ich lobte so gern diese, jene
durfte sich das leisten, denn nirgendwo im ganzen Stücke hat er
anmutvolle Einzelheit, die Tiefe der Auffassung, die ernste Größe
versucht, lebendige Menschen hinzustellen, zu charakterisieren oder
ihres Gedankenzuges — aber jedes Lob wäre ein Tadel mehr an
gar zu gestalten. Durchwegs wirtschaftete er mit Reminiszenzen,
die Adresse des Dramatikers.
gab Gelesenes wieder und fühlte nicht, daß er seiner selbst spottete.
Ein anderer Mann, der Otto Julius Bierbaum! Mit dem
Einem organisch gewachsenen Kunstwerk läßt sich kein neuer Kopf
darf man schon reden, ohne sorgend jeden Ausdruck wägen zu müssen.
aufpappen; schlägt man dem Baum die Krone ab und klebt ihm eine
Seine „Stella und Autonie“ ist das fröhlichste, ungenierteste und
anders gewachsene an, so daß niemand es merkt, dann ist's ein
unbekümmertste Dilettantenstück des allerdings erst vor kurzem be¬
Versatzstück und nicht von Gott oder vom göttlichen Genie, sondern
gonnenen Jahrhunderts. In seinem Schöpfer haben wir den
vom Dekorationsmaler geschaffen. Auf den Bierbaum dieses ver¬
Dramatiker kennen gelernt, der vorsichtigerweise immer zwei Schlu߬
unglückten Bühnenwerkes läßt sich anwenden, was Goethe, in ganz
akte zur Verfügung hält. Gefällt in München der ganz tragische
anderem Sinne, von Johann Christian Günther, dem heimlichen
nicht, dann nimmt er in Berlin den zweiten mit nur einem Morde,
Kaiser des Bierbaumschen Stückes, sagte: Er wußte sich nicht zu
und in Wien läßt er die Sache vielleicht als Lustspiel enden. Zu¬
zähmen und so zerrann ihm sein Leben wie sein Dichten.“ Der fleißige
weilen scheint es, als habe der Entdecker des lustigen Ehemanns in
Kunstfreund wußte sich von den Lesefrüchten nicht frei zu machen;
„Stella und Autonie“ das P. T. Publikum faschingsmäßig verulken
und dies aus zweiter Hand Empfangene, dieser Bücherkram trium¬
wollen, doch es scheint nur so. Bierbaum treibt keinen Scherz mit
phierte über sein Eigenes und Erlebtes.
Entsetzen. Ganz unverkennbar klingt aus den wilden Klagen Johann
Neben dem Bucherdrama Bierbaums nahmen sich zwei Buch¬
Christians, des zwischen zwei Heubündeln schwankenden Bierbaumschen
rhrte
dramen, die das Neue Theater aufführte, stattlich aus. Macter¬
Helden, so viel Selbsterlebtes, und ganz offenbar steckt in der hübschen
Sze#e am Bett Antonieus so viel anmutiger, gehaltener Humor, daß lincks „Schwester Beatrix“ und Bernard Shaws, des jetzt viel¬
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ein Einakter mit demselben Stoffe berechtigtes großes Glück
gemacht hätte. Dann wäre der lästige vierte Aufzug beiden Parteien
Feuilleton.
erspart geblieben und der gar nicht lustige dritte auf wenige Szenen
zusammengeschrumpft. Doch man wollte den Abend füllen. Und das
W.
Berliner Theaterbrief.
kann man nicht, wenn Einem jede Kenntnis von der Perspektive des
Theaters fehlt. Das kann man nicht mit einer Handvoll Ueberbrettl¬
„Waterkant“, Schauspiel in drei Aufzügen von Richard Skowronnek.
(Berliner Theater.) — „Der einsame Weg“. Schauspiel in fünf Aufzügen
Liedern und einer graziösen Kaffeefidelität. Dazu gehören gewisse
von Artur Schnitzler. (Deutsches Theater.) — „Stella und Ankonia“
Talente, die unbekümmerte Sorglosigkeit nicht ersetzt.
Schauspiel in vier Aufzügen von Otto Julius Bierbaum. (Berliner Theater.)
Johann Christian, Direktor einer wandernden Theatertruppe,
„Schwester Beatrix“. Legende in drei Bildern von Maurice Macter¬
ist von seinem Weibe Stella schmählich betrogen worden. Mit dem
linck. — „Der Schlachtenlenker“. Komödie in einem Aufzug von Bernard
Shaw. (Beide im Neuen Theater.)
häßlichsten Kerl der Gesellschaft, dem Suffleut dazu, hat sie ihn
verlassen. Wir erfahren nicht recht, weshalb, denn weder der Charakter
Den süßen Lockungen der Bühne widersteht niemals mehr, wer
der Stella, noch die Wesensart Johann Christians, noch gar die
ihnen einmal erlegen ist. Sein künstlerischer Instinkt mag es dem
des Souffleurs werden uns bekanntgegeben. (Wobei ich bemerke, daß
Dichter noch so eindringlich sagen, daß der Stoff, den er even unter
mich just der Souffleur am meisten interessiert! Es muß etwas an
die Feder nehmen will, epische Behandlung verlangt, daß ein prächtiger
diesem Scheusal gewesen sein, das Stella für ihn entzündete. Leider
Roman aus ihm aufsprießen würde — der betreffende Dichter wird,
vermeidet es Bierbaum ängstlich, die interessanten Menschen und die
sofern er sich mit Frau Thalia schon bekannt gemacht hat, den schönen
interessanten Szenen seines Schauspieles auf die Bühne zu bringen.)
Stoff dramatisch verschandeln. Es tut einem herzlich leid um so
Johann Christian jammert der Davongelaufenen in sehr beweglichen,
manche starke Begabung, die sich in der Bühnenarbeit aufreibt. Ja,
sehr lebendigen Worten nach. Als er dann vor Gräfin Antonie
wenn alle unsere Dramatiker Männer wie Herr Richard Skowronnek
treten und ihr ein Verlobungs=Carmen deklamieren muß, da kommt
wären, die unbekümmert aufs Ziel losgehen und dem schaulüsternen
die brütende, monologisierende Leidenschaft zu theatralischem Ausdruck.
Publikum Schaustücke, weiter nichts, liefern! Ihnen gelingen leicht
Geblendet von Antoniens Schönheit, überwältigt von der wehevollen
große Würfe. Da ist Skowronneks „Waterkant“ ##e Dichtung, die
Erinnerung an die geliebte Ungetreue, wirft er sich auf das adelige
sich übrigens unschwer ins Wienerische übersetzen läßt, ind dann auch
Fräulein und will es erdrosseln. Es liegt allerlei gespreizte Unnatur,
an der Donau Triumphe feiern wird. Der erste Akt zielt an Bord
allerlei psyochologische Unwahrheit in diesen Szenen, doch auch
der „Iltis“; Matrosen exerzieren, Bootsmaate fluchen, es heult die
so viel dichterische Schönheit, daß man dem Spiel aufmerksam folgt.
Sirene — welch eine erfrischende Abwechslung, das Serorama nach
Noch aufmerksamer macht der zweite Akt. Johann Christian soll
all den Landrattenstücken der letzten Zeit: Und dann will eine
wegen seines Verbrechens unterm Fenster der jungen Gräfin aus¬
Mutter ihren letzten Sohn nicht aufs tückische Meer hinauslassen und
gepeitscht werden. Sie läßt sich die Vorbereitungen zur Peitschung
kämpft verzweifelt um ihn, bis der Trieb im Blute, die Leidenschaft
genau beschreiben. Schon wird dem Delinquenten das Kleid ab¬
für den Ozean doch über die Mutterliebe siegen. Es ist wunderschön,
gestreift, schon schnallen sie ihn auf die Bank — da gellt Antonien;
alles so einfach und ergreifend. Ach, daß es so viele Grübler unter
„Halt!“ da verliert sie die Lust am Sadismus (weshalb soll ich
den Poeten gibt, welche ihr Werk mit Gedankenfracht belasten, sich
das liebe Modewort nicht auch gebrauchen?) und wir sich am
und den Leuten im Parkett zur Pein!
Anblick des Verbrechers ergötzen. Ihr gräflicher Bräutigam ist so
Arthur Schnitzlers „Einsamer Weg“ ist ein dialogisierter,
langweilig; die Eltern, der Hausarzt, die ganze Welt um sie herum
versonnener Roman, der sich der dramatischen Technik gerade so weit
sind über die Maßen beschränkt, und ihr, der geistreichen Herrlichen,
angepaßt hat, um unklar und uneinheitlich zu werden. Sie haben den
gelüstetes danach, auch einmal mit einem anderen Geiste zu reden. Johann
Gang der Handlung bereits mitgeteilt und so darf ich mich kurz
Christian wird am Bette der Schönen von ihr in Sitte und Anstand
fassen. Das ist mir in diesem Falle lie Schnitzler erzählt uns das
unterrichtet. Sie bändigt den Wilden mit solchem Erfolge, daß er
Schicksal mehrerer Menschen, ohne die Begebenheiten mehr als ober¬
ihr Kammerdiener wird; Kammerdiener mit ungemein weitgehenden
flächlich zu verknüpfen. Zwischen dem schmählichen Scheitern des
Vollmachten. Danach kommt der schon erwähnte dritte Akt. Ich will
selbstsüchtigen Genies, das zusehen muß, wie sein eigen Fleisch und
mich nicht doppelt über ihn ärgern und erwähne nur, daß Stella
Blut sich angewidert von dem egoistischen Erzeuger abwendet, und
zurückkehrt und ihren anscheinend doch rettungslos in Antonie ver¬
der melancholischen Liebschaft eines Herzkranken — welche sichtbaren
narrten Theaterdirektor und Kaffeelakai ohneweiteres nur durch ein
Zusammenhänge sind da? Das Theater aber heischt sichtbare Zu¬
paar sehr mäßige Liedlein wieder erobert. Im Schlußaufzug (end¬
sammenhänge. Leider, ja leider — indes, man muß sich seinem Gebote
giltige Fassung) begegnet die junge Gräfin noch einmal auf ihrer
fügen. Ich bin überzeugt, im Roman hätte Schnitzler die Feder
Hochzeitsreise dem Paar. Mit kalter Verachtung wendet sie sich von
rastlos hin und her gehen lassen, alle seine Menschen in ein goldenes
dem halb betrunkenen, arg verwilderten Johann Christian, der sich
Netz eingesponnen. Während er jedoch das Drama schrieb, stand der
darauf in seiner Verzweiflung umbringt. Ganz anders klingt es in
Regisseur mit der Elle neben ihm: Nicht zu breit, mein lieber Poet; nicht zu
der ersten Fassung. Hier glüht Antonie noch für ihren Kammer¬
lang — wir kommen sonst nimmer aus! Das Ergebnis war eine
diener a. D. und die eifersüchtige Stella bohrt ihr den Dolch ins
schwankende unbefriedigende Exposition, ein Aufeinandrücken der
Herz, worauf der Liebling beider Selbstmord vollzieht.
Geschehnisse und Personen, eine Häufung der Motive, dadurch bedingt
Keine Kritik des Schauspiels kann so grausam sein wie die,
eine Zersplitterung des Interesses, die schließlich zur Verhöhnung der
welche Bierbaum selbst geschrieben hat, indem er zwei Fassungen des
tragischen Szene führte. Der Reichtum des Schnitzlerschen Geistes
Schlußaktes veröffentlichte, einen ursprünglichen und einen Notaus¬
funkelte vergebens, umsonst waren die feinen Dichterworte, die
gang. Ohne daß er auch nur eine Szene, ja, auch nur ein Wort in
geschliffene Köstlichkeit des Dialoges. Alles versank vor der er¬
den ersten drei Aufzugen zu ändern für nötig gehalten hätte, änderte
schreckenden Unzulänglichkeit der Technik und der Müdigkeit des
er grundlegend den letzten Aufzug. Gesinnungen, Reden, Handlungen
dramatischen Pulsschlages. Wie unbeholfen dies Nebeneinander von
seiner Hauptpersonen — sie sind urplötzlich ins Gegenteil verkehrt
Ereignissen, die doch aus einander hätten entstehen, hintereinander
worden. „Mit Ekel“ wendet sich in Ausgabe II Antonie von ihrem
auf die Bühne treten sollen! Endlose Gespräche, die man im Buche
Christiau, während sie in Ausgabe I nach ihm schmachtet und dafür
mit innigem Vergnügen verfolgt, die den Hörer aber nervös machen,
von der eifersüchtigen Stella erdolcht wird. Welch eine Technik!
müssen Ersatz bieten dafür, daß entscheidend wichtige Auftritte ganz
Welch eine kindlich naive Anschauung! Alles ist totes Fratzengaukel¬
ausbleiben und nur flüchtig angedeutet werden. Widerwillig nur
spiel, kunstloses Getändel mit Holzpuppen. Der Autor freilich
berichte ich über die mißglückte Arbeit. Ich lobte so gern diese, jene
durfte sich das leisten, denn nirgendwo im ganzen Stücke hat er
anmutvolle Einzelheit, die Tiefe der Auffassung, die ernste Größe
versucht, lebendige Menschen hinzustellen, zu charakterisieren oder
ihres Gedankenzuges — aber jedes Lob wäre ein Tadel mehr an
gar zu gestalten. Durchwegs wirtschaftete er mit Reminiszenzen,
die Adresse des Dramatikers.
gab Gelesenes wieder und fühlte nicht, daß er seiner selbst spottete.
Ein anderer Mann, der Otto Julius Bierbaum! Mit dem
Einem organisch gewachsenen Kunstwerk läßt sich kein neuer Kopf
darf man schon reden, ohne sorgend jeden Ausdruck wägen zu müssen.
aufpappen; schlägt man dem Baum die Krone ab und klebt ihm eine
Seine „Stella und Autonie“ ist das fröhlichste, ungenierteste und
anders gewachsene an, so daß niemand es merkt, dann ist's ein
unbekümmertste Dilettantenstück des allerdings erst vor kurzem be¬
Versatzstück und nicht von Gott oder vom göttlichen Genie, sondern
gonnenen Jahrhunderts. In seinem Schöpfer haben wir den
vom Dekorationsmaler geschaffen. Auf den Bierbaum dieses ver¬
Dramatiker kennen gelernt, der vorsichtigerweise immer zwei Schlu߬
unglückten Bühnenwerkes läßt sich anwenden, was Goethe, in ganz
akte zur Verfügung hält. Gefällt in München der ganz tragische
anderem Sinne, von Johann Christian Günther, dem heimlichen
nicht, dann nimmt er in Berlin den zweiten mit nur einem Morde,
Kaiser des Bierbaumschen Stückes, sagte: Er wußte sich nicht zu
und in Wien läßt er die Sache vielleicht als Lustspiel enden. Zu¬
zähmen und so zerrann ihm sein Leben wie sein Dichten.“ Der fleißige
weilen scheint es, als habe der Entdecker des lustigen Ehemanns in
Kunstfreund wußte sich von den Lesefrüchten nicht frei zu machen;
„Stella und Autonie“ das P. T. Publikum faschingsmäßig verulken
und dies aus zweiter Hand Empfangene, dieser Bücherkram trium¬
wollen, doch es scheint nur so. Bierbaum treibt keinen Scherz mit
phierte über sein Eigenes und Erlebtes.
Entsetzen. Ganz unverkennbar klingt aus den wilden Klagen Johann
Neben dem Bucherdrama Bierbaums nahmen sich zwei Buch¬
Christians, des zwischen zwei Heubündeln schwankenden Bierbaumschen
rhrte
dramen, die das Neue Theater aufführte, stattlich aus. Macter¬
Helden, so viel Selbsterlebtes, und ganz offenbar steckt in der hübschen
Sze#e am Bett Antonieus so viel anmutiger, gehaltener Humor, daß lincks „Schwester Beatrix“ und Bernard Shaws, des jetzt viel¬