II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 32

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18. Der feg
Berliner Morgenpost
beinah gehabt, aber sie verhinderte es. Diese tem¬
peramentvoll=lustige Vierzigerin, die des Lebens
Stürme arg mitgenommen haben, ist die beste Gestalt
des Stückes, jedenfalls die wahrste, die einzige, die
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mit ihrer Drolligkeit und mit ihrem Schmerz
nicht vor sich selbst posiert. Sie ist eben echt
Der einsame Weg.
Schnitzlersch; ich halte sie für die altgewordene
Schauspiel in fünf Akten von Arthur Schnitzler.
Annie aus dem „Abschiedssouper“. Die andern be¬
Erstaufführung gestern im Deutschen Theater.
sehen sich alle mit ihren eingebildeten und wirk¬
Es war ein Achtungserfolg, oder wenn man will:
lichen Schmerzen zu oft im Spiegel. Sie sind
ein Hochachtungs=Durchfall. Der vierte Akt des über¬
fast nur müde Reflexion. Daß sich Felix in warmer
mäßig breiten und redseligen Stückes wurde kräftig
Verehrung seinem Erzieher und vermeintlichen Vater,
angelacht und angezischt, aber die Freunde des
der vom Fehltritt seiner Frau niemals was erfahren
Dichiers behielten die applaudierende Oberhand.
hat, zuwendet, ist mehr äußerlich und sieht einer
Schnitzler konnte fast nach jedem Akt, auch nach
„Pointe“ ähnlicher als einer pfychologischen Wahrheit.
dem bekämpften letzten, vor die Rampe treten und
Ueberhaupt ist mehr Gewolltes als Gekonntes
seinen Poetenkopf dankend neigen. Das Stück ist für
in der Führung der Charaktere. Felix ist zu
die praktische Bühne wohl verloren; es wird sich
Beginn ein Temperament, das sich den
mit seinen drei Leichen an Bord nicht
Soldatenberuf gegen den Willen des Vateis
über Wasser halten können. Schade. Schnitzler
zu erkämpfen verstand; später wird er ganz müder
hat für feine und feinste Gedanken eine falsche Form
Dekadent, der nicht weiß, was er will
gefunden; er hatte einen Wiener Roman in der Hand,
und wohin er möchte. Ein monotoner Schwächling.
und er machte ein Theaterstück aus ihm. Bloß
Die Eröffnung, daß er Julians Sohn sei, löst
darum weil im Literaturkalender der Name Schnitzler
nicht einmal ein Staunen bei ihm aus, er findet
(Wien) als Dramatiker abgestempelt ist?
sich so schnell in diese Tatsache, als hätte er sie schon
Sein neues „Schauspiel“ ist geradezu ein
lange geahnt. Und war doch ganz unwissend. Diese
typisches Muster des undramatischen Nicht¬
Eröffnungsizene überhaupt (sie ist es, die ich vorhin als
Schauspiels. Was es gibt, sind zwei in¬
den einzigen dramatischen Moment des Stückes bezeichnete)
uabgeklärt,
einand zeschobene, leise, fast
ist sehr ungeschickt, geradezu anfängerhaft gemacht.
ruhige Novellen, die nur einen einzigen,
Es ist eine „Erkennungsszene“ im Stil der Romantik
schwachdramatischen Moment haben. Und auch
und erinnert an die vertauschten Kinder und Amulette
dieser ist nur dramatische parlando=Musik.
Eugen Sues. Uebrigens nicht der einzige romantische
Der immer schon lyrisch=milde Schnitzler, der die
Einschlag. Der ganz überflüssige und unwahre
bleiche Welt abgekönter Kulturen liebt und mit einer
Selbstmord des jungen Mädchens im geheimnisvollen
gewissen wienerischen Salon=Sentimentalität die Dinge
Wasser und die Gestalten Salas wie Julians sind
der Welt philosophisch betrachtet, ist in seiner neuen
mit unechten Romantismen ausgestattet. Aber sie
Seelenplauderei noch matschweicher geworden, als er
haben Geist.
schon war. Er war ja immer ein liebenswürdig¬
Die Vorzüge Schnitzlers: ein leichter, natürlicher
ironischer Poet der Müdigkeit, dieses Stück ist aber
Dialog, eine anmutige, leicht fließende Linie in der
ausschließlich ein Gesang vom Leben zermürbter und
Bewegung der Vorkommnisse und ein freundlich, leise
aufgesogener Naiuren, die den „einsamen Weg“ zum
selbstironischer Humor. Das kunn jedoch die starken Nach¬
Tode geistesgerüstet und wissentlich wandern.
teile nicht aufwiegen, die de sind: Kraftlosigkeit im Bau
Daß die Absicht des Stückes ausschließlich solchen
des dramatischen Gerüstes, Maitigkeit im Führen der
müden Solo=Gängern gilt, merkt man erst gegen
Handlung auf ein mit Notwendigkeit empfundenes
das Ende, nachdem ein breiter erster Akt, der,
Ziel zu und Konvention in der Zeichnung gleich¬
unklat exponiert, ein unentschiedenes Thema ange¬
förmiger Salonmenschen.
schlagen hat, und jeder nächste Akt sich nach einem
Die Darstellung litt meinem Empfinden nach an
anderen Ziele zu bewegt. Schnell zu erkennen ist
Besetzungsfehlern. Nicht Bassermann durfte den
nur das eine, daß es ein retardierendes Stück ist,
eleganten, müden, feinironischen und cynisch=geistreichen
daß es Dinge der Vergangenheit sind, die die Menschen
Sala spielen, sondern Sauer. Bassermann ist für
seelisch beschäftigen. Das würde weiter nichts schaden,
solche Männer zu derb, zu trocken, zu wenig geschmeidig#
wenn diese Zurückentwickelung die gegenwärtigen
und spricht zu wenig fein. Aber er hätte den leicht¬
Dinge in eine Vorwärtsbewegung brächte, aber
dämonischen und brutalen Allerweltswindbeutel Mlian
die Konsequenzen der Aufrollung bleiben nebensächlich.
Fichtner spielen müssen und nicht Rittnegz der
Es ist, als ob es dem Dichter nur um eine Art
für die angeführten Eigenschaften zu brüchig, #der¬
psychologischer Vioisektion an einigen Mannsobjekten,
fest, bäuerisch = gesund ist. Kurt Stieles als
die ihm für den zu demonstrierenden klinischen Fall
Leutnant unterstrich noch die Monoion## der
interessant erschienen, zu tun gewesen wäre. Die Vor¬
Figur; ihm fehlte der Schuß Schneidigkeit und ##che,
gänge sind künstelnd zwischen die Charaktere kom¬
der für den Ulanenleutnant nötig ist. Das hätleserr
poniert; die Fäden, die sich von einem zum andern
Iwald besser machen müssen. Else Lehmann r
ziehen, sind jedoch sehr dünn und reißen bei jeder
zwar nicht die rundliche, lustige Wiener Schau¬
Gelegenheit.
spielerin, die Schnitzler meinte, aber sie ließ den
Die kränkliche Frau des Akademie=Direktors
Charakter nicht fallen. Das wäre vielleicht etwas
Wegerath stirbt und nimmt das Geheimnis mit sich,
für Gisela Schneider=Nissen gewesen. Aber
daß ihr Sohn, der Ulanenleutnant Felix, ein junges
die ist ja gar nicht mehr bei Brahm. Sehr fein war
Blut, das sich in der schmucken Uniform wohl fühlt,
Sauer als alter Wegerath. Dieser Künstler stellt
nicht das Kind ihres Gatten ist. Er ist der natürliche
eben immer seinen Mann, auch wenn man ihn auf
Sohn des wildgenialen Malers Julian Fichtner,
falschen Posten kommandiert.
eines ruhelosen Kunstzigeuners, dessen starker Leiden¬
Norbert Falk.
schaft Gabriele erlag, als sie schon Wegeraths Braut
war. Den jungen Mann hatte es schon immer zu Fichtner
hingezogen, nun er aber von diesem selbst seinen Ursprun#
kennen lernt, wandelt sich sein Gefühl in Betroffepheit,