II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 38

box 23/1
18. Der einsane Neg

Ausschnitt aus
(Scutsche Warte, Bertir
—.—
FEB. MUN
94
Warfe ung- Mfür Kunst,
IWisenschaft ue und Lifferatur

## Deutsches Theater. Erstaufführung
von Artur Schnitzlers fünfaktigem
Schauspiel: „Der einsame Weg.“ Das
neue Stück ist trotz der Mühe, welche sich die beifall¬
spendenden Freunde des Dichters mit ihrem Applaus
gaben, als abgelehnt zu betrachten. Zischen und Ge¬
lächter überwogen bei den letzten Aktschlüssen, nament¬
lich bei dem vierten. Die vorurteilslose Kritik kann
das abfällige Urteil des Publikums nur gut heißen¬
Es wird in diesem Stücke so viel geredet, „so
schön und manchmal so gediegen geredet, sdaß
man mindestens ein halbes Dutzend netter Feuillzions
über das Thema: „Heiraten oder nicht heiratzn?“
ein
daraus zurechtschneiden könnte. Aber auch
Dutzend geistreicher Plaudereien geben noch kein P#tes
Theaterstück. Die packende Hundlung fehlt, des Ge¬
dankens Blässe waltet fast allein. Der einsame Weg
ist derjenige der alten Junggesellen, die fessellosen Genuß
und unbeschränkte Freiheit in der Jugend mit Einsam¬
keit und Liebeleere im Alter büßen. Die unstillbare Sehn¬
sucht nach der Liebe zum Linde und nach der Liebe
des Kindes ist die Sühne für den ehrlosen Egoismus.
Der Maler Julian Fichtner hat ein junges Mädchen
verführt, entzieht sich aber der Ehe mit ihr. Sein
Freund, auch ein Maler, der Gabriele ebenfalls liebt,
nimmt sie zum Weibe und erzieht den Sohn Fichtners
im Glauben, er sei sein eigener. Nach dem Tode
Gabrielens kehrt der gealterte Fichtner zu dem in¬
zwischen zum Akademiedirektor avancierten Freunde zu¬
rück und entdeckt, der Stimme des Blutes gehorchend,
dem Sohne Gabrielens, seinem Sohne, das Geheimnis
seiner Herkunst. Aber das Ergebnis dieser Enthüllung
ist nicht das gewünschte. Der Sohn weist den egoisti¬
schen Verführer der Mutter von sich und nimmt Partei
für den Mann, der ihn in väterlicher Liebe erzogen hat.
Einsam bleibt der Altersweg des unglücklichen Fichtner.
Daneben geht noch ein zweiter skeptischer, egoistischer,
alter Junggeselle, der Dichter von Sala, welcher
noch an der letzten Grenze des Mannes¬
alters mit zerstörter Gesundheit die Liebe der
etwas hypernervös und hellseherisch veranlagten
Tochter des Akademiedirektors gewinnt. In der
Hoffnungslosigkeit dieser Liebe geht sie freiwillig in
den Tod, den selbstischen Liebhaber nach sich ziehend.
Nur eine ältere unverheiratete Dame, die ehemalige
Schauspielerin Irene Herms, verzehrt sich einsam in
der Sehnsucht nach dem Kinde, das sie beinahe aus
einem Verhältnis mit Fichtner gehabt hätte.
Die Darstellung war keineswegs so musterhaft, die
Rollenbesetzung keine so geschickt gewählte, wie man sie 1
sonst im Deutschen Theater gewöhnt ist. Am besten
waren Albert Bassermann (von Sala) und
Rudolf Rittner (Fichtner), während Else
Lehmann zwar im Spiel eine vortreffliche, frisch
humoristische Irene Herms war, jedoch in ihrer äußeren
Erscheinung nicht zu der dramatischen Figur paßte,
wie sie vom Autor gezeichnet war. Oskar Sauer und
Kurt Stieler als Wegrath sen. und jun. fanden
sich mit ihren Rollen leidlich ab, doch kann man selbst
dieses mäßige Lob nicht einmal Irene Triesch (Jo¬
hanna Wegrath) und Hans Godeck (Dr. Reu¬
mann) zuerkennen. Artur Schnitzler wohnte
selbst der Erstaufführung seines Stückes bei und erschien
bei den Aktschlüssen dankend vor dem Auditorium. R.