II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 45


18. Dereinn
Dr. Max Goldschmidt
„ Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eisene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.

Ausschnitt aus
Deutsche Zeitung, Berin
Ak. 2.20
Cheater und Musik.
WArthur Schnitzlers fünfaltiges Schauspiel „Der
einsame Weg“ hat heute Abend bei seiner Uraufführung im
„Deutschen Theater“ eine unzweideutige Ablehnung er¬
fahren. Der teils resignierte, teils krampfhafte Beifall, der den
Dichter nach einzelnen Alten ein=, höchstens zweimal vor den Vor¬
hang bemühte, war für einen Schnitzler viel zu matt, um auch
nur einen Achtungserfolg zu bedeuten. Dieser unverhüllte Mißerfolg
ist verdient und unverdient, gerecht und ungerecht zugleich. Man wird
an das Buch appellieren müssen, um all die tiefen Blicke in Welt
und Menschentum, die geistvollen Gedanken und die feingeschliffenen
Worte ins rechte Licht zu stellen, die in der Dichtung schlummern
und träumen. Ueber das Drama als solches aber hat der heutige
Abend doch wohl das letzte Wort gesprochen. Die fünf Akte
haben viel zu wenig leibhaftige Gegenwart, viel zu wenig sinnlich
gestaltetes Augenblicksleben, um von der Bühne herab über¬
zeugend zu uns zu sprechen, geschweige denn uns seelisch zu ergreifen.
Das Leitmotiv des Stückes: wir Menschen alle gehen eigentlich
unverstehend und unverstanden an einander vorüber den einsamen
Weg; erst im Tode oder unter dem drohenden Schatten eines
vernichtenden Schicksals rücken wir einander näher — dieser Ge¬
danke offenbart sich dem Dichter selber von vornherein nur
als eine Spiegelung der Vergangenheit, die er sich dann
vielfach wiederspiegeln, sich zerteilen, sich variieren, sich auflösen,
nirgends aber sich zu wahrhaften dramatischen Ereignissen ver¬
„Es scheint mir, daß jetzt wieder ein besseres
dichten läßt.
Geschlecht heranwächst: mehr Haltung und weniger Geist“ heißt
es einmal in dem Stück. Schnitzler gehört zu diesem kraft¬
volleren Geschlecht nicht.
Für die gedämpften Pastellfarben, die die Darstellung dieser
dramatischen Elegie verlangt, brachte weder Rittners robuste
Männlichkeit, noch Bassermanns scharf umreißende
Manchmal
die rechten Gaben mit.
Charakteristik
war es einem, als lehnten sie sich heimlich gegen die
müde Blässe der Dichtung auf. Irene Triesch mit
ihrer sensitiven Art hätte dem Stücke mehr geben können, wenn
ihr der Dichter mehr gegeben hätte. Inszenierung und Regie
zeugten für die erfreuliche Tatsache, daß allmählich auch das
sonst so selbstbewußte und selbstgewisse „Deutsche Theater“ vons
seinen jüngeren Wettbewerbern und Nebenbuhlern an zu lern##
F. 2.##
fangt.
box 23/1
Telephon 12801.
„Alex. Meigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERVEP“ —
Nr. 99
1
L. österr. behördl. oonc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichtes
Wien, I., Concondiaplatz 4.
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Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.

Ausschnitt aus: Kleino Preese, Frannert
vore 6/2 0007
= Berliner Theater. Man schreibt uns aus Berlin]
Anterm 13.: Von den verschiedenen Premièren, welche der
heutige Samstag brachte, ragte die Schnitzler=Novität auf
dem einsamen Wege der Poesie als interessanteste hervor.
„Der einsame Weg“, Schauspiel in fünf Akten von
Arthur Schnitzler heißt die neueste Schöpfung, die
im Deutschen Theater in den ersten Akten einen
vollen, daun aber, als man sich über die poetischen Absichten
in der allzu verschlungenen Handlung nicht recht klar wer¬
den konnte, einen nur recht geteilten Erfolg errang. Das
ist recht bedauerlich, denn Schnitzler zeigt sich in diesem
„einsamen Weg“ als ein wirklicher, echter Poet von zwin¬
gender Gestaltungskraft, und doch ist der Mißerfolg der
letzten Akte erklärlich und gerecht. Daß der Aufbau der Hand¬
lung dieses Dramas mehr nach der Technik des Romans
sich vollzieht, daß eine Handlung ohne zwingende Logik die
inclusive
andre Handlung nach sich zieht, möchte man noch hingehen las¬
Für
Porto.
sen, denn, was geschieht, fesselt den Zuschauer,, und das
Zahlbar
*
im Voraus.
ist schließlich die Hauptsache; daß der Dichter aber über di
" 1 Handlungsweise einzelner Gestalten keine völlige Klarhei te ist das
schafft, daß er den Zuschauer die Motive dieser Geschehnisse teht es den
Abon und die Absichten des Dichters nur erraten läßt, das ist ein Jern.
Abon größerer Mangel, welcher dieser Romantechnik entspringt
Das Stück darf kurz als das Drama des Egoismus bezeich= zaltend die
net werden; den „einsamen Weg“ des liebeleeren Alters Morgon¬
müssen die beiden Egoisten Julian und Stephan wandeln, g Zeitung")
Inhal
d1as die nur der eigenen Genußsucht gefröhnt, nie ein Opfer fülrchschaftliche
wodu andere gebracht haben. Julian hat einst Gabriele, die jetzige Diese Mit¬
Leber Frau des Professors Wegrath geliebt; geliebt, als sie schon
ihres jetzigen Gatten Braut war, und ihr Sohn Felix, wel¬
ebellt
cher als Sohn des Professors gilt und erzogen wurde, ist
samen Wege“ fürchtet, offenbart sich dem Sohne, der ihn aber¬
zurückstößt, denn er liebt den Professor, wie man nur einen
Vater lieben kann. Unsympathischer ist der andere, kühl be¬
rechnende Egoist, der dem Freunde, eben jenem Professor
Wegrath, die Tochter rauben will, die dieser freilich nie
recht besessen hat. Mit geistreicher Konsequenz hat Schnitzler
diese verschiedenen Arten des Egoismus gegenübergestellt,
und dazu in dem Professor Wegrath die hingebende,
opfernde Selbstlosigkeit, die sich den Sohn gewinnt. Die Dar¬
stellung kam den Absichten des Dichters in vollstem Maße
entgegen. Im Vordergrunde derselben wirkten Irene,
Triesch und Else Lehmann, die Herren Ritsner,
Bassermann, Sauer und Stieler.
E. Isolani.