W
box 23/1
18. Der einsane-neg
Selaschmidt
„ „ . Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.
1—
Ausschnitt aus
Nabonalzeitung, Bertin
45 FEB. 1904
mit den ausgefurchten Zügen im Gesicht, die auf ein bewegtes ihn ganz zu sich hinüber zu zieh
Leben voll Genuß und Leidenschaft schließen lassen. Er hat entfernt, ihm gerührt in die Ar¬
Kleines Feuilleton.
ernst läßt er sich die Geschichte
den Namen, aber längst nicht mehr die Kraft eines großen
dem er sein Dasein zu verda#
Deutsches Theater.
Trübe Herbststimmung mit vertrochnetem Laub, das, von Künstlers. Im Wiener Museum hängt ein vielbewundertes
Fichtner ihm dabei fremder all
Porträt von ihm. Es stellt eine junge Schauspielerin im
Harkelinkostüm mit einer griechischen Toga und einem Gewirr weit mehr dem Manne gehört,
kaltem Wind getrieben, über die Straßen raschelt, das nieder¬
von Masken zu ihren Füßen dar. Fichtner hat ihm die Züge pflegt, behütet und erzogen h
drückende Gefühl einer Schuld, die sich nicht wieder gutmachen
seiner Geliebten, einer namhaften Darstellerin gegeben, von fortan beide weiter auf getrei
läßt, die Ahnung von Vergänglichkeit und Tod durchziehen
handelt diesen Teil seiner Han
das fünfaktige Schauspiel „Der einsame Weg“ von
Arthur Schnitzler. Eine sterbende Frau erscheint in der er sich wegen ihrer leichtsinnigen Streiche trennte. Sie
Sentimentalität, mit der ein
finden sich nun wieder als gute Freunde, die nichts mehr von
zosen gern verquickt wird. Er
einem kleinen Gärtchen, das ganz von Häusern umschlossen
einander wollen. Die Schauspielerin hat ein behagliches
Unterkommen auf dem Lande bei ihrer verheirateten Schwester und häuft kleine Charakterzüge
ist, so daß jeder Ausblick ins Freie fehlt. Ein Künstler,
gefunden und denkt nur noch mit Grauen an die Demüti= dung der beiden Männer vollz
dessen Haar ergraut und dessen Talent gebrochen ist, reißt sich
deutung für uns verlieren.
von seinen Erinnerungen los und steht im Begriff, seine schöne
gungen und die Schmach, denen sie während ihrer Theater¬
Wir schreiten durch den #
Einrichtung zum Trödler zu schicken. Ein vornehmer Mann
wandert zwischen den Sträuchern und Bäumen seiner Be¬ laufbahn ausgesetzt war. Sie fühlt sich jetzt als Naturkind,
Menschen, die sich ebenfalls auf
sitzung mit trüben Gedanken einher, denn er weiß, daß seine dem die Dichter auf den Proben wie Narren vorkommen und
gebrochene Naturen darstellen.
das sich nicht scheut, das törichte Gerücht auszustreuen, einer
sieben Jahren seine Frau unl
Lebensuhr bald still stehen wird. Als matten Trost läßt die
ihrer Bekannten habe seine Frau umgebracht. Als Fichtner
spinnt sich nun immer tiefer in
Abendsonne ihren roten Schein durch die Fenster seiner Villa
sie in ihrer reizenden Frische wiedersieht, kommt ihm das Oede
seiner eben bezogenen Villa zei
und auf den Teich fallen, wo die Marmorbüften von römischen
und Leere seiner Existenz erst voll zum Bewußtsein. Er be¬
er sich als Dichter, de manch
Kaisern stehen und seine Geliebte alsbald ein kaltes nasses
Grab finden wird. Auch wenn die Menschen Freundschaft sitzt nicht mehr die Fähigkeit, sich zu sammeln, sondern irrt
ein Stück zur Aufführung brch
und Liebe für einander zu empfinden scheinen, sind sie doch planlos in der Welt umher. Das Alter klopft vernehmlich
um ihn geworden und er legt)
nur mit ihren traurigen Gedanken, ihrer Selbstquälerei und an seine Tür und er hat als Junggeselle keine Seele, an die
1„Freunde habe ich im allgen
Er
Verzweiflung beschäftigt. „Wer kümmert sich denn überhaupts er sich vertrauensvoll anschließen kann.
habe, verleugne ich sie.“
Doch nein! Jemand lebt, dem er sich offenbaren möchte,
um die andern?“ fragt in einer bangen Stunde ein junger
von dem er neue Belebung und Verjüngung seines trostlosen einem Arzt in die Hände gefal
Mann, der durch das Verschwinden seiner Schwester be¬
unruhigt ist, und der Arzt des Hauses antwortet ihm viel= Innern erwartet. Das ist ein flotter Ulan, der aber manch= daß es nicht mehr lange mit ihn
er sich aber doch noch aufraffen
mal daran zweifelt, ob er zur rechten Zeit geboren sei und
nehmen. Ein Graf will eine
sagend: „Es ist wahrscheinlich gut so, sonst würden wir alle
sich nach einem Leben ohne die moderne Ordnungsfexerei
Durchforschung Bactriens un
toll vor Mitleid oder Ekel oder Angst.“ Wo ist das Lachende,
sehnt. Seine dahinsiechende Muttter hat einen seelenguten
Leuchtende und Leidenschaftliche in der Begabung Schnitzlers
geblieben, der eben erst im „Schleier der Beatrice“ einen sol Mann, der sich bei der Leitung der Kunstakademie an die Tret= Eebatana ausrüsten. Sala si
bläulich schimmernden Marm
mühle gewöhnt hat, einen sogenannten Kunstbeamten, der!
schönen Aufschwung zu den goldenen Höhen der Renaissance
genommen hat? Er ist in dem neuen Stück wieder zu seinen sein Glück darin findet, sich für andere zu opfern. Er weiß Erde führen, die prächtigen!
vor sich, um den Genuß dies
Wienern zurückgekehrt, aber wie sehr haben sie sich ins Trüb=nicht, daß sein Felix, den die Uniform so schmuck kleidet, der
betäubenden Trunk noch vor s
selige verändert! Sie hocken wie Gespenster auf Gräbern und Sohn des Malers Fichtner ist und daß seine Frau in der!
Eine tragisch ausgehend
scheuchen alles Lebendige von sich. Was ehemals in den Sterbestunde mehr an diesen als an ihn gedacht hat. Der
Maler betrachtet den jungen Mann mit schwärmerischen vonr Ausführung dieses
Augen. Er will ihn sich nicht nur als Freund erhalten, Tochter des Akademiedirektor
Herzen glühte, ist kalt und die Welt ein Aschenhaufen ge¬
worden.
Versuchen wir uns in dem Nebel dieser verschwimmenden sondern auch seine Liebe als Sohn erringen. Zögernd und Wesen voll unterdrückter Lebe
handlung zu den Hauptpersonen hindurchzutappen! Da er= bang gibt er sich ihm, während er ein Jugendbild der Frau aus dem Elternhause hinaus
blicken wir zunächst den graubärtigen Maler Julian Fichtner in den Händen hält, als Vater zu erkennen in der Erwartung, ihr dabei wie eine Last ersch
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18. Der einsane-neg
Selaschmidt
„ „ . Bureau für
Zeitungsausschnitte
verbunden mit direktem Nachrichtendienst durch
eigene Korrespondenten.
Telephon: III, 3051.
Berlin N. 24.
1—
Ausschnitt aus
Nabonalzeitung, Bertin
45 FEB. 1904
mit den ausgefurchten Zügen im Gesicht, die auf ein bewegtes ihn ganz zu sich hinüber zu zieh
Leben voll Genuß und Leidenschaft schließen lassen. Er hat entfernt, ihm gerührt in die Ar¬
Kleines Feuilleton.
ernst läßt er sich die Geschichte
den Namen, aber längst nicht mehr die Kraft eines großen
dem er sein Dasein zu verda#
Deutsches Theater.
Trübe Herbststimmung mit vertrochnetem Laub, das, von Künstlers. Im Wiener Museum hängt ein vielbewundertes
Fichtner ihm dabei fremder all
Porträt von ihm. Es stellt eine junge Schauspielerin im
Harkelinkostüm mit einer griechischen Toga und einem Gewirr weit mehr dem Manne gehört,
kaltem Wind getrieben, über die Straßen raschelt, das nieder¬
von Masken zu ihren Füßen dar. Fichtner hat ihm die Züge pflegt, behütet und erzogen h
drückende Gefühl einer Schuld, die sich nicht wieder gutmachen
seiner Geliebten, einer namhaften Darstellerin gegeben, von fortan beide weiter auf getrei
läßt, die Ahnung von Vergänglichkeit und Tod durchziehen
handelt diesen Teil seiner Han
das fünfaktige Schauspiel „Der einsame Weg“ von
Arthur Schnitzler. Eine sterbende Frau erscheint in der er sich wegen ihrer leichtsinnigen Streiche trennte. Sie
Sentimentalität, mit der ein
finden sich nun wieder als gute Freunde, die nichts mehr von
zosen gern verquickt wird. Er
einem kleinen Gärtchen, das ganz von Häusern umschlossen
einander wollen. Die Schauspielerin hat ein behagliches
Unterkommen auf dem Lande bei ihrer verheirateten Schwester und häuft kleine Charakterzüge
ist, so daß jeder Ausblick ins Freie fehlt. Ein Künstler,
gefunden und denkt nur noch mit Grauen an die Demüti= dung der beiden Männer vollz
dessen Haar ergraut und dessen Talent gebrochen ist, reißt sich
deutung für uns verlieren.
von seinen Erinnerungen los und steht im Begriff, seine schöne
gungen und die Schmach, denen sie während ihrer Theater¬
Wir schreiten durch den #
Einrichtung zum Trödler zu schicken. Ein vornehmer Mann
wandert zwischen den Sträuchern und Bäumen seiner Be¬ laufbahn ausgesetzt war. Sie fühlt sich jetzt als Naturkind,
Menschen, die sich ebenfalls auf
sitzung mit trüben Gedanken einher, denn er weiß, daß seine dem die Dichter auf den Proben wie Narren vorkommen und
gebrochene Naturen darstellen.
das sich nicht scheut, das törichte Gerücht auszustreuen, einer
sieben Jahren seine Frau unl
Lebensuhr bald still stehen wird. Als matten Trost läßt die
ihrer Bekannten habe seine Frau umgebracht. Als Fichtner
spinnt sich nun immer tiefer in
Abendsonne ihren roten Schein durch die Fenster seiner Villa
sie in ihrer reizenden Frische wiedersieht, kommt ihm das Oede
seiner eben bezogenen Villa zei
und auf den Teich fallen, wo die Marmorbüften von römischen
und Leere seiner Existenz erst voll zum Bewußtsein. Er be¬
er sich als Dichter, de manch
Kaisern stehen und seine Geliebte alsbald ein kaltes nasses
Grab finden wird. Auch wenn die Menschen Freundschaft sitzt nicht mehr die Fähigkeit, sich zu sammeln, sondern irrt
ein Stück zur Aufführung brch
und Liebe für einander zu empfinden scheinen, sind sie doch planlos in der Welt umher. Das Alter klopft vernehmlich
um ihn geworden und er legt)
nur mit ihren traurigen Gedanken, ihrer Selbstquälerei und an seine Tür und er hat als Junggeselle keine Seele, an die
1„Freunde habe ich im allgen
Er
Verzweiflung beschäftigt. „Wer kümmert sich denn überhaupts er sich vertrauensvoll anschließen kann.
habe, verleugne ich sie.“
Doch nein! Jemand lebt, dem er sich offenbaren möchte,
um die andern?“ fragt in einer bangen Stunde ein junger
von dem er neue Belebung und Verjüngung seines trostlosen einem Arzt in die Hände gefal
Mann, der durch das Verschwinden seiner Schwester be¬
unruhigt ist, und der Arzt des Hauses antwortet ihm viel= Innern erwartet. Das ist ein flotter Ulan, der aber manch= daß es nicht mehr lange mit ihn
er sich aber doch noch aufraffen
mal daran zweifelt, ob er zur rechten Zeit geboren sei und
nehmen. Ein Graf will eine
sagend: „Es ist wahrscheinlich gut so, sonst würden wir alle
sich nach einem Leben ohne die moderne Ordnungsfexerei
Durchforschung Bactriens un
toll vor Mitleid oder Ekel oder Angst.“ Wo ist das Lachende,
sehnt. Seine dahinsiechende Muttter hat einen seelenguten
Leuchtende und Leidenschaftliche in der Begabung Schnitzlers
geblieben, der eben erst im „Schleier der Beatrice“ einen sol Mann, der sich bei der Leitung der Kunstakademie an die Tret= Eebatana ausrüsten. Sala si
bläulich schimmernden Marm
mühle gewöhnt hat, einen sogenannten Kunstbeamten, der!
schönen Aufschwung zu den goldenen Höhen der Renaissance
genommen hat? Er ist in dem neuen Stück wieder zu seinen sein Glück darin findet, sich für andere zu opfern. Er weiß Erde führen, die prächtigen!
vor sich, um den Genuß dies
Wienern zurückgekehrt, aber wie sehr haben sie sich ins Trüb=nicht, daß sein Felix, den die Uniform so schmuck kleidet, der
betäubenden Trunk noch vor s
selige verändert! Sie hocken wie Gespenster auf Gräbern und Sohn des Malers Fichtner ist und daß seine Frau in der!
Eine tragisch ausgehend
scheuchen alles Lebendige von sich. Was ehemals in den Sterbestunde mehr an diesen als an ihn gedacht hat. Der
Maler betrachtet den jungen Mann mit schwärmerischen vonr Ausführung dieses
Augen. Er will ihn sich nicht nur als Freund erhalten, Tochter des Akademiedirektor
Herzen glühte, ist kalt und die Welt ein Aschenhaufen ge¬
worden.
Versuchen wir uns in dem Nebel dieser verschwimmenden sondern auch seine Liebe als Sohn erringen. Zögernd und Wesen voll unterdrückter Lebe
handlung zu den Hauptpersonen hindurchzutappen! Da er= bang gibt er sich ihm, während er ein Jugendbild der Frau aus dem Elternhause hinaus
blicken wir zunächst den graubärtigen Maler Julian Fichtner in den Händen hält, als Vater zu erkennen in der Erwartung, ihr dabei wie eine Last ersch