II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 73

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nsäne
box 23/1
18. Der
Deutscher Reichsanzeiger, Berlin
45 FEB. 1904
Theater und Musik.
Deutsches Theater.
Das am Sonnabend zum ersten Male aufgeführte fünfaktige
Schauspiel „Der einsame Weg“ von Arthur Schnitzler#gt
mit Rücksicht auf den Reichtum an interessanten Einzelmotiven, auf
viele schöne Stimmungsmomente, auf manche geistvolle Einfälle und
einzelne geschickt gebaute Szenen wohl als das Werk des Dichters
zu erkennen, der schon so oft Beweise seiner künstlerischen
Berufung abgelegt hat. Umsomehr muß es befremden, daß in der
Ausgestaltung der Motive eine oft scheinbar absichtliche Unklarheit
vorherrscht, daß die vielen guten Ansätze sich verlieren und durch¬
einander geraten, sodaß das lange Stück etwas Verschwommenes
Charakteristisch für
und unbehaglich Schwerfälliges bekommt.
ist die technisch wohl ge¬
die Führung der Handlung
Inhalt nach ganz unmögliche Er¬
schickte, aber ihrem
kennungsszene zwischen Felix Wegrath und seinem natürlichen
Vater Julian Fichtner. Fichtner, ein Jugendfreund des alten Wegrath,
hatte sich kurz vor der Vermählung dessen Braut in einer Laune
der Leidenschaft erobert. Im Begriff, mit ihr zu entfliehen,
erwacht aber in ihm wieder die Lust am ungebundenen
Leben, und er geht ohne die Braut davon. Diese heiratet
den Wegrath, und der Erstgeborene gilt für dessen Sohn.
Diesen Zusammenhang errät Felix, nicht etwa aus seiner eigenen
Aehnlichkeit mit Fichtner, sondern weil ein von diesem gemaltes Bild
seiner Mutter ihm den Ausdruck zu tragen scheint, den ein liebendes
Weib nur dem Geliebten zeigt. Der Dialog zerrt sich hin und
her. Er ahnt, daß auch andere den gleichen Verdacht hegen
müssen. Ueberhaupt spielen Ahnungen in dem Schauspiel
— übrigens
ein große Rolle. Eine Nebenperson des Stückes
die Schauspielerin Irene Herms ahnt auch,
die lebensvollste
Ein Herr von Sala muß von
daß Feli Fichtners Sohn ist.
verschiel en sonderbar angeblickt werden, damit er ahne, daß er
schwer herzleidend sei. Diese Fülle von Unwahrscheinlichkeit
bildet eine schwere Trübung der Handlung. Erst allmählich
kommt der im Titel angedeutete Grundgedanke zum Vorschein.
Mit dem einsamen Weg ist neben dem Schicksal aller Personen in¬
sonderheit der Lebenspfad der beiden einander sehr ähnlichen Figuren
des Fichtner und von Sala gemeint. Diese beiden haben ihr Leben
lang nur selbstsüchtige Zwecke verfolgt, rücksichtslos alles nur
ihrem Genuß dienstbar gemacht. Jetzt altern sie, und schal und
einsam will ihnen das Leben erscheinen. von Sala, der
stärkere, sucht sich damit abzufinden, so gut es geht, während der mehr
haltlose und sentimentale Fichtner in der ersehnten Liebe seines natür¬
lichen Sohnes eine Stütze für sein Alter zu finden hofft. Umsonst,
Felix Wegrath, erfüllt von Liebe für den, den er bisher
Vater genannt hat, stößt den Verführer seiner Mutter
So muß Fichtner einsam bleiben, kurz
schonungslos zurück.
nachdem von Sala freiwillig aus dem Leben geschieden ist, weil
das Mädchen, das er liebte und zum Weibe begehrte, Felix'
Schwester, ein hysterisches, nach nebelhaften Fernen sich seh¬
nendes Wesen, ihm ziemlich unmotiviert im Tode voranging.
Aus all der Wirrnis treten eigentlich nur zwei Gestalten klarer
hervor: der alte Wegrath in seiner liebenswürdigen Schlichtheit und
Lebenswahrheit und die obenerwähnte Irene Herms, frisch, natürlich,
voll Humor und mit der durchklingenden Traurigkeit des innerlich
Sie wurden von Herrn Sauer
vereinsamten Menschen.
starker
und
und Frau Lehmann mit großer Wärme
Wirkung gespielt. Die Darstellung war überhaupt gut, sowohl im
einzelnen als im Zusammenspiel; nur Herr Stieler fand als Felix
manchmal nicht den überzeugenden Ton. Den von Sala gab Heer
Bassermann in seiner scharf charakterisierenden, ausdrucksvollen Weise, den
Fichtner Herr Rittner, in der Maske vielleicht etwas zu roh. Der Rolle der
Johanna wußte Fräulein Triesch poetische Wirkungen abzugewinnen.
Die Episodenfiguren der Frau Wegrath und eines Arztes waren bei
Frau Pauly und Herrn Godeck aufs beste aufgehoben. Auch die
Inszenierung darf man loben. Der Verfasser erschien trotz heftigen
Widerspruchs öfter vor dem Vorhang.
Dr. Max Goldschmidt
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Arthur Schnitzler,
dessen neuestes Schauspiel: „Der einsame Weg“
am Sonnabend im Deutschen Theater zum
ersten Male aufgeführt wurde.