II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 86

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am
18. Der einsane Neg
3051.
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Ausschnitt aus
kommt er zur Besinnung. Er ist der Kerl, solch schönes dem Enthusiasmus der Masse. Kein Zu
Menschenkind für Stunden selig zu machen in seinen ist populär. (Der findige Kurt Kraatz ist
Armen. Aber er braucht Sorglosigkeit und Freiheit. Er dieser Erkenntnis eine Bootslänge voraus
weiß, daß er nur dieses eine Leben hat; daß dieses „Iltis“ — Gefecht um die Taku=Forts —
General-Anzeiger, Frankfurt a. M.
Leben ihn erwartet, schimmernd von Glanz und Aben= und Seemannsbraut — blaue Jungens 4
was auf der Bühne „Hurra“ ist, wird
teuern, aber ihn allein, den Starken und Freien. So
Zuschauerraum. Ein braver junger Ker
verrät er das vertrauensselige Wesen, das ihm gehört, um
und Seele Seeoffizier ist läßt sich von
sich selbst zu retten und seine ungeheure Sehmucht. Er
Mutter, die eben den tapferen Gatten ir
16 FER 1904
flieht voll Angst und Glückseligkeit, aber ohne Reue. Er
grabe verloren hat, bestimmen, der See z
liebt jetzt seine Freiheit, wie er für Stunden das Weib ge¬
wird Kaufmann ohne Lust und Talent.
liebt hat. Mehr Geist, weniger Haltung . . . Gabriele be¬
richten von der Erstürmung der Takufol
zwingt ihren Schmerz, sie schweigt, heuchelt, leidet. Sie
Geist und Haltung.
ganze heiße Sehnsucht, und verständige A
heiratet den Braven, Anstänndigen und steigt mit ihm die!
ihm in die Freiheit, in den alten geliebt
(Von unserem Berliner Bureau.)
glatten Stufen hinauf. Er wird Professor, Akademie¬
eine nette Braut, die sich vor dem Los
II Berlin, 14. Februar.
direktor — sie freut sich für ihn und ordnet ihm still das
gattin nicht scheut, kriegt er noch oben
Haus. Der Sohn aber, den sie in seinem Haus geboren,
Ein paar sehr hübsche Worte prägt Arthur Schuihlex
kommen Patriotismus und Frohsinn wohl
Sie schweigt,
in seinem neuen fünfaktigen Schauspiel: „Der einsamcg
ist Julians Sohn, nicht der seine
Und die stramme „Haltung“ ist das Beste.
heuchelt, leidet. Eine Tochter Johanna folgt und das
Weg“. Und ein paar Gestalten stellt er vor uns hin,
kluge Weltmann von Sala spricht in seinel
Geschwisterpaar wächst in herzlicher Liebe auf. Schon ist
moderne Menschen, kühl, müde, voll Todesahnung und
liebten von der Waterkant. Er erinnert s
Felix ein frischer Bursch von 23 Jahren, Leutnant, und
Todesverachtung, Menschen, die wir uns nicht zu täg¬
das er gesehen. Zwei alte Matrosen mit
voller Pläne für die Zukunft, da stirbt die Mutter. Nur
lichen Begleitern wünschen möchten, deren Leben und Er¬
sichtern; sie sitzen auf einem umgewanl
Johanna, die den visionären Zug des Leidens trägt, hat
löschen aber interessiert. Damit sind die Hauptvorzüge
trüben Blick aufs unendliche Meer hinau
es geahnt, wie nah ihr Tod war. Zu derselben Zeit hat
des Stückes gegeben, das gestern abend das „Deutsche
ihr Elend tiefer, als der Maler, der es g##
sich das ernste Mädchen — der Dichter bleibt uns die Er¬
Theater“ in seinem Zirkel stets derselben Autoren heraus¬
als sie selber es fühlten, wenn sie lebendig
klärung schuldig und legt das seltsame Aufglühen ihrer
brachte. Seine bald sprunghafte, bald romanhafte Hand¬
ist nicht der Weg ins Herz des Publikums
Leidenschaft in die stets wohltätige große Pause — jenem
lung ist kein dramatisches Meisterwerk; und das Publikum,
durch den der Herbstwind leise die fallend
Herrn von Sala heimlich geschenkt. In seiner ver¬
das nach vielen einsamen Wegen ins Gestrüpp der dürren
Schon besser und einfacher: Iltis —
schwiegenen Villa traumt sie ihr kurzes Liebesglück. Er
Reflexion und in das Nebelland der Symbolik schließlich
rüstet sich, teilzunehmen an einer Expedition nach toten Jungens — Hurra!
wieder verlangt, daß der Bühne gegeben wird, was der
Städten Asiens, sie weiß es. Sie weiß mehr; weiß, daß
Bühne ist, hielt sich mehr an die Fehler als an die Vor¬
er das Ziel nie erreichen wird, weil sein Leben nur noch
züge des Stückes. Es war weniger als ein halber Erfolg
nach Tagen rechnet. Und das wunderliche Mädchen er¬
und nicht ganz ein Durchfall. Die Mißvergnügten waren
tränkt sich im Teich seiner Villa just an dem Abend, da
schließlich stärker als die Dankbaren.
der Ahnungslose ihr seine Hand angetragen. In den¬
Und doch ... Der Himmel verzeiht um eines Ge¬
selben Tagen hat Felix die Gewißheit seiner Abstammung
rechten willen. In diesem Schauspiel ist eine brillante
bekommen. Die Andeutungen der Mutter in der Sterbe¬
Figur, die dem Wiener nicht so leicht ein anderer nach¬
stunde haben im Anblick ihres Jugendbildes im einsamen
zeichnet. Wer weiß, dieser Herr von Sala hat vielleicht
Heim seines wahren Vaters ihre besondere Sprache ge¬
in seiner fröhlichen Jugend, in der schönen wilden Leut¬
sprochen; Ahnungen sind heraufgestiegen und haben sich
nantszeit, dem genußfrohen Anatolkreise nicht fern ge¬
zur Gewißheit verdichtet, und Julian, müde, den ein¬
standen. Dann sah er mit den stahlharten Augen ins
samen Weg des Alters allein zu gehen ohne die stolze
Leben. Enttäuschungen, von denen er nicht spricht, Frauen,
Freude an seinem Blut, hält die Stunde für gekommen,
die er nicht nennt, haben ihn zu dem kühlen, ruhigen Men¬
dem Sohn alles zu sagen. Zu spät. Der Tod der
schen gemacht, der die Freunde anzieht, ohne selbst das
Schwester hat den alten Professor vollends vereinsamt.
Bedürfnis zu haben, Freund zu sein, den die Gegenwart
Felix fühlt, daß er ihm bleiben muß, was er war. Die
nicht erschüttern kann, und der davon träumt, unter
gütige Lüge muß dauern. Denn wie der kluge und
Staub und Schutt einer fernen Oede eine vieltausend
resignierte Hausarzt im Stücke einmal schön sich aus¬
Jahre begrabene Riesenstadt zu suchen, hunderte von
drückt: „Eine Lüge, die sich so stark erwiesen hat, daß sie
opalisch glänzenden Stufen herunterzusteigen zu ihrem
den Frieden eines Hauses tragen kann, ist mindestens so
Königspalast und ihren vergessenen Geheimnissen. In
verehrungswürdig, als eine Wahrheit, die nichts anderes
der Schale eines korrekten Nüchterlings eines Ironikers,
vermöchte als das Bild der Vergangenheit zu zerstören,
von dessen schmalen Lippen niemals das Lächeln eines über¬
das Gefühl der Gegenwart zu trüben und die Betrachtung
legenen Spottes schwindet, wenn er mit diesen in die
der Zukunft zu verwirren.“ Und dieser Hausarzt hat,
Gegenwart verliebten Kindern der Welt redet, das Herz
scheint mir, viel Haltung und Geist. Dafür verliert er
eines Träumers; ein stolzes, selbstsicheres Herz, über das
auch das Mädchen, das er heimlich liebt, erst an den
die Todesahnung leise Schatten breitet. Was er von den
ironischen Weltmann, dann an den Tod. Und dafür spielt
Menschen erwartet, liegt in seinem Abschiedswort an den
er in dieser Welt nur die bescheidene kleine Rolle, daß er
Freund, einem jener Worte, in dem sie leise mitklingt, die
den Tod aller früher kommen sieht und so wenig aufhalten
große Sehnsucht über den Menschen von heute hinaus:
„Es scheint mir überhaupt, daß jetzt wieder ein besseres
kann als die anderen.
Geschlecht heranwächst — mehr Haltung, weniger Geist!“
Am selben Abend, da Schnitzler mit seinem Drama
. Schade, daß Schnitzler in seinen letzten Stücken sich
feiner an Geist als stark in der Haltung, den Mißerfolg
immer mehr als nicht zu diesem Zukunftsgeschlecht ge¬
vor dem kritischsten Publikum des „Deutschen Theaters“
hörig entpuppt. Er will zu geistreich sein; und so ver¬
erlebte, erfocht die Frische und die forcierte Betonung der
dunkelt er künstlich das Klare und Einfache. Sein Herr
„Haltung“ vor dem bequemeren Publikum des „Berliner
von Sala rühmt selbst als Wesen seiner Freundschaft, daß
Theaters“ den hübschen Sieg für Rich. Skowronneks
er stets die Stichworte zu geben weiß. Mehr Geist als
„Waterkant“. Da ich im „Deutschen Theater“ darüber
Haltung .. . Was an der Handlung des Stückes inter¬
nachsinnen mußte, ob Schnitzler mit seiner immer größeren:
essant ist, liegt in der Vergangenheit. Da war ein hüb¬
Vorliebe für Geheimnis und Ahnung und Untertöne des
sches, frisches Mädel, Gabriele hieß sie, und sie hatte
Bewußtseins als Dramatiker ganz dem Okkultismus ver¬
einen Bräutigam, in dem damals schon der Akademie¬
fallen wird, kann ich in Konstatierung des Skowronnek¬
professor, der Kunstbeamte steckte. Dieser brave und an¬
schen Erfolges nur meinen Gewährsmännern folgen. Aber
ständige Wegrat, der auch in seiner Kunst nie mehr war
er erscheint mir erklärlich. Schnitzler kennt das Leben
als eben brav und anständig — und man ist verflucht
besser, Skowronnek das Theater. Schnitzler denkt, wenn
wenig, wenn man nur das ist, sagen die Menschen, die
er Dramen schreibt an wunderliche Menschen, die er auf
mehr Geist als Haltung haben — hat einen Freund, einen
einsamen Wegen getroffen, Skowronnek denkt an die lieben
genialen Durchgänger, voller Keckheit und Zuversicht, einen
Leute im Parkett, die gern ihr behagliches Lachen hören
lachenden Egoisten, der sich die Blume seines Augenblicks¬
lassen und dann wieder gern rasch ein Tränchen aus dem
glückes pflückt, und sollte diese Blume — die Braut des
Augenwinkel wischen, eh's wieder hell im Saal wird.
Freundes sein. Seine Liebe bringt ihr das Wunder, den
Schnitzler taftet behutsam nach Seelen, die sich hinter
Taumel, den Rausch. Sie gehört ihm ganz und will ihm
für immer gehören. In der Nacht vor der Flucht!Masken verstecken, Skowronnek hört mit hellem Ohr nach