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18. Der einsenenen
K
Nr. 39. 16. Februar 1904
alles nichts. Das Telegramm brachte dem schwanken Kahn
lüge bis zu Ende getragen, ohne daß der strafende Richter
in ihr aufgestanden wäre. So oft uns Schnitzlers Kunst das erste Leck bei, es kamen dann von Akt zu Akt
an die Ibsens erinnert, hier zeigt sich der ganze Unter= neue Stöße hin: Er versank schließlich lautlos in Tränen,
ohne den gerincsen Strudel zu hinterlassen. Von den Spielern
schied zwischen germanischem Wahrheitsernst und jüdisch¬
bot vor allem Kuhnert im ersten Akte einen vortrefflichen,
wienerischer Empfindsamkeit. Doch was sie selbst nicht bü¬
von treuer Biederkeit förmlich triefenden Oberbootsmannsmaat.
ßen sollte, büßt ihre Tochter. In ihr wiederholt sich das
Sonst wären noch Herr Walden, Herr Rohland und Fräuleins
Schickjal der Mutter. Was ist Gegenwart, was ist Ver¬
E. B.
Ceriglioni zu nennen.
gangenheit? Die von Ahnungen und Träumen umsponnen
wird wie Beatrice Nardi, der sich Traum und Wirklichkeit
unkeusch verschlingen, die mit sich und den Menschen spielt,
Zeitungsstimmen.
der nicht das Frauenglück vergönnt, sich einem andern ganz
Zu dem Anwachsen der Sozialdemokratie bei den
zu geben, sie, der vor Leid und Krankheit feige graut —
Hamburger Bürgerschaftswahlen bemerkt der „Ham¬
sie verliert sich an einen Todeskandidaten, einen unsteten,
burger Korrespondent“
wurzellosen, trüben Gast auf dieser dunklen Erde, dem aller
„Die Ueberraschung, die man von den heutigen Bürger¬
Schmerz und alles Glück nur eine Sensation. Dieser schön¬
schaftswahlen befürchten mußte, ist leder nicht ausge blieben,
geistige Herr von Sala ist ein Partner Fichtners, nur daß
und zwar ist sie sehr kräftig geworden. Nicht weniger
er sich über sich selbst klar ist, nur daß er sich weniger weh¬
als zwölf Sozialdemokraten ziehen neugewählt in unsere Bür¬
gerschaft ein: vorausgesetzt also, daß das halbe Dutzend Stich¬
leidig betrachtet als dieser. Die er vielleicht im Abendrot
mahlen dank dem Zusammenhalten der bürgerlichen Parteien
seiner verlorenen Tage doch noch lieben gelernt hätte, Ga¬
der Sozia demokratie keinen weiteren Zuwachs bringen wird,
brielens Tochter, weiß, daß es zu spät ist: so stürzt sie sich
wie ja wohl zu hoffen steht, werden wir in der Bürger¬
in den Teich in seinem Garten und macht sich ihm zu einer
schaft einschließlich des darin verbliebenen Stolten eine „rote
„Erinnerung“ wie die andern, die vor ihm und für ihn da¬
Fraktion“ von 13 Mann haben. Und — auch das läßt sich
hingegangen sind. „Und wenn uns ein Zug von Bacchanten
sast mit Sicherheit voraussagen — in drei
begleitet hätte, den Weg hinab gehen wir alle allein — wir,
Jahren wird diese Zahl reichlich auf das Doppelte
die selbst niemandem gehört haben.“ Wie Fichtner, dem
steigen. Wir müssen also mit der Sozialdemokratie künf¬
tig als mit einem Faktor rechnen, der sich in unserer Bür¬
der Sohn die Hand verweigert, schreitet auch Sala einsam
gerschaft breit machen wird, wie er sich im Reichstage breit
den Pfad gen Abend, in die Nacht. Man denkt
macht, wenn er auch hier so wenig wie dort unmittel¬
an Rückerts Wort: „Ein Mensch, der zu Sterben
baren politischen Einfluß auf den Gang der
der
geht und keinem Liebe geschenkt hat; ein Krug,
Dinge zu üben vermag.“
zzu Scherben geht und keinen Durst'gen getränkt hat.“
Die „Hamburger Nachrichten“ geben einen
Ueber sie hinweg aber reichen sich die die Hände, die durch
Teil der Schuld an dem Ausfall der Wahlen den sozia¬
gleiche Lebensauffassung, durch gleiches Opfer= und Pflicht¬
listelnden#
gefühl sich verwandier fühlen dürfen, als Bande des Blutes?
allein uns machen können: der alte Wegrath und Felir#
sein wahlverwandter Sohn. Mit dem Ruf aus Herzens
Tiefe stürzt der Junge dem Alten in die Arme: „Vater.
Mein Vater!“ Und diesem klingt es, als hört er es zum
ersten Male.
Auch sonst wird das Leitmotiv des Stückes, wie wir
Menschen alle nichts von einander wissen, wie wir kaum
unsere Beziehungen zu einander kennen, an unserem Glück
vorüberrennen und dazu bestimmt scheinen, auseinanderzu¬
slattern, weiß Gott wohin, von Schnitzler noch mannigfach
vartiert. Aber auch die es positiv vertreten wie die Schau¬
spielerin Irene Herms, die sich aus dem unfruchtbaren Reich
der Kunst zur Natur zurückgeflüchtet hat und die das Wort
spricht: „Eine Frau, die kein Kind hat, ist gar nie eine
gewesen,“ auch diese Gestalten werden unter seinen verzär¬
telten Händen keine rechten vollsaftigen Menschen von Fleisch
und Blut. Sie bleiben Schemen, Transparente, durch die
wir hindurchblicken, die aber nicht auf uns zukommen, die
uns nichts zu sagen haben, das uns aufrichten, tüch¬
#tiger, lerensfroher und stärker machen könnte. Es fehlt die
Kraft, der Wille und der Glaube — darum bleibt am Ende
alles so müde, so elegisch, so fern und trübe. Erinnerung
und Ahnung, keine Gegenwart.
Ungleich reicher als von der Bühne erschließen sich uns
deshalb aus dem Buche (Berlin, S. Fischer) die vielen
Einzelschönheiten, die das in sich reife Werk des ernst an
sich arbeitenden Dichters bringt. Trotzdem ist und bleibt
es ein künstlerischer Genuß, Schauspieler wie Basser¬
mann (Sala), Ritiner (Fichtner) und Else Leh¬
mann (Irene Herms) mit Aufgaben, die eigentlich ihrer
realistischen Begabung widerstreben, klug, fein und geschmack¬
voll ringen zu sehen. Irene Trieschs sensitioe Kunst
hätte dem Stücke und seinem innersten Wesen mehr geben
können, wenn der Dichter ihrer Johanna mehr gegeben hätte,
Nur ein paar Mal, und auch dann nicht ohne Widerspruch,
durfte Schnitzler vor dem Vorhang erscheinen. Für den
schwachen Dramatiker war es genug, übergenug; der Dichter
F. D.
hätte öfter kommen dürfen.
### Mert:—
—
wird dieselbe Schwierigkeit i
tionen im Abgeordnetenhause
im Reichstage seit der Wahl
reits besteht. Wir glauben
Abgeorductenhause sich dadur
lassen wird, wie das Zentruf
gezwungen sein, die Kons
Vorgehen zu ziehen. Selbsti
Zentrum mit demselben Nach
die berechtigten Beschwerden
wird sich dabei auf eine
ser Beschwerden und auf
und ungerechten Polenpoliti
müssen, ohne Rücklicht
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Nr. 39. 16. Februar 1904
alles nichts. Das Telegramm brachte dem schwanken Kahn
lüge bis zu Ende getragen, ohne daß der strafende Richter
in ihr aufgestanden wäre. So oft uns Schnitzlers Kunst das erste Leck bei, es kamen dann von Akt zu Akt
an die Ibsens erinnert, hier zeigt sich der ganze Unter= neue Stöße hin: Er versank schließlich lautlos in Tränen,
ohne den gerincsen Strudel zu hinterlassen. Von den Spielern
schied zwischen germanischem Wahrheitsernst und jüdisch¬
bot vor allem Kuhnert im ersten Akte einen vortrefflichen,
wienerischer Empfindsamkeit. Doch was sie selbst nicht bü¬
von treuer Biederkeit förmlich triefenden Oberbootsmannsmaat.
ßen sollte, büßt ihre Tochter. In ihr wiederholt sich das
Sonst wären noch Herr Walden, Herr Rohland und Fräuleins
Schickjal der Mutter. Was ist Gegenwart, was ist Ver¬
E. B.
Ceriglioni zu nennen.
gangenheit? Die von Ahnungen und Träumen umsponnen
wird wie Beatrice Nardi, der sich Traum und Wirklichkeit
unkeusch verschlingen, die mit sich und den Menschen spielt,
Zeitungsstimmen.
der nicht das Frauenglück vergönnt, sich einem andern ganz
Zu dem Anwachsen der Sozialdemokratie bei den
zu geben, sie, der vor Leid und Krankheit feige graut —
Hamburger Bürgerschaftswahlen bemerkt der „Ham¬
sie verliert sich an einen Todeskandidaten, einen unsteten,
burger Korrespondent“
wurzellosen, trüben Gast auf dieser dunklen Erde, dem aller
„Die Ueberraschung, die man von den heutigen Bürger¬
Schmerz und alles Glück nur eine Sensation. Dieser schön¬
schaftswahlen befürchten mußte, ist leder nicht ausge blieben,
geistige Herr von Sala ist ein Partner Fichtners, nur daß
und zwar ist sie sehr kräftig geworden. Nicht weniger
er sich über sich selbst klar ist, nur daß er sich weniger weh¬
als zwölf Sozialdemokraten ziehen neugewählt in unsere Bür¬
gerschaft ein: vorausgesetzt also, daß das halbe Dutzend Stich¬
leidig betrachtet als dieser. Die er vielleicht im Abendrot
mahlen dank dem Zusammenhalten der bürgerlichen Parteien
seiner verlorenen Tage doch noch lieben gelernt hätte, Ga¬
der Sozia demokratie keinen weiteren Zuwachs bringen wird,
brielens Tochter, weiß, daß es zu spät ist: so stürzt sie sich
wie ja wohl zu hoffen steht, werden wir in der Bürger¬
in den Teich in seinem Garten und macht sich ihm zu einer
schaft einschließlich des darin verbliebenen Stolten eine „rote
„Erinnerung“ wie die andern, die vor ihm und für ihn da¬
Fraktion“ von 13 Mann haben. Und — auch das läßt sich
hingegangen sind. „Und wenn uns ein Zug von Bacchanten
sast mit Sicherheit voraussagen — in drei
begleitet hätte, den Weg hinab gehen wir alle allein — wir,
Jahren wird diese Zahl reichlich auf das Doppelte
die selbst niemandem gehört haben.“ Wie Fichtner, dem
steigen. Wir müssen also mit der Sozialdemokratie künf¬
tig als mit einem Faktor rechnen, der sich in unserer Bür¬
der Sohn die Hand verweigert, schreitet auch Sala einsam
gerschaft breit machen wird, wie er sich im Reichstage breit
den Pfad gen Abend, in die Nacht. Man denkt
macht, wenn er auch hier so wenig wie dort unmittel¬
an Rückerts Wort: „Ein Mensch, der zu Sterben
baren politischen Einfluß auf den Gang der
der
geht und keinem Liebe geschenkt hat; ein Krug,
Dinge zu üben vermag.“
zzu Scherben geht und keinen Durst'gen getränkt hat.“
Die „Hamburger Nachrichten“ geben einen
Ueber sie hinweg aber reichen sich die die Hände, die durch
Teil der Schuld an dem Ausfall der Wahlen den sozia¬
gleiche Lebensauffassung, durch gleiches Opfer= und Pflicht¬
listelnden#
gefühl sich verwandier fühlen dürfen, als Bande des Blutes?
allein uns machen können: der alte Wegrath und Felir#
sein wahlverwandter Sohn. Mit dem Ruf aus Herzens
Tiefe stürzt der Junge dem Alten in die Arme: „Vater.
Mein Vater!“ Und diesem klingt es, als hört er es zum
ersten Male.
Auch sonst wird das Leitmotiv des Stückes, wie wir
Menschen alle nichts von einander wissen, wie wir kaum
unsere Beziehungen zu einander kennen, an unserem Glück
vorüberrennen und dazu bestimmt scheinen, auseinanderzu¬
slattern, weiß Gott wohin, von Schnitzler noch mannigfach
vartiert. Aber auch die es positiv vertreten wie die Schau¬
spielerin Irene Herms, die sich aus dem unfruchtbaren Reich
der Kunst zur Natur zurückgeflüchtet hat und die das Wort
spricht: „Eine Frau, die kein Kind hat, ist gar nie eine
gewesen,“ auch diese Gestalten werden unter seinen verzär¬
telten Händen keine rechten vollsaftigen Menschen von Fleisch
und Blut. Sie bleiben Schemen, Transparente, durch die
wir hindurchblicken, die aber nicht auf uns zukommen, die
uns nichts zu sagen haben, das uns aufrichten, tüch¬
#tiger, lerensfroher und stärker machen könnte. Es fehlt die
Kraft, der Wille und der Glaube — darum bleibt am Ende
alles so müde, so elegisch, so fern und trübe. Erinnerung
und Ahnung, keine Gegenwart.
Ungleich reicher als von der Bühne erschließen sich uns
deshalb aus dem Buche (Berlin, S. Fischer) die vielen
Einzelschönheiten, die das in sich reife Werk des ernst an
sich arbeitenden Dichters bringt. Trotzdem ist und bleibt
es ein künstlerischer Genuß, Schauspieler wie Basser¬
mann (Sala), Ritiner (Fichtner) und Else Leh¬
mann (Irene Herms) mit Aufgaben, die eigentlich ihrer
realistischen Begabung widerstreben, klug, fein und geschmack¬
voll ringen zu sehen. Irene Trieschs sensitioe Kunst
hätte dem Stücke und seinem innersten Wesen mehr geben
können, wenn der Dichter ihrer Johanna mehr gegeben hätte,
Nur ein paar Mal, und auch dann nicht ohne Widerspruch,
durfte Schnitzler vor dem Vorhang erscheinen. Für den
schwachen Dramatiker war es genug, übergenug; der Dichter
F. D.
hätte öfter kommen dürfen.
### Mert:—
—
wird dieselbe Schwierigkeit i
tionen im Abgeordnetenhause
im Reichstage seit der Wahl
reits besteht. Wir glauben
Abgeorductenhause sich dadur
lassen wird, wie das Zentruf
gezwungen sein, die Kons
Vorgehen zu ziehen. Selbsti
Zentrum mit demselben Nach
die berechtigten Beschwerden
wird sich dabei auf eine
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müssen, ohne Rücklicht
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