II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 115

Berichte über Graukkührungen
von dramatilchen Merken
2 der Theaterabteilung von B. Filcher, Verlag, Berlin &el, Bülowstr. 91
MN
(Verlag und Vertrieb künstlerilch wertvoller Dramen)
17. Februar 1914
Bericht Nr. 2
Der einlame Glrg. Schautpiet in kunt mhten von Arthur Schnitzler.
Aufgeführt zum ersten Male Sonnabend, den 13. Februar am „Deutschen Theater“ zu Berlin.
Ueber den Erfolg berichten die Berliner Blätter:
Die Grundstimmung des Werkes ist sehr düster, und die Wirkung
Arthur Schnitzlers neues Schauspiel „Der einsame Weg“ fand
gestern Abend im „Deutschen Theater“ eine Aufnahme, die nach den liegt nicht im unmittelbar Dramatischen, vielmehr in den Reizen eines
Berliner Zeitung.
meisten Akten einem Erfolge glich. Es ist in der Hauptsache die tragi=unendlich feinen Dialogs.
sche Geschichte von zwei alternden Männern, die einen einsamen Weg
Kein Drama, was uns Schnitzler bietet. Nichts davon. Eine
bis zum Ende gehen müssen, weil sie zerstört und nicht gebaut haben.
Der eine sucht seinen Sohn, der rechtlich und offiziell einem verheirateten Novelle. Eine Elegie. Und dennoch übt sie von der Bühne herab einen
so eigentümlichen Zauber aus, weil die Wahrheit in ihr zu einem plasti¬
Freunde gehört, um ihn ganz zu verlieren, nachdem er seine Vaterschaft
schen Gebilde wird und das Antlitz von Menschen trägt. Nicht die
bekannt hat. Der andere nimmt die rückhaltlose Leidenschaft der Tochter
dieses Freundes an, und da diese ihrem Leben ein Ende macht, bleibt Wahrheit überhaupt. Wer wollte die ergründen? Aber eine Wahrheit,
ihm nichts anderes übrig, als sich auch zu beseitigen. Der eine ist warm, die nicht minder groß ist, weil sie nur einen Teil darstellt. An solch
ein Egoist aus Temperament, der andere kalt, ein Egoist aus Berechnung, eine stille und tiefe Dichterschöpfung soll man nicht mit dem kühlen
beide werden bankerott und sie schleichen als Bettler aus dem Hanse des Blick des Forschers, an sie soll man mit der lauschenden Seele des Mit¬
Mannes, der von seiner Frau belogen worden ist wie von den beiden und Nachempfindenden herantreten. Ob ein Strich zuviel, ob einer zu
Freunden, dem sich die Tochter nie aufgeschlossen hat, der aber, weil er wenig geschehen ist, ob eine Parallele nicht die Konsequenz des Dramas
rein unterstützt, was kümmert es hier viel. Wie der Traum eines
sich zu opfern verstand, wenigstens einen Menschen gewinnt, nämlich den
Herbstabends ist es, jener klaren und darum um so stimmungsschwereren
Sohn, auf den ihm die Natur kein Anrecht gegeben hat. So schließt
das Stück, in dem der Egoismus verschiedenster Arten mit sehr viel Abende, an denen alle Horizonte sich zu weiten scheinen, die inneren
und die äußeren, und wir empfinden ein Erschauern vor der enteilenden
Geist begründet, in dem die Grausamkeit des Lebens mit kühler Ge¬
Berliner Neueste Nachrichten.
lassenheit hingenommen wird, in der auf feine Weise fühlbar gemachten Gegenwart.
Pointe, daß nur die Selbstlosigkeit Frucht bringt und nur die Güte sich
Wie eine Beichte klingt es, wie das Bekenntnis Eines, der sich
behauptet, die allerdings mit etwas Blindheit geschützt sein muß. Für
klar geworden, daß er ein Tor war, als er „nur so durch die Welt ge¬
die Aufführung hatte das Deutsche Theater seine ersten Darsteller auf¬
Vossische Zeitung.
rannt“ ist und jegliches Gelüst bei den Haaren ergriffen hat. Und zur
geboten.
Der 2. und der 3. Akt fanden lebhaften Beifall und übten starke Warnung und Mahnung für jeden, der sich nicht noch zur rechten Zeit
auf sich selbst zu besinnen vermag, schuf Arthur Schnitzler diese Dichtung.
Wirkungen aus. Schnitzler konnte vom zweiten Aufzuge ab nach jedem
Sie ist überreich an starkem und leidenschaftlichem Empfinden und an
Akte wiederholt erscheinen. Als der Vorhang nach dem 4. Akte fiel,
geistreichen Einfällen, mit denen sechs Fuldas zeit ihres Lebens aus¬
schien das Stück einen Augenblick gefährdet, aber der Beifall war stärker,
Das Kleine Journal.
und nach dem Schlußakte kämpfen Beifall und Zischen in vielleicht kommen könnten.
Berliner Lokal=Anzeiger.
gleicher Stärke.
Der Dialag gemahnt vielfach an Ibsen, ist an dunklen Rätsel= Angenommen: Hamburg (Deutsches Schanspielhaus), Bres¬
lau (Vereinigte Theater), Frankfurt a. M. (Schauspiel¬
worten reich, eine Maeterlincksche Gestalt ist die ahnungsvolle, in anderen
haus), Hannover (Deutsches Theater), Elberfeld (Stadt¬
Regionen heimische, in einer früheren Existenz wurzelnde Traumgestalt
Berliner Börsenkourier.
theater), ferner: Angsburg — Bonn — Bremen —
Johanna.
Bromberg — Kassel — Chemnitz — Kottbus — Köln
Es gibt Dichtungen, die auf uns wirken, nicht durch künstlerische
Wucht, nicht durch die Gestaltungstärke ihres Autors, sondern durch
Danzig — Dresden Düsseldorf — Erfurt — Essen
das reine, warme Wesen dessen, der sie schuf. Und das erstreckt sich
Stuttgart — Ulm Halle a. S. — Königsberg —
soweit, daß wir den Inhalt des Buches eher vergessen, als den Widerhall,
Lübeck — Magdeburg — Mainz — Mannheim — Nürn¬
den es in uns weckte, als die Fülle feelischer Beziehungen, die wir von
berg — Plauen — Posen — Stettin — Straßburg i. E.
ihm in unser Leben strömen ließen. So wird es, glaub' ich, mit
dem „Einsamen Weg“ gehen, der an Fülle der seelischen
Wiesbaden Würzburg — Thorn — Insterburg -
Beziehungen alle Werke seines Dichters übertrifft.
Tilsit — Graubenz.
Welt am Montag.
Krzuer (Mieuse,uu)