II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 144

18. Der einsane Neg box 23/1
Kar
utschen Theater, in dem „Rose Bernd“ Schwäche des Schauspiels klar, die seinen Mißerfolg noch] Felix Wegrath — sprechen zwar einige starke Worte, in
denen aber keine allzu heiße Zornesaufwallung zu spüren
ist, und scheinen im übrigen die Verführung von Mutter
Ert wird, hätte man nicht das Werk weit mehr verschuldet hat, als die mangelhafte dramatische
und Schwester als ein unabänderliches Verhängnis hin¬
auslachen dürfen, das an geistigem Technik: Die beiden Hauptfiguren Fichtner und Saia
zunehmen. „Was soll man da machen?" Fichtner und
ber Hauptmanns armseligem Bauern= sind antipathisch. Es sind Männer mit kalten Herzen —
Sala sind eben so geartet, daß sie Frauen verführen und
die Mißbilligung, welcher die Lacher Genußsüchtige, für welche die Frauen nur dazu da sind,
ins Unglück stürzen, und die Welt hat sich darein zu
farfen Ausdruck gaben, war begründet, um ihnen Sinnenlust und Zerstreuung zu gewähren.
finden!
ein Recht, zu verlangen, daß der Gewiß, die Männer benehmen sich im wirklichen Leben
Gewiß, der Autor läßt auch die Nemesis sehen, die
willkürlich mit ihm umspringt, daß er, oft nicht sehr edel gegen die Frauen — namentlich nicht
den Egoisten trifft. Er zeigt, wie der, der nie das Wohl
en Cffekt, wie den Selbstmord, auf der gegen diejenigen, von denen sie geliebt werden. Die
und Wehe eines Menschen berücksichtigt hat, im Alter ver¬
sich wenigstens die Mühe nimmt, ihn Tendenz, möglichst viel zu genießen und möglichst wenig
einsamt. 6 zeigt, wie der Vater vergedens den Sohn zu
feren, und daß er sich darüber klar Pflichten zu übernehmen, ist ein allgemeinännlicher
gewinnen sich bemüht, um den er sich zwanzig Jahre lang
hes ist, in einer Tragödie die tragische Zug im Verkehr der beiden Geschlechter. Aber so kalt¬
herzige Männer wie Fichtner und Sala gehören doch zu
nicht gekümmert hat. Doch diese Nemesis läßt kühl, und
man hat lediglich den Eindruck, daß dem, den sie trifft,
die Laune zu ersetzen.
der Nebenhandlung, die zwischen Salg den seltenen Ausnahmen. Darum berühren sie unangenehm
ganz recht geschieht. Reue, Entrüstung würden erschüttern;
sich geht — auch sonst spielt in dem — ganz besonders unangenehm noch deshalb, weil sie es
aber an beiden fehlt es in dem Stücke. Es scheint im
fne große Rolle. Sie gehört zum Wesen für durchaus selbstverständlich halten, so zu sein, wie sie
Gegenteil, als sei der Autor mit den Egoisten, die er auf
Schauspiels; sie ist das einzige Gesetz, sind; weil sie gar nicht zu ahnen scheinen, daß man doch
die Bühne bringt, ebenso zufrieden, wie diese es mit sich
In einem Gespräch zwischen Sala und wenigstens versuchen muß, seinen Egoismus zu über¬
selbst sind. Kaum trifft sie ein Vorwurf, kaum regt sich in
a: „Haben wir je unsere Ruhe oder winden; weil sie nach ihrer Laune mit den anderen
ihnen das Gewissen. Allerdings tun sie wenigstens eines:
Spiel gesetzt — nicht aus Laune oder Menschen schalten und noch obendrein den Anspruch erheben,
sie decken rückhaltlos ihr Inneres auf; sie schildern sich
um das Wohlergehen eines Wesens daß die anderen Menschen, auch diejenigen, und gerade
selbst, ohne jeden Versuch einer Beschönigung. Aber auch
ch uns gegeben hatte?“ Auf diese Frage diejenigen, die am schwersten davon betroffen werden, ihre
diese Selbstbekenntnisse sind keine Gewissensregungen. Auch
t, die nicht ausgesprochen wird, natürlich: launenhafte Selbstsucht gelten lassen fsollen, wie die
unabänderliche Weltordnung. „Ihr seid halt so,“ sagt die
aus ihnen klingt es heraus: „Wir sind halt so.“
Schauspielerin zu Fichtner. „Was soll man da machen?“
at Fichtner die Frau Wegrath verlassen,
Darum haben sie keinen moralischen Wert, so groß
Dieses „Was soll man da machen?“ drückt eine der
rführt hatte? Es fiel ihm eines Abends
auch ihr literarischer ist. Und der Egoismus betätigt
sich nur wieder von neuem, wenn er sich damit begnügt,
kine Freiheit verlieren würde, wenn
sich bände; und so reiste er plötzlich Grundanschauungen aus, von denen das Schauspiel aus¬
das Unrecht, das er begangen hat, psychologisch zu ergründen,
heiter darum zu kümmern, was aus geht. Das Stück — und das ist sein größter Fehler —
statt es zu sühnen. Was von solchen literarischen Selbst¬
werden würde. Es war nicht etwa beugt sich selbst vor dem Egoismus, den es schildert. Hie
bekenntnissen zu halten ist, hat Benjamin Constant ausge¬
#ateriellen Verhältnisse — nicht etwa die und da nur wird auch auf der Bühne ein mißbilligendes
sprochen in einem der beiden herrlichen Briefe, welche seinen
— nein, nur die plötzlich er= Wort gesagt. Aber diese Mißbilligung ist lange nicht stark
Roman „Adolphe“ beschließen. Dort schreibt er: „Die
nd Sorge —
Freiheit, also eigentlich auch nur eine genug. Einmal spricht die Schauspielerin, Fichtners ehe¬
große Frage im Leben ist der Schmerz, den man zufügt
gen Felix Wearath, seinem Sohne, erzählt malige Geliebte, mit diesem über das Kind, das sie von
und die scharfsinnigste Metaphysik rechtfertigt nicht den
die er dessen Mutter behandelt hat. „Und ihm hätte haben sollen und nicht gehabt hat. „Der Beste
Mann, der das Herz zerrissen hat, das ihn liebt. Ich hasse
etötet hätte?“ fragt Felix. Fichtner er= von euch,“ saat sie, ist in diesen Dingen noch immer
im übrigen diese Anmaßung des Geistes, der zu ent¬
aube, ich hätte mich dessen für wert ge= eine Art von Schuft.“ Das Wort „Schuft“ hat ordentlich
schuldigen glaubt, was er erklärt; ich hasse diese Eitelkeit
sieser Zeit!“ Diese Antwort findet zwar einen befreienden Klang. Nur müßte man es in diesem
die sich mit sich selbst beschäftigt, indem sie das Unheil
r Ordnung, denn er fügt hinzu: „Vielleicht Stücke öfter hören. „Schuft!“ müßte der Sohn zu dem
Manne sagen, der ihm erzählt, wie er seine Mutter ver¬
erzählt, das sie angerichtet hat, die darauf rechnet, be¬
mitleidet zu werden, indem sie sich beschreibt, und dies
mals wirklich“; aber wenn auch auf der ##
sich nicht darüber empört, daß der ehemalige führt und verlassen hat. Und „Schuft!“ müßte der Bruder
während sie unzerstörbar inmitten der Ruinen schwebt, sich
Mutter so von ihr spricht, zu ihrem zu dem Manne sagen, der ihm mitteilt, daß er seine
Paul Goldmann.
der Zuschauer kann eine solche Antwort Schwester verführt und daß diese sich getötet hat. Der
en Und hier wird die eigentliche, die innere Sohn und der Bruder — es ist immer dieselbe Person: analusiert, statt zu bereuen.“