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HSa
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18. Der CRCEE
Frucht einer geheimen Schuld ist, der plötzlich inf
einem Manne, der ihm bisher ein guter Freund ge¬
wesen, seinen natürlichen Vater erkennt und auf das
Werben dieses Vaters kalt erwidern muß: „Seitdem
ich weiß, daß Sie mein Vaier sind, seitdem
sind Sie mir fremd geworden!“
das i
fürwahr ein starker dramatischer Vorwurf, so recht
aceignet, einen Bühnendichter zu reizen. Auch sonst
begegnen uns einige Scenen von einem tiefen, inneren
Gehalt, Seenen, die uns fesseln und die in uns
nachklingen, Scenen, deren Reiz und Werth gerade
darin liegt, daß sie auf stille Wirkungen sein be¬
rechnet und gar nicht theatralisch sind. Die Aus¬
einandersetzung, in der Felix Wegrath allgemach, unter
wachsender innerer Erregung, es ergründet, daß der
Mann, der vor ihm, der Maler Fichtner, sein Vater
ist, übte eine seine Anziehung. Gut erdacht
und durchgeführt ist auch die Begegnung zwischen
Professor Wegrath, dem naiven, vertrauenden, ahnungs¬
losen Gatten der eben verstorbenen Frau, und
Fichtner, der einst ihr Liebhaber gewesen und
schnöde verlassen hat, diese Begegnung, der Felix, der
wissende Sohn, gespannt, gesoltert, lauernd beiwohnt.
Aber so Mancherlei verdirbt diesmal dem Dichter
Werth und Wirkung des Werkes.
Wir haben
es zunächst
nicht mit Menschen
zu
thun,
die in der Wirklichkeitswelt zu Hause sind,
sondern mit construirten Theater=Automaten, die nur
zu sprechen haben, was Schnitzler, der feine und kluge
Kopf, just sagen will. Und er hat viel Geistvolles,
Auregendes zu sagen. Das Stück bringt ferner fast
gar keine Handlung. Wir wohnen blos der späten
Aufdeckung längst zurückliegender Ereignisse bei.
Wir sind im Hause Prof. Wegraths, dessen Frau
schon den Todeskeim in sich trägt und das Bedürfniß
hat, mit dem vertrauten Arzt über ihre einstige Schuld
zu sprechen, jene Schuld, deren Frucht ihr Sohn Felix
ist. „Glücklich machen ist besser, als schuldlos sein“,
tröstet sie der Arzt, und später meint er, „eine Lüge,
die sich so stark erwiesen hat, daß sie den Frieden
eines Hauses trägt, ist mindestens so verehrungs¬
würdig wie eine Wahrheit, die nur schädlich wirken
könnte“. Was würde man über Jesuiten=Moral wettern,
wenn sich behaupten ließe, ein Jünger oyolg's hätten
jemals dergleichen gesagt. Nach rücktarts gewandte
Dramen, Stücke, die nur der Reconstruction einer
weit zurückliegenden Handlung gewidmet sind, haben
wir vielfach. Ibsen's „Wenn wir Todten erwachen“
hat etwas Verwandtes, auch bei d'Annunzio und
Maeterliuck begegnen uns gelegentlich ähnliche Momente,
jaber Schnitzler, der hier vielleicht unbewußt, Anklänge
an
sie alle bietet, kommt ihnen nur in
Aeußerlichkeiten nahe. Der Dialog gemahnt vielfach
san Ibsen, ist an dunklen Räthselworten reich, eine
Macterlinck'sche Gestalt ist die ahnungsvolle, in
janderen Regionen heimische, in einer früheren Existenz
zwurzelnde Traumgestalt Johanna. Die zu schreiben
Iberufen sind, sollten vielleicht weniger lesen. Geradezu
fabstoßend wirken zeitweilig die eigentlichen Helden des
Stückes und die Lieblingsgestalten des Dichters, seines
Iverlebten Lebemänner. Dieser Fichtner, ein frühgealteter
Anatol oder ein vorzeitig ergrauter Mann aus der
„Liebelei“=Welt, wirkt abstoßend mit dem blödestens
nvor den Coulissen.
und abgeschmacktesten Protzenthum, mit der Prahlereis
Das „Deutsche Theater“ ist die Heimath von
von seinen Liebeserfolgen. Und solch ein Tropf, dem
Arthur Schnitzler's, Erfolgen, ist die Heimath seiner
gerade einige leichtgläubize Mädel zum Opfer
literarischen Geltung vielleicht. Gestern aber erwies
fielen, oder der einmal einem besser gearteten¬
sich die Zuhörerschaft, die ihm sonst so willig folgte,
Mädchen, das er verführte, schnöde davonlief
spröder, skeptischer als sonst. Den Grund dafür wird declamirt dann seine Empörung hinaus darüber, dast
Schnitzler aber nicht etwa in dieser Zuhörerschaft
er, er! „menschlichen Gesetzen so gut unterworfen
suchen dürfen. Er wird besser thun, sich zunächst in sein muß als ein Anderer“, Schnitzler ist wohl mehr
seinem eigenen Werke nach der Erklärung umzusehen. darin ein guter Oesterreicher oder Wiener, daß er
Das Haus, das unsere beste literarische und
„als“ und „wie“ gern falsch anwendet. Daß er
künstlerische Welt, unsere beste literatur= und kunst=also „menschlichen Gesetzen so gut unterworfen sein
freundliche Gesellschaft vereinte, war in der inter=muß als ein Anderer!“ Das verspottet der
essanten Zusammensetzung des Publikums schon ein Verfasser nicht etwa, in diesem geschwollenen Sals
Erfolg. Ein Zeugniß des Ansehens, in dem Schnitzler badern eines Menschen, dessen ganze Welt die Lebes
bei uns steht, und der Erwartungen, die auf ihn sich welt ist, will er uns einen vollwichtigen Heldent
richten. Zum Schluß aber stritten Beifall und Wider=sseinen Helden geben. Die Liebe der traumseligen
spruch, nicht einmal besonders heftig, um die Ent= Johanna zum anderen Roué des Stückes, ihr
scheidung der Frage, ob Schnitzler diesen Er=stragischer Tod ist recht flüchtig behandelt. Fügen¬
wartungen entsprochen hat. Man war dem erstens wir noch hinzu, daß in den fünf Acten'
der fünf Acte seines Schauspiels „Der einsame
oft breite Redseligkeit die Geduld
in Anspruck¬
Weg“ mit dem mitgebrachten, aber von der Dichtung
nimmt, daß die lange stumme, maeterlinck'sche
selbst noch keineswegs angeregten Interesse gefolgt.]
Scene am Schluß des vierten Actes wirklich leicht
Unter vollkommener Stille, die aber natürlich noch
eine Art Abwehr herausfordert, so wird man begreisen
keinen Beigeschmack von Unfreundlichkeit hatte, ging
wie das Stück trotz einiger ungewöhnlich werthvollen
der Vorhang nieder. Recht freundlicher, aber nicht
Scenen, trotz aller seinen und treffenden Bemerkungen,
übertrieben warmer Beifall rief den Verfasser nach
trotz mancher gehaltvollen Wendung und fesselnden Epi¬
dem zweiten Aufzug, nach dem dritten stellte bereits
#ode doch nicht so recht erwärmte und mehrfach zum
eine Gegnerschaft sich ein. Dem vierten Aufzug folgte
Widerspruch reizte. Den einsamen Weg schlägt zuletzt¬
erst Stille, ein peinliches Lachen dann, für das aber
Johanna ein, die ins Wasser geht, Felix, der vom
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18. Der CRCEE
Frucht einer geheimen Schuld ist, der plötzlich inf
einem Manne, der ihm bisher ein guter Freund ge¬
wesen, seinen natürlichen Vater erkennt und auf das
Werben dieses Vaters kalt erwidern muß: „Seitdem
ich weiß, daß Sie mein Vaier sind, seitdem
sind Sie mir fremd geworden!“
das i
fürwahr ein starker dramatischer Vorwurf, so recht
aceignet, einen Bühnendichter zu reizen. Auch sonst
begegnen uns einige Scenen von einem tiefen, inneren
Gehalt, Seenen, die uns fesseln und die in uns
nachklingen, Scenen, deren Reiz und Werth gerade
darin liegt, daß sie auf stille Wirkungen sein be¬
rechnet und gar nicht theatralisch sind. Die Aus¬
einandersetzung, in der Felix Wegrath allgemach, unter
wachsender innerer Erregung, es ergründet, daß der
Mann, der vor ihm, der Maler Fichtner, sein Vater
ist, übte eine seine Anziehung. Gut erdacht
und durchgeführt ist auch die Begegnung zwischen
Professor Wegrath, dem naiven, vertrauenden, ahnungs¬
losen Gatten der eben verstorbenen Frau, und
Fichtner, der einst ihr Liebhaber gewesen und
schnöde verlassen hat, diese Begegnung, der Felix, der
wissende Sohn, gespannt, gesoltert, lauernd beiwohnt.
Aber so Mancherlei verdirbt diesmal dem Dichter
Werth und Wirkung des Werkes.
Wir haben
es zunächst
nicht mit Menschen
zu
thun,
die in der Wirklichkeitswelt zu Hause sind,
sondern mit construirten Theater=Automaten, die nur
zu sprechen haben, was Schnitzler, der feine und kluge
Kopf, just sagen will. Und er hat viel Geistvolles,
Auregendes zu sagen. Das Stück bringt ferner fast
gar keine Handlung. Wir wohnen blos der späten
Aufdeckung längst zurückliegender Ereignisse bei.
Wir sind im Hause Prof. Wegraths, dessen Frau
schon den Todeskeim in sich trägt und das Bedürfniß
hat, mit dem vertrauten Arzt über ihre einstige Schuld
zu sprechen, jene Schuld, deren Frucht ihr Sohn Felix
ist. „Glücklich machen ist besser, als schuldlos sein“,
tröstet sie der Arzt, und später meint er, „eine Lüge,
die sich so stark erwiesen hat, daß sie den Frieden
eines Hauses trägt, ist mindestens so verehrungs¬
würdig wie eine Wahrheit, die nur schädlich wirken
könnte“. Was würde man über Jesuiten=Moral wettern,
wenn sich behaupten ließe, ein Jünger oyolg's hätten
jemals dergleichen gesagt. Nach rücktarts gewandte
Dramen, Stücke, die nur der Reconstruction einer
weit zurückliegenden Handlung gewidmet sind, haben
wir vielfach. Ibsen's „Wenn wir Todten erwachen“
hat etwas Verwandtes, auch bei d'Annunzio und
Maeterliuck begegnen uns gelegentlich ähnliche Momente,
jaber Schnitzler, der hier vielleicht unbewußt, Anklänge
an
sie alle bietet, kommt ihnen nur in
Aeußerlichkeiten nahe. Der Dialog gemahnt vielfach
san Ibsen, ist an dunklen Räthselworten reich, eine
Macterlinck'sche Gestalt ist die ahnungsvolle, in
janderen Regionen heimische, in einer früheren Existenz
zwurzelnde Traumgestalt Johanna. Die zu schreiben
Iberufen sind, sollten vielleicht weniger lesen. Geradezu
fabstoßend wirken zeitweilig die eigentlichen Helden des
Stückes und die Lieblingsgestalten des Dichters, seines
Iverlebten Lebemänner. Dieser Fichtner, ein frühgealteter
Anatol oder ein vorzeitig ergrauter Mann aus der
„Liebelei“=Welt, wirkt abstoßend mit dem blödestens
nvor den Coulissen.
und abgeschmacktesten Protzenthum, mit der Prahlereis
Das „Deutsche Theater“ ist die Heimath von
von seinen Liebeserfolgen. Und solch ein Tropf, dem
Arthur Schnitzler's, Erfolgen, ist die Heimath seiner
gerade einige leichtgläubize Mädel zum Opfer
literarischen Geltung vielleicht. Gestern aber erwies
fielen, oder der einmal einem besser gearteten¬
sich die Zuhörerschaft, die ihm sonst so willig folgte,
Mädchen, das er verführte, schnöde davonlief
spröder, skeptischer als sonst. Den Grund dafür wird declamirt dann seine Empörung hinaus darüber, dast
Schnitzler aber nicht etwa in dieser Zuhörerschaft
er, er! „menschlichen Gesetzen so gut unterworfen
suchen dürfen. Er wird besser thun, sich zunächst in sein muß als ein Anderer“, Schnitzler ist wohl mehr
seinem eigenen Werke nach der Erklärung umzusehen. darin ein guter Oesterreicher oder Wiener, daß er
Das Haus, das unsere beste literarische und
„als“ und „wie“ gern falsch anwendet. Daß er
künstlerische Welt, unsere beste literatur= und kunst=also „menschlichen Gesetzen so gut unterworfen sein
freundliche Gesellschaft vereinte, war in der inter=muß als ein Anderer!“ Das verspottet der
essanten Zusammensetzung des Publikums schon ein Verfasser nicht etwa, in diesem geschwollenen Sals
Erfolg. Ein Zeugniß des Ansehens, in dem Schnitzler badern eines Menschen, dessen ganze Welt die Lebes
bei uns steht, und der Erwartungen, die auf ihn sich welt ist, will er uns einen vollwichtigen Heldent
richten. Zum Schluß aber stritten Beifall und Wider=sseinen Helden geben. Die Liebe der traumseligen
spruch, nicht einmal besonders heftig, um die Ent= Johanna zum anderen Roué des Stückes, ihr
scheidung der Frage, ob Schnitzler diesen Er=stragischer Tod ist recht flüchtig behandelt. Fügen¬
wartungen entsprochen hat. Man war dem erstens wir noch hinzu, daß in den fünf Acten'
der fünf Acte seines Schauspiels „Der einsame
oft breite Redseligkeit die Geduld
in Anspruck¬
Weg“ mit dem mitgebrachten, aber von der Dichtung
nimmt, daß die lange stumme, maeterlinck'sche
selbst noch keineswegs angeregten Interesse gefolgt.]
Scene am Schluß des vierten Actes wirklich leicht
Unter vollkommener Stille, die aber natürlich noch
eine Art Abwehr herausfordert, so wird man begreisen
keinen Beigeschmack von Unfreundlichkeit hatte, ging
wie das Stück trotz einiger ungewöhnlich werthvollen
der Vorhang nieder. Recht freundlicher, aber nicht
Scenen, trotz aller seinen und treffenden Bemerkungen,
übertrieben warmer Beifall rief den Verfasser nach
trotz mancher gehaltvollen Wendung und fesselnden Epi¬
dem zweiten Aufzug, nach dem dritten stellte bereits
#ode doch nicht so recht erwärmte und mehrfach zum
eine Gegnerschaft sich ein. Dem vierten Aufzug folgte
Widerspruch reizte. Den einsamen Weg schlägt zuletzt¬
erst Stille, ein peinliches Lachen dann, für das aber
Johanna ein, die ins Wasser geht, Felix, der vom