II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 164

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18. Der einsane Neg
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Aber es führen Stufen, glänzend wie Opale, in die Tiefe.
Aus diesem dramatisch verfehlten Gedicht spricht laut und
Die Silbergrube.
vernehmlich der Dichter. Nicht nur deshalb, weil fast überall
(Schluß)
der Dialog feinschwingende Stimmungen loslöst, weil man all
diese Menschen in ihren vielfältigen Schicksalen von innen heraus
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un machte sich der Pfarrer mit ein paar
kennen lernt, es eröffnen sich auch nicht alltägliche Lebens¬
Erzproben in der Tasche auf den Weg.
perspektiven. Der Dichter, der hier gestaltet, ist zugleich ein
Er war ebenso froh, reich zu werden,
Schicksalsdeuter.
wie irgend einer der andern. Er dachte

Einer geht den einsamen Weg erhobenen Hauptes bis
daran, daß er den Pfarrhof umbauen
zu Ende, das ist dieser Herr von Sala, dem sich das junge
wollte, der jetzt um nichts besser war als
Mädchen hingegeben und den sie sterbend nach sich zieht. Auch er
eine Bauernhütte; und dann wollte er
lebt nur sich selber, aber er bedarf der andern nicht. Er pflückt
sich mit einer Probsttocher verheiraten,
die Blumen an seinem Pfade, läßt sie welken und schreitet
der er gut war. Bis dahin hatte er
weiter. Er ist der Künstler — die Erinnerung an die „Leben¬
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gedacht, daß er lange auf sie warten
digen Stunden“ wacht auf, — dem gerade die, die seinem
müßte. Er war arm und unbekannt, er
Herzen am nächsten stehen, den lebendigen Stoff für seine
wußte, daß es lange währen würde, bis er eine Stelle bekäme,
Kunst abgeben müssen; er saugt sie aus. Auch in den eigenen
die es ihm möglich machen könnte, zu heiraten.
Leiden findet er die Wonneschauer des Seelenrausches, die letzten
„Der Pfarrer fuhr zwei Tage lang nach Falun, und einen
Stunden seines Lebens sogar begehrt er bewußt als Sterbe¬
Tag mußte er dort umhergehen und warten, weil der Berg¬
stunden auszukosten. Und andererseits: „Gibt es einen anstän¬
hauptmann verreist war, und an jemand andern wagte er sich
digen Menschen“, fragt er einmal, „der in irgend einer guten
nicht zu wenden. Endlich konnte er ihn sprechen und zeigte
Stunde in tiefste. Seele an etwas anderes (als das Sterben)
ihm die Erzstücke. Der Berghauptmann nahm sie in die Hand.
denkt?“ Ihn schreckt Einsamkeit nicht, sie wiegt ihn. Er muß
Er sah zuerst sie an, dann den Pfarrer.
aus innerem Drange heraus beruflos sein, und ist sich doch des
Der Pfarrer erzählte, daß er sie in seinem heimatlichen
Segens geregelter Arbeit bewußt. Da er erfährt, daß Krank¬
Kirchspiel in einem Felsen gefunden habe und meinte, ob es
heit ihm das Ziel gesteckt hat, da er sein Leben auch sonst
nicht Blei sein könne.
verwirkt weiß, geht er selbst hin, ein Ende zu machen. Frei
„Nein, Blei ist es nicht, sagte der Berghauptmann.
auch da, wo er dem Zwange unterliegt. Er ist der Lebens¬
„Also ist es vielleicht Zink? fragte der Pfarrer.
künstler, der sich sein Dasein zum Kunstwerk macht.
„Zink ist es auch nicht, sagte der Berghauptmann.
Es gehörte Reichtum dazu, diesen Reichen so zu gestalten,
Dem Pfarrer war, als ob all seine Hoffnung zu Boden
sänke, so mutlos hatte er sich so manchen lieben Tag nicht
wie Schnitzler es getan. Und diese Gestalt, in der viel von
ihres Dichters eigenem Wesen schlummert und die auch
gefühlt.
Habt ihr viel solche Steine in eurem Kirchspiel? fragte
uns befreundet, wächst im Kontrast — in jenem leichten,
zu einer
der Berghauptmann.
spielenden, verschwimmenden Schnitzlerschen Kontrast —
„Wir haben einen ganzen Berg, sagte der Pfarrer.
anderen Person des Dramas, jenem gealterten Mialer, der das
Da ging der Berghauptmann auf ihn zu und klopfte ihm
bißchen Daterherz in sich so spät entdeckt hat. Auch er hat
dem Genuß gelebt, dem frevlen Freiheitsrausch, den kecken
auf die Schulter und sagte:
„Dann seht zu, daß ihr einen solchen Gebrauch davon
Augenblicksfreuden. Ihm aber sind Kunst und Leben darüber
macht, daß es euch selbst und dem Lande zum Nutzen gereicht,
zerronnen. Auf dem einsamen Wege bricht er zusammen, da
die Zeit der Jugendsiege vorüber. Und überaus fein deckt
denn dies ist Silber!“
„Ja so, stammelte der Pfarrer ganz verwirrt. „Ja so, es
Schnitzler auf, wie in diesem einst „vielversprechenden“
„genialen“ Künstler nur eben eine Obilisterseele steckt. Denn
ist Silber.
Der Berghau, mann sing an, ihm zu erklären, was er
es gibt auch eine Emanzipation aus Philistrosität, ein Ueber¬
zu tun hätte, um sich ein gesetzliches Recht auf die Grube zu
menschentum aus innerer Leere, eine Jugendseligkeit, die das
verschaffen und gab ihm viele gute Ratschläge, aber der Pfarrer
Alter Lügen straft.
stand, ganz wirr im Kopfe, da und hörte nicht zu, was er sagte.
Man sieht, wie fein die Rüancen, wie groß der Reichtum
Er dachte, wie unglaublich dies sei, daß daheim in seinem
an Gehalt.
an Beobachtung und
armen Kirchspiel ein ganzer Berg mit Silbererzen läge und auf
Soll man hingehen und Schnitzler die Armut predigen?
ihn wartete.“
Abgesehen von dem mangelnden Willen zur Konzentration, ab¬
Der König erhob so heftig den Kopf, daß der Pastor sich
gesehen von der Unfähigkeit zu dramatischer Architektonik ist
unterbrach.
etwas in Schnitzlers ureigenem Wesen, das die dramatische
„Es nahm wohl den Verlauf,“ sagte der König, „daß als
Form zersetzt, und dies Etwas ist ein künstlerisch Gutes. Letzt
er nach Hause kam und anfing, die Grube zu bearbeiten, er
aller letzt wird Schnitzler nur in epischer Stoffgestaltung sich
merkte, daß der Berghauptmann seinen Spaß mit ihm ge¬
ganz als den zu geben vermögen, der er ist. Es müßte alles
trieben hatte.“
täuschen, sollte der Weg, der ihm künstlerisch vorgezeichnet ist,
„Ach nein, der Berghauptmann hatte ihn durchaus nicht
ein einsamer sein. Aber dieser Weg wird für ihn und
zum Besten gehabt,“ sagte der Pastor.
viele der Besten abführen — vom Theater.
„Er kann fortfahren,“ sagte der König und setzte sich
wieder zurecht, um zuzuhören.
„Als der Pfarrer endlich zu Hause war und durch sein
Ernst Heilborn.
heimatliches Kirchspiel fuhr, hob der Pastor wieder an, „war
er sich klar, daß er vor allem seine Kameraden von dem Funde
benachrichtigen müßte.!“
„Er wollte wohl ihr Glück sehen,“ fiel der König ein.
„Ja, das wollte er, und da er an des Gastwirts Sten
Stensons Haus vorüberfuhr, beabsichtigte er bei ihm einzukehren
und ihm zu erzählen, daß das, was sie gefunden hatten, Silber
sei. Aber als er vor dem Tore Halt machte, sah er, daß