II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 166

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18. Der einsane Neg
Bühne und Welt.
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darauf dem Bräutigam zum Altar und hielt ihn 25 Jahre in der Täuschung, daß der Sohn, den
sie ihm geboren, der seine wäre. Und nach zehn Jahren dachte sie so ruhig über jene Vorgänge,
daß Julian Fichtner im Hause ihres Gatten wieder verkehren durfte. Jetzt, infolge eines Herz¬
leidens jeden Tag auf ihr Lebensende gefaßt, offenbart sie sich dem jungen Arzt, den sie gern als
Gatten ihrer Cochter sehen würde, und macht dem Sohn, einem 28jährigen jungen Kavallerie¬
offizier, am Abend vor seiner Abreise in die Garnison einige Andeutungen, spricht viel von einem
Bilde, das Fichtner in jenen Jugendtagen von ihr gemalt. Und was sie in halben Worten an¬
deutet, genügt dem jungen Manne, im Dunkeln klar zu sehen. Julian Fichtner verrät sich
gleichfalls durch Miene und halbe Worte. Dom Leben oder Lieben mehr oder weniger enttäuscht,
als Künstler nicht das geworden, was er sich gedacht und andere von ihm erwartet, möchte er
den einsamen Pfad des Alters nicht allein wandern, sondern den starken und schönen Sohn an
seiner Seite wissen, ihm alle zärtlichen altruistischen Gefühle widmen, die ein Leben voll Egoismus
in ihm noch übrig gelassen hat. Aber sein Kalkül wird zu Schanden. Der junge Offizier,
schmerzlich bewegt durch die Enthüllung des Geheimnisses seiner Geburt, grollt gleichwohl nicht
der Mutter, in der er mehr die Märtprerin als die Schuldige erblickt, aber er denkt auch nicht
daran, den neu entdeckten Dater anzuerkennen, sondern er will sich mit um so wärnierer Liebe
dem gütigen alten Manne, der sein bisheriges Leben geleitet, anschließen. Gegenüber dem Ge¬
rechtigkeitsgefühl, der Gewöhnung und Erziehung schweigt die Stimme des Blutes. Aehnlich
wie Fichtner geht es seinem Freunde Stefan von Sala, dem reichen, blasierten Globetrotter und
Kunstdilettanten, der sich in seinem prächtigen Dillenschloß und in seinem Park mit Marmor¬
bildern und Wasserkünsten einsam und unzufrieden fühlt, aber sich etwas darauf zu gute tut, daß
er die Menschen stets in Distanz und Reserve zu halten gewußt habe und sie für seine Zwecke
brauchte, selber aber nie gebraucht wurde. Obgleich infolge eines Herzleidens sicherer Todes¬
kandidat, will er, um neue Sensationen zu genießen, sich an einer gefahrvollen Forschungsreise
nach Bactrien beteiligen, aber auch ihm wird auf seine alten Tage ein Strich durch die Lebens¬
rechnung gemacht. Professor Wegraths leibliche Tochter Johanna besucht Sala häufig auf seiner
Villa und verliebt sich in ihn, trotz des großen Altersunterschiedes. Und der große Egoist spricht,
von ungewohnter Empfindung berührt, freiwillig das erste Wort von Heirat und gemeinsamer
Reise. Aber das seltsam geartete hrsterische Mädchen, das beim Anblick physischer Leiden anderer
ein körperliches Unbehagen empfindet und die unheilvolle Gabe des „zweiten Gesichts“ besitzt, sieht
Salas baldigen Tod voraus und ertränkt sich im Parkteich. Sala endet, da er von Johannas
Bruder zur Rechenschaft gezogen und brutal über seinen Zustand aufgeklärt wird, aus Furcht vor
langsamem Absterben durch eigene Hand. Der junge Wegrath hatte sich schon vorher auf Salas
Einladung zur Teilnahme an der Forschungsreise verpflichtet; er wird vielleicht in einer der
Marmorgrüfte der unterirdischen Cotenstatt, vom Fieber, von Herzleid oder einem Kurdenspeer
dahingerafft, die letzte Ruhe finden, und der alte Akademieprofessor wird ganz allein den letzten
Weg schreiten.
Die Darstellung des Deutschen Theaters war mit Sorgfalt und Geschick auf
den eigenartigen Ton dieser Lebenstragödie abgestimmt. Das Interessanteste bot trotz
anfänglicher kleiner Entgleisungen Albert Bassermann als Stefan von Sala,
der überlegene müde Ton des blasierten, gern ironischen Weltmannes liegt ihm von Natur.
Rudolf Ritner mußte als Julian Fichtner seinem Temperament manchen Zügel anlegen
und gestaltete die Rolle dennoch lebensvoller als der Dichter sie sich vielleicht gedacht hat. Ganz in
ihrem Element war Else Lehmann als Irene Herms. Die wichtige Episodenrolle der ehe¬
maligen Schauspielerin und Geliebten Juliaus, die zwar in nachdenklichen Stunden um das einst
sträflich verscherzte Mlutterglück trauert, aber resolut dem Leben ins Auge sieht und als Guts¬
herrin in beschaulichem Zusammenleben mit Natur und Tierwelt die Welt der Schminke und
Kulissen vergessen hat, verkörperte sie mit warmblütigem Leben und frischem Humor. Sehr fein
und lebensvoll virkte Oskar Sauer in der leicht zu verfehlenden Rolle des Professors Wegrath.
Pflichtbewußtsein, milde Güte, begrabene Künstlerträume, Resignation, die dem Fernstehenden als
zur Apathie gesteigert erscheinen könnte, sind die Grundzüge dieses Charakters, der auch nicht die
leifeste komische Spur vom Cocn enthält. Das ungleiche Geschwisterpaar spielten Irene Criesch
und Kurt Stieler im ganzen angemessen. In der Inscenierung war ein sinngemäßer diskreter
Aufwand entfaltet.
Das Publikum stand in seiner Mehrheit dem Stück ersichtlich befremdet und anfangs kühl
gegenüber. Später regte sich nach den Aktschlüssen lanter Beifall einer Gruppe, der freilich von