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18 Der einsane Neg
In diesen drei Geschichten aus dem kurischen Winkel macht er
uns mit einigen abseits vom ausgetretenen Wege aufgelesenen
Gesellen bekannt, deren Charakter er in liebenswürdigstem Plauder¬
ton entwickelt. Das geht alles nicht sehr tief und läßt oft die
reife Technik vermissen, aber man sieht doch, daß der Verfasser
das Herz auf dem rechten Fleck hat und fühlt die Liebe zu seinen
stillen Leut, die ihm die Feder in die Hand drückte. Wenn ich
eine von den drei Erzählungen bevorzugen soll, so ist es „Sonnen¬
brüder; ein feiner Humor macht diese Geschichte eines verfehlten
Lebens recht eindrucksvoll. Freunde einer schlichten Plauderkunst
P. Brünsing.
werden alle drei Erzählungen genießen.
Weg, Schauspiel.
Arthur Schnitzler, Der einsame
Berlin, S. Fischer 1904.
Schon das Thema, daß der natürliche Sohn seinem Vater,
der sich erst dem Erwachsenen, von einem anderen herangezogenen,
enthüllt, vollständig fremd gegenübersteht, ja daß im Sohne
vielleicht nur eine Abneigung gegen den Verführer der Mutter
gezeitigt wird, ist ein so interessantes, daß einem Werke mit
jenem Vorwurfe von vorneherein eine gewisse Aufmerksamkeit
gewiß ist. Benützt nun gar Arthur Schnitzler diesen Stoff mit
zu den psychischen Feinheiten eines Dramas, dann bietet sich dem
Leser ein wirklicher Genuß. Ich sage mit zu den Feinheiten, denn
das Leitmotiv ist nicht das berührte Thema, sondern der Satz:
„Den Weg hinab gehen wir alle allein ... das Altern ist nun
einmal eine einsame Beschäftigung ..“ und ich sage dem
Leser, weil die schöne Dichtung zu wenig grobsinnnliche, dekora¬
tive Handlung hat, um auf der Bühne stark zu wirken. Hat
man sich ja redlich bemüht, das Theater zu einer Schaustellung
von Kostümen, Malereien und Mimenkunststückchen zu machen. Des¬
halb ist auch das neue Drama eines jener Stücke, bei denen nicht der
Autor, — wohl aber das Publikum durchfallen kann. Man sagt oft, in
ähnlichen Themen wie im vorliegenden seien nur die Franzosen
als Dramatiker ernst zu nehmen. Schnitzler beweist uns gerade
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18 Der einsane Neg
In diesen drei Geschichten aus dem kurischen Winkel macht er
uns mit einigen abseits vom ausgetretenen Wege aufgelesenen
Gesellen bekannt, deren Charakter er in liebenswürdigstem Plauder¬
ton entwickelt. Das geht alles nicht sehr tief und läßt oft die
reife Technik vermissen, aber man sieht doch, daß der Verfasser
das Herz auf dem rechten Fleck hat und fühlt die Liebe zu seinen
stillen Leut, die ihm die Feder in die Hand drückte. Wenn ich
eine von den drei Erzählungen bevorzugen soll, so ist es „Sonnen¬
brüder; ein feiner Humor macht diese Geschichte eines verfehlten
Lebens recht eindrucksvoll. Freunde einer schlichten Plauderkunst
P. Brünsing.
werden alle drei Erzählungen genießen.
Weg, Schauspiel.
Arthur Schnitzler, Der einsame
Berlin, S. Fischer 1904.
Schon das Thema, daß der natürliche Sohn seinem Vater,
der sich erst dem Erwachsenen, von einem anderen herangezogenen,
enthüllt, vollständig fremd gegenübersteht, ja daß im Sohne
vielleicht nur eine Abneigung gegen den Verführer der Mutter
gezeitigt wird, ist ein so interessantes, daß einem Werke mit
jenem Vorwurfe von vorneherein eine gewisse Aufmerksamkeit
gewiß ist. Benützt nun gar Arthur Schnitzler diesen Stoff mit
zu den psychischen Feinheiten eines Dramas, dann bietet sich dem
Leser ein wirklicher Genuß. Ich sage mit zu den Feinheiten, denn
das Leitmotiv ist nicht das berührte Thema, sondern der Satz:
„Den Weg hinab gehen wir alle allein ... das Altern ist nun
einmal eine einsame Beschäftigung ..“ und ich sage dem
Leser, weil die schöne Dichtung zu wenig grobsinnnliche, dekora¬
tive Handlung hat, um auf der Bühne stark zu wirken. Hat
man sich ja redlich bemüht, das Theater zu einer Schaustellung
von Kostümen, Malereien und Mimenkunststückchen zu machen. Des¬
halb ist auch das neue Drama eines jener Stücke, bei denen nicht der
Autor, — wohl aber das Publikum durchfallen kann. Man sagt oft, in
ähnlichen Themen wie im vorliegenden seien nur die Franzosen
als Dramatiker ernst zu nehmen. Schnitzler beweist uns gerade
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