II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 199

18. Der einsane Neg
box 23/2
805
Und sah empor am eingeschlaf'nen Haus —
Da kam ein Mann und löscht' Laternen aus.
Zum Himmel lenkt' ich meinen Blick empor:
Den ewigen Reigen schritt der Sterne Chor.
Und weiter ging ich meinen nächtigen Gang,
Aus ferner Schenke tönte noch Gesang.
Der wallte festlich an der Gärten Rand:
Es war Herrn Gottfrieds Lied vom Daterland.
Wenn ich Abschied nehme.
Wenn ich Abschied nehme, will ich leise gehn,
Keine Hand mehr drücken, nimmer rückwärts sehn.
In dem lauten Saale denkt mir keiner nach,
Dankt mir keine Seele, was die meine sprach.
Morgendämm'rung weht mir draußen um das Haupt,
Und sie kommt, die Sonne, der ich doch geglaubt.
Lärmt bei euren Lampen und vergeßt mich schnell!
Lösche, meine Lampe! — Bald ist alles hell.
Hus Artbur Schnitzlers „Einsamer Weg“.
Vorbemerkung. Ueber Schnitzlers neues Schauspiel „Der ein¬
same Weg“ hat gelegentlich der Berliner Erstaufführung Detleff im Kunst¬
wart (XVII. 11 eingehend gesprochen — wir möchten unsere Leser freund¬
lichst bitten, das dort Gesagte noch einmal recht aufmerksam durchzugehn,
bevor sie das Folgende auf sich wirken lassen, denn es ist zum Verständnis
dieser Proben kaum entbehrlich. Heute wollen wir auf das Werk nicht
als auf ein Schauspiel hinweisen, sondern als auf ein Buch zum Lesen.
Es ist bei S. Fischer in Berlin erschienen. Wir haben unter unsern neuen
Romanen und Novellen durchaus nicht viele, die dem Leser so manches
mitgeben, wie dieses Stück mit seiner Müdigkeit, aber auch mit seinem
sittlichen Ernste.
Die kleine Gesprächs= und Gedankenharmonie, die wir hier zusammen¬
stellen, gruppiert sich um drei Hauptpersonen des Stücks, Julian, den einst so
„vielversprechenden“ „genialen“ Maler, der sein inneres Leben im egoisti¬
schen Genießen aufgebraucht hat, seinen Sohn Felix, der anfangs noch nicht
weiß, daß er Julians Sohn ist und sich für den des schlichten und tüchtigen
Maler=Professors Wegradt hält, und den Schriftsteller Sala, den Freund
und Wesensgenossen Julians von immerhin stärkerer und klarerer Männlich¬
keit. Wegradts Frau Gabriele, des Felix von Julian einst verlassene Mutter,
ist eben gestorben, Julian, alternd und einsam, ist in dem Verlangen nach
der Liebe seines Sohnes hergereist. Felix, ein frischer junger Offizier, wird
aber auch von Sala umworben, der ihn als Begleiter auf einer Expedition
in den Orient zu seiner Seite haben möchte. „Finden Sie nicht, daß er
sich brav gehalten hat?“ sagt Sala am Schlusse des Stücks zu Julian. „Es
scheint mir überhaupt, daß jetzt wieder ein besseres Geschlecht heranwächst, —
mehr Haltung und weniger Geist.“ Alles, was wir hier abdrucken, beleuchtet
Kunstwart
558