II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 206

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18. Der ein#de Neg
Julian: ... auferzogen als meinen Sohn...
Felix: In Haß gegen Sie.
atten gleich
Julian: Zuerst. Später in Verzeihung, und endlich — vergiß es
in Freundschaft für mich. — Und an jenem letzten Abend, da
nicht
gessen,
du an ihrem Bette standest, woran hat sie sich erinnert?. . . wovon mit
Buß
dir gesprochen?... Von jenen Tagen, in denen sie das größte Glück
erlebte, das einer Frau beschieden sein kann.
Felix: Und das tiefste Elend.
Julian: Denkst du, es war Zufall, daß ihr am letzten Abend gerade
jene Tage wieder durch den Sinn gingen?... Glaubst du, sie wußte
nicht, daß du zu mir kommen und jenes Bild von mir verlangen würdest?
.. Und denkst du, dein Wunsch bedeutete etwas anderes als den letzten
Gruß deiner Mutter an mich? — Verstehst du es, Felix? ... Und in
dieser Sekunde — wehre dich nicht — steht es vor deinen Augen, — das
Bild, das du gestern in deiner Hand hieltest; und deine Mutter sieht dich
an. — Und der gleiche Blick ruht auf dir, Felix, der damals auf mir
geruht hat, an dem glühenden und heiligen Tag, da sie in meine Arme
sank und dich empfing. — Und was immer dich jetzt bewegt, Zweifel und
Verwirrung, du weißt nun einmal die Wahrheit, deine Mutter selbst hat
es gewollt, und es gibt für dich keine Möglichkeit mehr, zu vergessen, daß
du mein Sohn bist.
Felix: Ihr Sohn . .. — Es ist nichts als ein Wort. Es klingt
ins Leere. — Ich sehe Sie an, ich weiß es, aber ich erfaß' es nicht.
Julian: Felix! —
Felix: Sie sind mir fremder geworden, seit ich es weiß. (Er wendet
sich ab.)
Julian, Sala.
Julian: Sie halten es für zweifellos, daß Ihre Schritte beim Grafen
Ronsky Erfolg haben werden?
Sala: Ich habe schon vorher vom Grafen bestimmte Zusicherungen
erhalten, sonst hätte ich Felix keine Hoffnungen gemacht.
Julian: Warum haben Sie das getan, Sala?
Sala: Wahrscheinlich, weil mir Felix sehr sympathisch ist, und ich
gern in angenehmer Gesellschaft reise.
Julian: Und Sie haben gar nicht daran gedacht, daß mir der Ge¬
danke schmerzlich ist, ihn zu verlieren?
Sala: Was soll das, Julian! Verlieren kann man doch nur, was
man besessen hat. Und besitzen kann man nur, worauf man sich ein Recht
erwarb. Das wissen Sie so gut wie ich.
Julian: Verleiht es nicht schließlich auch ein gewisses Anrecht auf
jemanden, wenn man seiner bedarf? — Verstehen Sie es denn nicht, Sala,
daß er meine letzte Hoffnung ist? ... Daß ich überhaupt niemand und
nichts mehr habe außer ihm? . .. Daß ich nach allen Seiten ins Leere
.. Daß mir vor der Einsamkeit graut, die mich erwartet?
greife?.
Sala: Und was hülfe es Ihnen, wenn er bliebe? Was hülfe es
Ihnen selbst, wenn er irgend etwas wie kindliche Zärtlichkeit zu Ihnen
empfände? ... Was hülfe er Ihnen oder irgendein anderer als er? ...
Es graut Ihnen vor der Einsamkeit? ... Und wenn Sie eine Frau an
Ihrer Seite hätten, wären Sie heute nicht allein? ... Und wenn Kinder
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2. Juliheft 1904