II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 230

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18. Der einsane Reg
Nun, nach so langer Zeit, in welcher Gabriele scheinbar* Das Visionäre des
glücklich in ihrer Familie gelebt, aber ihrem Manne niemals von Regie bemächtigt, oder
ihrer Untreue etwas gesagt hat, stirbt sie. In dieser Zeit kommt Eichbaum sowohl vor A
Herrn von Sala stand
Julian zurück. Er ist gealtert und sehnt sich, nachdem er als
Akten
„Herrenmensch“ genommen, was er begehrte, endlich nach einem
icke.

ihn liebenden Wesen. Er macht in seinen Gedanken Anspruch auf
die 1
„seinen Sohn“, und als dieser ihm von einem Aquarellporträt
3 uns
seiner Mutter erzählt, von dem sie auf dem Sterbebett gesprochen
die uns
und das Julian früher gemalt hat, glaubt er, daß Felix ihn mit
ebe und am
kindlicher Liebe umfassen werde, wenn er erfährt, daß er sein
dieser Nega¬
Vater ist. Felix errät den Sachverhalt auch wirklich, wendet sich
wingt uns zum
aber von ihm ab und ist mit noch größerer Liebe als bisher
5 Stüderen.Gar
seinem vermeintlichen Vater zugetan. Den letzteren trifft ein
rühmte Meister und
neuer, schwerer Schlag. Johanna, seine Tochter, welche den,
die uns zum Verweilen
durch ein Herzleiden dem Tod verfallenen Schöngeist Stephan
turstudium, an geistigem Em¬
von Sala liebt, stürzt sich in den Teich seines Parkes. Auch Sala
künstler nicht zur Höhe steigen
tötet sich, und Julian steht einsam und verlassen da.
der Moderne, eine absolut falsche,
Nach dem, was ich oben schon sagte, erübrigt es noch kurz
enskraft abholde, ja geradezu ent¬
auf die Einzelheiten d’eses Stückes einzugehen, das kein Drama
fassung gepaart mit einem krankhaften
ist, sondern eine Novelle, voll von spiritistischem Unfug.
Werk zu schaffen, d. h. eine „Größe“ zu sein
Die krankhafte Stimmung suchten die mitwirkenden Künstler
u zu solchen Arbeiten.
gleich von Anfang an zu markieren. Leider war das Mittel dazu
lt unseren übermodernen Künstlern das liebe¬
absolnt verfehlt, nämlich das außerordentlich leise und gedämpfte
r Natur. Man sieht sich dieselbe wohl an, über¬
volle Sti
Sprechen.
ofort, ohne sie verstanden zu haben und macht un¬
setzt sie ab
Meines Erachtens ist das in letzter Zeit auch
wahre violette Landschaften, sowie krankhafte Stimmungsschau¬
fbei nns eingeführte leise Sprechen geradezu
spiele daraus, die ersteren ohne schöne Linienführung und aus¬
lein Unsug. Die Künstler sprechen nicht für sich,
bauende, harmon'sche Komposition, die letzteren ohne fein ge¬
sondern für das Publikum und dieses hat das
gliederte und logisch begründete Handlung.
Recht, eine deutliche und hörbare Aussprache
Um aber doch den Auschein zu erwecken, man sei ein Realist
zu verlangen. Abgesehen von diesem Fehler gaben sich die
vom reinsten Wasser, und man habe die Natur bis ins Kleinste
Mitwirkenden alle erdenkliche Mühe, die Novität zu retten, wenn
studiert, greift man zu abgeschmackten, unschönen Motiven, die
es ihnen auch schwer fiel, sich in das Unwahre derselben hinein¬
aber nur dem verlebten, jeder Schönheit Abgeneigten Be fall ent¬
zufinden. Herrn Bauer und Herrn Bolz gelang dies am
locken körnen
besten, da dem ersteren, wie schon gesagt, die bestgezeichnete Per¬
Eine solche Arbeit ist Schnitzlers „Der einsame Weg“. Schon
son des Stückes, Professor Wegrath, zugefagen war, und letz¬
der Titel ist absolut nichtssagend und jedenfalls ein Produkt der
terer das Urbild seiner Rolle, Stephan von Sala, bei Ibsens
Verworrenheit von Idee und Landlung, ein Bewels dafür, daß
Nora wiederholt studiert und wiedergegeben hat. Fräulein Poll=
der Autor sich absolut unklar darüber war, was er eigentlich
ner, Johanna, und Herr Fricke, Felix, machten aus ihren
wolste.
Rollen, was daraus zu machen war, ebenso Fräulein Boch als
Zur Ehre des Frankfurter Publikums sei es gesagt, daß
Frau Gabriele Wegrath. Daß Herr Kirch mit Julian nicht viel
dasselbe das Stück derart gründlich ablehnte, wie es selten vor¬
Sympathie erweckte, lag nicht an ihm, denn diese Person, welche
zukommen pflegt.
als treibende Kraft der ganzen Handlung durchgearbeitet sein
Die Freunde, Professor Wegrath und Julian Fichtner, sind
müßte, entbehrt jeden Studiums, sie ist weder. markant noch geist¬
als Maler in einem idyllischen Dorfe vor 23 Jahren abgestiegen,
reich. Julian und Johanna sind unverstandene Nachempfind¬
als sie noch nichtsaren, als frische lustige, nach Ruhm aus¬
ungen aus Ibsens „Die Frau vom Meer“. Fräulein Lange
schauende Kunsti. ger. Juliau und Gabriele, die bildschöne, acht¬
und Herr Pfeil als Fräulein Herms und Doktor Neumann
zehnfährige Tocht.r des Wirdes, lieben sich und wollen zusammen
waren gut, doch lag letzterem die Rolle des sentimentalen Arztes
in die weite Welt gehen. Julian verläßt aber Gabriele als sie
nicht, während Fräulein Lange das Gemisch von unverdienter
das Opfer seines Leichtsinus geworden ist. Diese heiratet bald
Behaglichkeit und die aufflackernde Reue über ein vergangenes,
barauf den Maler Wegrath, den sie als Erstgeborenen einen
sündhaftes Leben gut vereinigte.
Sohn, Felix, und nachher eine Tochter, Johanna, schenkt.