II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 269

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18. Der einsane deg
Griechenlund konnte die Situation Englands auf der Insel nur ver¬
Wahler beim Betreten des Wahllokats dreißig und mehr „Vorder= hieraus
schlimmern; keinesfalls sieht England davon eine Förderung seiner Schiff¬
männer“ vorfanden, wickelte sich das Wahlgeschäft recht langsam
Periode
fahrtsinteressen veraus. Man fürchtet sich hier nicht vor der angedrohten
ab. Unter einer halben Stunde Warten mögen wenige davon¬
schlechter
Vereinigung Kretas mit Griechenland, welche das kretische Parlament in
völkerung
gekommen sein. Daß dieses lange Warten von vielen Wählern
einer Art von Staatsstreich nach dem Muster Ostrumeliens vornehmen
eine Ver
als eine wenig angenehme Folge des jetzigen Wahlmodus — nahe¬
könnte. Das Vorgehen der Rumelioten kann von einer insularen Be¬
zu 800 Wähler wählen in einem Bezirk — empfunden wurde,
hierzu n
völkerung nicht nachgeahmt werden, welche nach der Sachlage keine tat¬
war unverkennbar und wurde nicht bloß von Wählern der rechts¬
der nebe
sächliche Vereinigung zu vollziehen vermag, wie es das dem bulgarischen
stehenden Parteien unverhohlen ausgesprochen. Von einem unserer
rechtliche
Gebiete benachbarte Ostrumelien tun konnte. Der betreffende Beschluß
Gewährsmänner wird uns mitgeteilt, daß er am Vormittag drei¬
des kretischen Parlaments wäre nichts anderes als eine platonische De¬
monstration ohne praktische Bedeutung. Nur die Mächte können im Ein¬
viertel Stunden im Wahllokal sich aufgehalten hat, ohne seine
sich mith
vernehmen mit der Türkei die Wünsche des Generalkommissars erfüllen. Stimme abgeben zu können, am Nachmittag, wo die Abfertigung: Abzug d
Mutter Gewordenen ihn vor Jahren einsam wandeln wollte.
unvorteil
Siimme abgeben zu konnen, am Nachmittag, wo die Abfertigung
abgeforde
Schnitzler gibt damit nur eine Variation des schon von Diderot
Bernaus Felix war mehr die große Mühe, die er seiner Aufgabe
JM
dem ein
„wie dann wieder von Gutzkow, dem jüngeren Dumas und Augier
offenbar gewidmet hatte, als der Erfolg zu rühmen. So erwiesen
+
schabendes
behandelten Themas vom „fils naturel“ im Verhältnis zu seinem
sich denn eigentlich nur Herr Botz und Frl. Mayer als zuver¬
Scherzo,
pflichtvergessenen Vater. Einsam aber hat auch der gutmütige
lässige Stützen der Aufführung. Vielleicht dürfte der noch hoffende
Grade he
Professor Wegrath sein Leben hingebracht, denn das Herz seiner
und ringende Julian in seinem Gegensatze zu dem ironischen und
liedartige
Frau (Frau Gustine) gehörte bis zum Tode dem Jugendgeliebten.
blasierten Lebenskünstler Sala temperamentvoller erscheinen, aber
strömen
So ging auch sie im Hause des Gatten ihren einsamen Weg, und
auf dem vorherrschenden Grundtone der Resignation führte Herr Botz
im Gemi
weder bei Vater noch Mutter findet die Tochter dieser ungleichen
die Rolle folgerichtig durch. In der höchst dankbaren Aufgabe der
Repertoir
Eltern, Johanna, Anschluß. Schnitzler hat dieser seiner jugend¬
findel
etwas an die Mizi Schlager der „Liebelei“ erinnernden Schau¬
lichen Heldin den visionären Zug geliehen den schon seine „Frau
spielerin a. D. erfreute Frl. Mayer, der diesmal auch ihre heimat¬
mit dem Dolche“ zeigte; Johanna ist fest davon überzeugt, daß
liche österreichische Mundart gute Dienste leistete, durch frischen
ihre heutige Existenz nur die Wiederholung eines längst gelebten
Humor und die Natürlichkeit, mit welcher das naive Geplauder
Lebens sei. Aber im übrigen hat er Johannas Charakter und
von Julians abgedankter Geliebten den düstern Grundton des
Handeln höchst unklar, fast skizzenhaft behandelt. Dagegen spiegelt
Schnitzlerschen Thesenstückes durchbrach.
6ork
sich auch in den Schicksalen der Nebenpersonen, des von Johanna
zurückgewiesenen Doktors (Herr Johow) und der in ländliche
Zurückgezogenheit sich flüchtenden Schauspielerin Irene, die Haupt¬
idee wider.
Was Schnitzler in seinem Drama zur Darstellung bringen
Konzert.
wollte, ist deutlich genug, und zum Überflusse läßt er es auch noch
Es ist noch nicht lange her, da zog Bronislaw Hubermann
den um seine Tochter klagenden Wegrath aussprechen, wie schrecklich
geigender Wunde#abe durch die Konzertsäle der musikalischen Hau
die Tatsache sei, daß selbst die einander Nächstverbundenen nicht
städte wie gegenwärtig Franz von Vecsey und Mischa Elman.
miteinander, sondern unverstanden, also einsam, nebeneinander
Herbste 1893 begann er, aus der Schule Joachims kommend, als
dahinlebten. Mit geistvollen Aphorismen ist der Dialog des Stückes
jähriger Knabe seine Konzertlaufbahn, erntete beispiellose Erfolge
ausgestattet. Aber seine Ideen, seine These nun auch in lebendige
Europa und Amerika, gewann, was vom künstlerischen Standpunkte aus
dramatische Handlung umzusetzen, das ist Schnitzler diesmal nicht
noch wertvoller ist, die bewundernde Anerkennung Joachims und Brahms',
keit
Fert
zog sich aber 1898 von der Offentlichkeit zurück, um seine musiktheoretischen
geglückt. Es ist ein bedeutender Versuch, der trotz seiner Mängel
Ddur-Or
Kenntnisse zu vertiefen. Im Herbste 1902 trat er wieder vor das
achtungsvolle Teilnahme verdient, aber ein dramatischer Treffer ist
leiter, ge
Publ kum, und nun als erwachsener Künstler lenkte er auch seine Schritte
das Werk sicher nicht. Leider war nun auch die von Herrn Bonno
gewachsen
nach Breslau, wo er am 25. November im Saale der Börse mit den
rechtigter
geleitete Aufführung in ihrem schleppenden Tempo und mit verfehlten
Violinkonzerten von Mendelssohn und Tschalkowsky und der Cioconna
zu sehr 5
Besetzungen in einem Grade ungenügend, wie das glücklicherweise
von Bach seine außergewöhnliche Künstlerschaft nachwies. Der äußere
Anerkenn
im Lobetheater bis jetzt nicht oft der Fall war. Der Dichter von
Erfolg blieb ihm merkwürdigerweise bei seinen hiesigen Konzerten an¬
schwierig
Beatricens Schleier“ scheint im Lobetheater von besonderem
fänglich versagt, erst im vorigen Jahre konnte er bei uns vor aus¬
Huberma
Mißgeschick verfolgt zu werden. Die an sich schon unklare
verkauftem Saale spielen. Daß sein erstes und, wie angezeigt wurde,
Program
Rolle Johannas hatte wie das ganze Stück unter übel
einziges diesjähriges Konzert nicht dasselbe günstige Ergebnis zuwege
Backsisch
brachte, hat seinen Grund in der verhältnismäßig großen Anzahl von
angebrachten Strichen zu leiden, und Frl. Santen wollte es nicht
trampelte
Geigerkonzerten, die uns vor dem seinigen beschert wurden. In der neuen
gelingen, durch ihre Darstellung die Mängel zu verdecken. Die
haben.
Saison war der kleine Elman die „Sensation“, und eine solche lenkt natur¬
Rollen des Ehepaares Wegrath wurden geradezu schlecht gespielt,
Schubert
gemäß das Interesse des Publikums von rivalisierenden Unternehmungen
Unersätt
Herr Wendt gab den reichen Stefan von Sala steif und elegant,
ab. Das wird auch wieder einmal anders werden, und zu günstigerer
geber sich
blieb aber im übrigen der vom Dichter sehr kompliziert geschaffenen
Zeit wird auch Hubermann wieder einen vollen Saal bei uns vorfinden.
fand.
Gestalt so ziemlich alles schuldig. Die Gartenszene litt zudem
Sein diesmaliges Programm trug an der Spitze die selten gespielte
Form an
unter der unnugenden Ausstattung. An die Realität des Teiches,
Dmoll-Klavier=Violin=Sonate von Schumann. Ihr seltenes Erklingen
abzugew
in dem Ich Johanna ertränken soll, vermochte auch ein phantasie¬
hat seinen Grund nicht so sehr in ihrer großen Schwierigkeit als vielmehr
begabter Zuschauer nicht zu glauben. Einen für die Rolle des zur
in ihrer Undankbarkeit für den Geiger. In ihrem von kraftvoller, un¬
Wahl zwischen Pflegevater und natürlichem Vater aufgerufenen! stäter Leidenschaftlichkeit erfüllten ersten Satze bewegt sich die Geige sehr