II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 281

W
18. Derei
Telephon 12801.
AI.
JUDSEIVER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus:
20 4. Wölcde nundschau, Perin
0
vom:
Hus dem Kunstleben.
Lessing-Cheater.
Schnitzlers feines, wenn auch lang und
länger ausgezögenes=Gesprächsdrama „Der ein¬
same Weg“ ging gestern größtenteils in
der
alten, bewährten, trefflichen Besetzung neu ein¬
studiert in Szene. Das Stück kann immer
nur auf einen kleineren Teil des Publikums
wirken, auf denjenigen, der das Ohr und den Ge¬
schmack für feingeschliffene, im weitesten Sinne
kultivierte Unterhaltung besitzt. Die Kunst des
Gesprächs steht in deutschen Stücken des Mittel¬
schlages meistens tiefer, als etwa in französischen.
Die deutschen Autoren vernachlässigen sich geradezu in
der zugleich natürlichen und bedeutsamen Führung des
Wortes. Was vielsagend sein soll, wird geschraubt,
das Ungezwungene flegelhaft. Demgegenüber ist
es ein wahrhaftes Vergnügen, den Personen dieses
Stückes zuzuhören, noch mehr ihre Rede und Gegen¬
rede zu lesen. Es sind fast alles skeptische, ein
wenig möde, man kann auch sagen ab¬
gebrühte Menschen, die hier das Wort führen,
Menschen, die schon aus Klugheit alle Gespreiztheit,
alle Tölpelei und Aufdringlichkeit vermeiden, die,
wenn sie zufällig sogar tugendhaft sind, die Tugend
wegen ihrer Schönheit, wegen ihrer ästhetischen
Wirkung ausüben.
Ein schöner, freier Sinn
schält sich zudem aus dem Ganzen heraus. Der
illegitime wirkliche Vater, der in späten Tagen da
Liebe ernten will, wo er nie in Treue und Ein¬
falt das von ihm gesäete Korn gehegt hat,
wird von seinem eigenen Fleisch und Blut verleugnet
zugunsten des nur sogenannten Vaters, des be¬
trogenen Ehemannes, der aber in
Blind¬
heit sich das Herz des „fremden“ Kindes
durch Einsetzung des eigenen Herzens erobert
hat. Die Kraft der Güte erweist sich dicker als
Blut. — Wundervoll war wieder, wie vor zwei
Jahren, Herr Bassermann, als lässiger Welt¬
mann und Mann von Welt, in Manieren und
Bewegungen, in der leichten Art des Sprechens von
der ganz selbstverständlichen Sicherheit des Mannes,
der nichts mehr hofft, den kaum noch etwas über¬
rascht. An Stelle des prachtvoll kräftigen und resig¬
nierten Rittner gab gestern Herr Reicher die
Gestalt des Schönlings und Selbstlings, der über
der beschaulichen, genießenden Betrachtung des Lebens
das Leben selbst verliert. Oder: Der statt der
rast und Hatz des Daseins den Frieden un
Freuden des unbeteiligten Zuschauens einte¬
Herr Reicher glaubte nicht recht an die Fil
die er machte. Er lächelte innerlich über sie, 1.
zusselbstironisch und trug dadurch für alle diejenig
zu deutlich auf, die doch in diesem Menschen mi
einen ernsthaft diskutierbaren Typ, als eine d
Lächeln preiszugebende Pose erblicken.
Paul Mahn.
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Telephon 12801.
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„USSEHTER
I. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Aussohnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom,
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gawähr.)
Ausschittsänsche Zeitung, Berlin
vom:
B
Theater und Musik.
1X
Schnitzlexs fünfaktiges Schauspiel „Der einsame Weg“,
das im Feoruär vor zwei Jahren eine etwas gemischte Aufnahme
fand, wurde gestern abend vom Lessing=Theater neu einstudiert
und in der Hauptrolle neu besetzt wieder herausgegeben. Das in“
seinen Proportionen verfehlte Stück, das zwei Handlungen folgt,
ohne sie innerlich zusammenzubringen, machte wie bei der Uraufführung
wieder den Eindruck, daß es noch einmal dramatisiert werden müsse,
und man hätte vielleicht im Einverständnis mit dem Dichter etwas
in können, um ihm eine schlankere Figur zu geben. Aber das
Dichterwort, an dem früher ein skrupelloses Komödiantentum nach
Belieben gedreht und gedeutelt hat, ist jetzt in den Geruch der un¬
verletzlichsten Heingkeit gekommen, und ein deutscher Dramatiker
wird eher alles dere zugeben, als daß er vom Theater gelernt
haben sollte. An vielen Stellen blendend durchleuchtet Schnitzlers
Esprit diese fünf langen Akte, doch nicht stark genug, um die
Atmosphäre von dem schwülen Parfüm verwelkter Gefühle zu
reinigen, die hauptsächlich die beiden alten Sünder, der Maler Fichtner
und der dichtende Lebemann Sala in dem Treibhaus ihrer Erinnerungen
konservieren. Die Rolle des Malers, der sich seinem natürlichen
Sohn offenbart und von diesem zurückgestoßen wird, ist jetzt an
Herrn Reicher gekommen, wodurch das unerwünschte Gegenteil-#¬
von der früher Rittnerschen Figur herauskam. Statt des kräftigen
Kerls, dem man wohl glauben mußte, daß er das Leben hart
und wild angepackt hat, erschien ein viel zu sorgfältig
frisierter Herr, der öfter vor dem Spiegel als vor der Staffelei
gestanden haben mochte und seine peinlichen Geständnisse an den
Sohn mit stark geöltem Vortrag abgab. Dadurch wurde das
Weichliche an dem Stück, das seine ironischen Pointen mit sehr
viel Gefühl erkauft, noch breiiger und die Erinnerung
an Rittner bewies wieder, daß Schnitzler am besten bei den
Schauspielern aufgehoben ist, die seiner schwanken Konstitution aus
eigener Kraft das mangelnde Rückgrat geben können, die sich nicht !
ganz an ihn verlieren und ihm mit etwas männlichem Grimm
widerstehen. In diesem Sinne füllte auch Herr Marr den jetzt
an ihn gekommenen Arzt, der sich zu schwach glaubt, um
Schurke zu werden, mit einer stillen, aber festen Natürlichkeit. Den
Figuren von Frau Else Lehmann und Herrn Bassermann ist
ihr alter Glanz geblieben. An der dunklen Gestalt des jungen
Mädchens das den alternden Levemann liebt und in den Teich
geht, mühte sich wieder die klügste Kunst von Frau Irene
Triesch mit ganz aussichtslosen Rettungsversuchen. A. E.