We
box 23/3
18. Derei
gab, liebenswürdiger, genialer, nervöser, mit einem
0047 gessing=Cheatev.
Wort: wienerischer. In Reichers Darstellung trat
der leichtlebige Künstler zurück gegen den durchs
Neu einstudiert: „Der einsame Weg“,
Leben gehetzten Schiffbrüchigen, der als Alternder:
ißler.
Schauspiel in 5 Atten von Arthur Schn
die bittere Frucht eines vergendeten Daseins erntet;
Regie: Emil Lessing.
und den Dornenweg des Einsamen geht. Die
Schnitzlers Gestalten gehen vorüber an uns
Tragödie der Vereinsamung! Das war es, was
wie der Zug des Todes. Blutlose Schemen, die
Reichers schlichte Menschendarstellung zum er¬
„zum Hades wallen! Aus müden schicksalstrunkenen
greifenden Ausdruck brachte. Ihren Höhepunkt er¬
Augen schauen sie fragend ins Unbekannte
reichte die Kunst Reichers Ange in Auge mit dem
warum das alles? — den Finger auf der Lippe,
Sohn, in dem männlichen Bekenntnis seines im
als wollten sie das geheime Leid, das ihr Dasein
Rausch der Jugend begangenen Fehltritts und sei¬
umschließt, mit ins Grab nehmen. Nicht aus eige¬
ner Flucht aus der Enge eines Verlöbnisses in die
nem Wollen und Vermögen bauen sie ihr Schicksal,
dem Künstler naturnotwendige Freiheit. Den
ein boshaftes Ungefähr hat es ihnen in die Wiege
Raisonneur des Stückes, den wunderlichen Herrn
gelegt, und nun schleppen sie daran wie der
von Sala, spielte Bassermann. In
der
Sträfling an seiner Bleikugel. Die Schicksale, die
kapriziösen Darstellung geistreicher Sonderlinge
hr Leben bestimmen, liegen weit zurück, ihre Er¬
sucht dieser Künstler seinesgleichen. Selbst eine so
Aebnisse sind keine Tragödien, es sind vielmehr
verfehlte und geschraubte Gestalt wie dieser über
Epiloge zur Lebenstragödie selost, Epiloge voll
Tod und Leben witzelnde Herzkranke, der zwischen
müder Ironie, voll kranker Todessehnsucht, aber
einer späten Neigung und abenteuerlichen Reise¬
gerade deshalb auch so voll von der Tragik des
plänen hin= und herschwankt, gewinnt in Basser¬
modernen Menschen, dem die alten Stützen seiner
manns Darstellung einen Schein von Lebenswahr¬
Kraft zusammengebrochen sind und der bei aller
heit. Er spielt einen Lebendigtoten in comment¬
blendenden Geistesbildung irre geworden ist am
mäßigem Konversationston, während kalte, ge¬
Sinn des Lebens.
spenstische Lichter über seine Rede hinhuschen.
Das Lessingtheater hat mit der Neueinstudie¬
Irene Triesch spielte die Johanna Wegrat. Keine
rung des Schnitzlerschen Schauspiels „Der ein¬
verlockende Aufgabe! Eine Hysterische, die am Le¬
same Weg“, das von früheren Aufführungen her
ben leidet, ohne Pflichtgefühl gegen die Ihrigen,
bereits bekannt ist, allen Freunden des geistreichen
ohne jede Fähigkeit zum Fück. Das verkrüppelie
Wiener Poeten einen hohen Genuß bereitet. Nach
Kind einer glücklosen, auf Lüge gegründeten Ehel
der gewaltsamen, affektierten Tragik der letzten
Irene Triesch brachte den Schrei nach Liebe, der
*Schnitzlerpremiere
(„Ruf des Lebens“)
wirkte
auch dieses Geschöpf einmal durchzittert, zu packen¬
gestern dieses stille, gedankenvolle Spiel mit seinen
dem Ausdruck, doch gab sie dieser welken Blume zu¬
von Geistessunken durchblitzten Dämmerungen dop¬
viel von ihrer eigenen Lebenswärme, zu viel Kür¬
pelt anziehend, so sehr ihm auch der dramatische
per. Eine prächtige Leistung war die Irene Herms
Lebensnerv, die Handlung mangelt. Freilich, nur
der Frau Elseung, humoristisch,
ein so hochstehendes Ensemole wie das des Lessing¬
von bessschteit. Der Aufschrei
theaters vermag die rein geistige Tragik dieser fünf
des um ihr Mutterglück betrögenen Weibes in der
Akte ins Leben zu übersetzen. Es liegt in der
großen Szene mit Julian Fichtner, der menschlich
Feinheit, mit der die Schnitzlerschen Dialoge auf
wahrsten, die Schnitzler je geschrieben, war von er¬
dieser Bühne gesprochen werden, ein hohes Maß
schütternder Wirkung. Den Leutnant Felix spielte
von inneter Kultur, von künstlerischer Erziehung,
der junge Kurt Stieler mit seinem etwas spröden!
die allein den Schauspieler befähigi, Menschen vor¬
Organ ganz sympathisch. Das unglückliche Eltern¬
wiegend getstiger Art darzustellen, wie Schnitzler
paar, Prof. Wegrat und Frau, war durch Hedwig
sie zeichnet.
Pauly und Oskar Sauer entsprechend besetzt.
Den Maler Fichtner spielte Emannel Rei¬
Das zahlreich erschienene Publikum folgte den
cher. Was dieser Künstler sich zu eigen macht,
langen Auseinandersetzungen mit gespanntem
wird volle Natur, wenn seine Auffassung sich auch,
Interesse. Auch nach den Aktschlüssen wurde die
wie diesmal, vom Dichterbilde entfernt. Schnitzler
nachdenkliche Stimmung des Hauses durch keinerlei
hat sich den alternden Don Juan, den Genossen
lauten Beifall gestört. Es war ein richtiger
des Herrn von Sala, den strupellosen Genußmen= Schnitzler=Abend.
H. v. B.
schen doch wohl anders gedacht, als Reicher ihn
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18. Derei
gab, liebenswürdiger, genialer, nervöser, mit einem
0047 gessing=Cheatev.
Wort: wienerischer. In Reichers Darstellung trat
der leichtlebige Künstler zurück gegen den durchs
Neu einstudiert: „Der einsame Weg“,
Leben gehetzten Schiffbrüchigen, der als Alternder:
ißler.
Schauspiel in 5 Atten von Arthur Schn
die bittere Frucht eines vergendeten Daseins erntet;
Regie: Emil Lessing.
und den Dornenweg des Einsamen geht. Die
Schnitzlers Gestalten gehen vorüber an uns
Tragödie der Vereinsamung! Das war es, was
wie der Zug des Todes. Blutlose Schemen, die
Reichers schlichte Menschendarstellung zum er¬
„zum Hades wallen! Aus müden schicksalstrunkenen
greifenden Ausdruck brachte. Ihren Höhepunkt er¬
Augen schauen sie fragend ins Unbekannte
reichte die Kunst Reichers Ange in Auge mit dem
warum das alles? — den Finger auf der Lippe,
Sohn, in dem männlichen Bekenntnis seines im
als wollten sie das geheime Leid, das ihr Dasein
Rausch der Jugend begangenen Fehltritts und sei¬
umschließt, mit ins Grab nehmen. Nicht aus eige¬
ner Flucht aus der Enge eines Verlöbnisses in die
nem Wollen und Vermögen bauen sie ihr Schicksal,
dem Künstler naturnotwendige Freiheit. Den
ein boshaftes Ungefähr hat es ihnen in die Wiege
Raisonneur des Stückes, den wunderlichen Herrn
gelegt, und nun schleppen sie daran wie der
von Sala, spielte Bassermann. In
der
Sträfling an seiner Bleikugel. Die Schicksale, die
kapriziösen Darstellung geistreicher Sonderlinge
hr Leben bestimmen, liegen weit zurück, ihre Er¬
sucht dieser Künstler seinesgleichen. Selbst eine so
Aebnisse sind keine Tragödien, es sind vielmehr
verfehlte und geschraubte Gestalt wie dieser über
Epiloge zur Lebenstragödie selost, Epiloge voll
Tod und Leben witzelnde Herzkranke, der zwischen
müder Ironie, voll kranker Todessehnsucht, aber
einer späten Neigung und abenteuerlichen Reise¬
gerade deshalb auch so voll von der Tragik des
plänen hin= und herschwankt, gewinnt in Basser¬
modernen Menschen, dem die alten Stützen seiner
manns Darstellung einen Schein von Lebenswahr¬
Kraft zusammengebrochen sind und der bei aller
heit. Er spielt einen Lebendigtoten in comment¬
blendenden Geistesbildung irre geworden ist am
mäßigem Konversationston, während kalte, ge¬
Sinn des Lebens.
spenstische Lichter über seine Rede hinhuschen.
Das Lessingtheater hat mit der Neueinstudie¬
Irene Triesch spielte die Johanna Wegrat. Keine
rung des Schnitzlerschen Schauspiels „Der ein¬
verlockende Aufgabe! Eine Hysterische, die am Le¬
same Weg“, das von früheren Aufführungen her
ben leidet, ohne Pflichtgefühl gegen die Ihrigen,
bereits bekannt ist, allen Freunden des geistreichen
ohne jede Fähigkeit zum Fück. Das verkrüppelie
Wiener Poeten einen hohen Genuß bereitet. Nach
Kind einer glücklosen, auf Lüge gegründeten Ehel
der gewaltsamen, affektierten Tragik der letzten
Irene Triesch brachte den Schrei nach Liebe, der
*Schnitzlerpremiere
(„Ruf des Lebens“)
wirkte
auch dieses Geschöpf einmal durchzittert, zu packen¬
gestern dieses stille, gedankenvolle Spiel mit seinen
dem Ausdruck, doch gab sie dieser welken Blume zu¬
von Geistessunken durchblitzten Dämmerungen dop¬
viel von ihrer eigenen Lebenswärme, zu viel Kür¬
pelt anziehend, so sehr ihm auch der dramatische
per. Eine prächtige Leistung war die Irene Herms
Lebensnerv, die Handlung mangelt. Freilich, nur
der Frau Elseung, humoristisch,
ein so hochstehendes Ensemole wie das des Lessing¬
von bessschteit. Der Aufschrei
theaters vermag die rein geistige Tragik dieser fünf
des um ihr Mutterglück betrögenen Weibes in der
Akte ins Leben zu übersetzen. Es liegt in der
großen Szene mit Julian Fichtner, der menschlich
Feinheit, mit der die Schnitzlerschen Dialoge auf
wahrsten, die Schnitzler je geschrieben, war von er¬
dieser Bühne gesprochen werden, ein hohes Maß
schütternder Wirkung. Den Leutnant Felix spielte
von inneter Kultur, von künstlerischer Erziehung,
der junge Kurt Stieler mit seinem etwas spröden!
die allein den Schauspieler befähigi, Menschen vor¬
Organ ganz sympathisch. Das unglückliche Eltern¬
wiegend getstiger Art darzustellen, wie Schnitzler
paar, Prof. Wegrat und Frau, war durch Hedwig
sie zeichnet.
Pauly und Oskar Sauer entsprechend besetzt.
Den Maler Fichtner spielte Emannel Rei¬
Das zahlreich erschienene Publikum folgte den
cher. Was dieser Künstler sich zu eigen macht,
langen Auseinandersetzungen mit gespanntem
wird volle Natur, wenn seine Auffassung sich auch,
Interesse. Auch nach den Aktschlüssen wurde die
wie diesmal, vom Dichterbilde entfernt. Schnitzler
nachdenkliche Stimmung des Hauses durch keinerlei
hat sich den alternden Don Juan, den Genossen
lauten Beifall gestört. Es war ein richtiger
des Herrn von Sala, den strupellosen Genußmen= Schnitzler=Abend.
H. v. B.
schen doch wohl anders gedacht, als Reicher ihn