II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 313

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18. Der einaune Neg
wenn er sie hat, der in seiner Selbstsucht nicht ein¬
weiß Gott, wohin“ Nur ein Lichtblick ist in diesem
mal um das Bewußtsein der letzten Stunde gebracht
Stücke voll trüber Sensationen, voll Zweifel und
sein will, der aber dann, als Johanna ins dunkle
quälerischer Kraft, nämlich die Wandlung im Wesen
Reich vorangeht, in Schönheit zu sterben weiß. Nur
von Felix, den Wegrath, nach all dem Leid, das er
in der Maske erschien er uns zu alt. Herr Sauer
erlitten, durch die stille Einfalt des Herzens und die
als Wegrath bot eine feine Figur, von klaren Linien
Erfüllung der Pflicht für immer gewinnt. Das wirkt
umrissen, erfüllt und getragen von innerer Heiterkeit
wie der milde Glanz des Regenbogens, der nur
und von der ehrlichen Gesinnung eines mahlenden
auf dunklem Grunde erscheint. Und auch sonst endet
Kunstbeamten, den seine Kunst mit Butter versorgt.
das Stück bei aller Schwermut der Gedanken, die
Irene Triesch fand sich mit den transcendentalen
es aufwühlt und enthüllt, doch mit einer kräftigen
Wendungen ihrer schwierigen Rolle mit Takt und
Bejahung des Lebens, mit hellem Hoffnungsblick.
vollendeter Sicherheit ab. Am meisten ließ den Dichter
„Es scheint mir“ sagt zum Schlusse Herr von Sala,
Herr Reicher als Julian Fichtner im Stich. Allen
„daß jetzt wieder ein besseres Geschlecht heranwächst —
den Rausch von Zärtlichkeit und Leidenschaft, den er
mehr Haltung und weniger Geist“
erlebt haben wollte, konnte man ihm fast nicht glauben,
Ob das Werk durch die Aufführung auf der
denn dazu gehören geschmeidigere Menschen, als er.
Bühne überhaupt an Lebenskraft und Wirkung ge¬
Keine Spur von der sengenden Glut und der einst
winnen kann, mag man mit einigem Rechte bezweifeln.
hinreissenden Macht des Genies, die zur Rolle gehört.
Manches darin ist doch zu fein gebosselt, mit zu
Johanna sagt, es ziehe sie zu Fichtner hin, sie liebe
zarten Fingern gefaßt und zu ätherisch verkleidet,
solche Menschen, die immer von weit herkommen.
als daß es in der Projektion auf die grelle Theater¬
Das stimmte auf Herrn Reicher gewiß nicht. Das
leinwand gewinnen kann. Manches freilich blieben
Imponderable im Wesen der Gestalt fehlte ganz und
dem Dichter auch die Spieler schuldig. Den leichtesten
gar. Dazu kam eine auffallende Sprödigkeit des Spiels,
Stand hatte Else Lehmann als Irene Herms.
die bis in das unnötige Klaffen einer tonlosen Rede
Unter allen den flügellahmen Gestalten des Werkes
merkbar war. Den übermäßig edlen Arzt spielte
flatterte sie, die sich mit allem Menschlichen, allzu Mensch¬
Herr Marr, Hedwig Pauly die Gabriele, den
lichen in robuster Gesinnung und nicht ohne Humor
Felix Herr Stieler. Der bedeutungsvolle Anfang
abgefunden hat, ganz munter herum. In die drückende
verhallte ohne jede Wirkung in der Unruhe des Hauses,
Schwüle brachte sie allein etwas frischere Luft. Selbst
am stärksten wirkten der zweite und folgende Aufzug,
daß sie nicht immer einwandfrei spricht, vergaß man
nach denen der Dichter wiederholt für den reichen
gern. Ihr galt auch der einzige warme Beifall des
Beifall danken konnte, in den breiten Auseinander¬
Abends. Neben ihr kommt Bassermann als
setzungen der beiden letzten Akte ließ jedoch die Span¬
Herr von Sala in Betracht. Das war wirklich der
Mann des reinen Ichs, der seine Freunde verleugnet, nung und das Interesse merklich nach.
Wenn man Ibsen vorhält, daß
Typen des Theaters zu entfliehen, si
wahre Typen der Gesellschaft erfand,
Schnitzler wegen des gleichen Vorwu
seinen dramatischen Wesen machen kan¬
ilich nur der guten Gesellschaft freuen.
es sich im „Einsamen Weg“ um d
Lösung eines allerdings konstruierten,
schen Problems, und dazu reichen die
Dramas aus. Sein Werk entbehrt,
wirkungsvolle Szenen, des eigentliche
Wurfs, es hat seine Unvollkommenheit
samen Verkürzungen, seine Kanten un
wie andere Kinder seiner Muse ist es i
sondern aus grübelndem Sinne gezeu
war wohl von Anfang an überhaupt ni
bestimmt. Und trotzdem möchten wir e
ist, nicht missen. Ein Funke vom Geiste
lebt darin, das ewige Leid der Mensch
und ihre Grenzen werden lebendig. S
längst das Haus verlassen, zittert die
des Werkes erschütternd nach. Es ist
möchten wir Schnitzler noch lieber an
zurückrufen auf die Pfade, die er
und wir geben die Hoffnung, ihm e
zu begegnen, nicht auf. In diesem
von Sala zu Julian: „Jedermann
Ihnen, daß sie sich früher oder später
wieder finden werden.“ Und so d
vom Dichter.
Dr. Theod