II, Theaterstücke 18, Der einsame Weg. Schauspiel in fünf Akten (Junggeselle, Junggesellenstück, Die Egoisten, Einsame Wege, Wege ins Dunkle, Weg zum Licht), Seite 314

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18. Der einsane Neg
wenn er sie hat, der in seiner Selbstsucht nicht ein¬
tt, wohin.“ Nur ein Lichtblick ist in diesem
mal um das Bewußtsein der letzten Stunde gebracht
voll trüber Sensationen, voll Zweifel und
sein will, der aber dann, als Johanna ins dunkle
her Kraft, nämlich die Wandlung im Wesen
Reich vorangeht, in Schönheit zu sterben weiß. Nur
ix, den Wegrath, nach all dem Leid, das er
in der Maske erschien er uns zu alt. Herr Sauer
durch die stille Einfalt des Herzens und die
als Wegrath bot eine feine Figur, von klaren Linien
ig der Pflicht für immer gewinnt. Das wirkt
umrissen, erfüllt und getragen von innerer Heiterkeit
milde Glanz des Regenbogens der nur
und von der ehrlichen Gesinnung eines mahlenden
klem Grunde erscheint. Und auch sonst endet
Kunstbeamten, den seine Kunst mit Butter versorgt.
fück bei aller Schwermut der Gedanken, die
Irene Triesch fand sich mit den transcendentalen
bühlt und enthüllt, doch mit einer kräftigen
Wendungen ihrer schwierigen Rolle mit Takt und
nig des Lebens, mit hellem Hoffnungsblick.
vollendeter Sicherheit ab. Am meisten ließ den Dichter
eint mir“, sagt zum Schlusse Herr von Sala,
Herr Reicher als Julian Fichtner im Stich. Allen
t wieder ein besseres Geschlecht heranwächst —
den Rausch von Zärtlichkeit und Leidenschaft, den er
haltung und weniger Geist“
erlebt haben wollte, konnte man ihm fast nicht glauben,
das Werk durch die Aufführung auf der
denn dazu gehören geschmeidigere Menschen, als er.
überhaupt an Lebenskraft und Wirkung ge¬
Keine Spur von der sengenden Glut und der einst
kann, mag man mit einigem Rechte bezweifeln.
hinreissenden Macht des Genies, die zur Rolle gehört.
s darin ist doch zu fein gebosselt, mit zu
Johanna sagt, es ziehe sie zu Fichtner hin, sie liebe
Fingern gefaßt und zu ätherisch verkleidet,
solche Menschen, die immer von weit herkommen.
z es in der Projektion auf die grelle Theater¬
Das stimmte auf Herrn Reicher gewiß nicht. Das
id gewinnen kann. Manches freilich blieben
Imponderable im Wesen der Gestalt fehlte ganz und
sichter auch die Spieler schuldig. Den leichtesten
gar. Dazu kam eine auffallende Sprödigkeit des Spiels,
hatte Else Lehmann als Irene Herms.
die bis in das unnötige Klaffen einer tonlosen Rede
allen den flügellahmen Gestalten des Werkes
merkbar war. Den übermäßig edlen Arzt spielte
esie, die sich mit allem Menschlichen, allzu Mensch¬
Herr Marr, Hedwig Pauly die Gabriele, den
n robuster Gesinnung und nicht ohne Humor
Felix Herr Stieler. Der bedeutungsvolle Anfang
niden hat, ganz munter herum. In die drückende
verhallte ohne jede Wirkung in der Unruhe des Hauses,
le brachte sie allein etwas frischere Luft. Selbst
am stärksten wirkten der zweite und folgende Aufzug,
nicht immer einwandfrei spricht, vergaß man
nach denen der Dichter wiederholt für den reichen
Ihr galt auch der einzige warme Beifall des
Beifall danken konnte, in den breiten Auseinander¬
.Neben ihr kommt Bassermann als
setzungen der beiden letzten Akte ließ jedoch die Span¬
on Sala in Betracht. Das war wirklich der
des reinen Ichs, der seine Freunde verleugnet, nung und das Interesse merklich nach.
Wenn man Ibsen vorhält, daß er, um den
Typen des Theaters zu entfliehen, sich ebenso un¬
wahre Typen der Gesellschaft erfand, so wird sich
Schnitzler wegen des gleichen Vorwurfs, den man
seinen dramatischen Wesen machen kann, wahrschein¬
lich nur der guten Gesellschaft freuen. Ihm handelt
es sich im „Einsamen Weg“ um die künstlerische
Lösung eines allerdings konstruierten, aber tief ethi¬
schen Problems, und dazu reichen die Gestalten des
Dramas aus. Sein Werk entbehrt, bis auf einige
wirkungsvolle Szenen, des eigentlichen, dramatischen
Wurfs, es hat seine Unvollkommenheiten und gewalt¬
samen Verkürzungen, seine Kanten und Ecken. Nicht
wie andere Kinder seiner Muse ist es in froher Laune,
sondern aus grübelndem Sinne gezeugt. Das Werk
war wohl von Anfang an überhaupt nicht zum Drama
bestimmt. Und trotzdem möchten wir es auch so, wie es
ist, nicht missen. Ein Funke vom Geiste des Prometheus
lebt darin, das ewige Leid der Menschheit faßt uns an
und ihre Grenzen werden lebendig. Schon wenn man
längst das Haus verlassen, zittert die tiefe Stimmung¬
des Werkes erschütternd nach. Es ist Poesie. Freilich
möchten wir Schnitzler noch lieber anders sehen, ihn
zurückrufen auf die Pfade, die er zuerst beschritt,
und wir geben die Hoffnung, ihm einst dort wieder
zu begegnen, nicht auf. In diesem Stücke sagt Herr
von Sala zu Julian: „Jedermann erwartet von
Ihnen, daß sie sich früher oder später — vollkommen
wieder finden werden.“ Und so denken wir auch
vom Dichter¬
Dr. Theodor Gottlieb.